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Prozess gegen IS-Rückkehrerin in HamburgBloß den Haushalt geführt

Seit Montag steht die IS-Rückkehrerin Omaima A. vor Gericht. Die Witwe des Terroristen Denis Cuspert soll unter anderem eine Sklavin gehalten haben.

Was brachte sie dazu, mit ihren Kindern nach Syrien zu gehen? Omaima A. am Montag in Hamburg Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Der Prozess gegen Omaima A. vor dem Hamburger Oberlandesgericht begann am Montag mit großem Rascheln und Poltern. Weil wegen der Corona-Schutzmaßnahmen nur eine Handvoll Plätze im Zuschauerbereich bereitgestellt wurde, gab es für die Berichterstattung eine Tonübertragung in einen anderen Raum. Doch das Interesse war groß: Die heute 35-jährige Angeklagte soll sich 2015 dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben. A. ist die Witwe von Denis Cuspert, des wohl bekanntesten deutschen IS-Terroristen. Nach ihrer Rückkehr 2016 lebte sie zunächst unbehelligt in Hamburg.

Technisch einwandfrei funktionierte die Übertragung nicht – mal versagte die Verbindung, mal vergaßen die Verhandlungs­teilnehmer*innen, deutlich ins Mikrofon zu sprechen. Die Vorwürfe, die die Bundesanwaltschaft zu Beginn der Verhandlung aufzählte, haben es in sich: Sie wirft der Angeklagten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. In Mails an Freund*innen in Deutschland soll sie, so der Bundesanwalt, „positiv von ihrem Leben in Syrien und werbend für den IS berichtet haben“.

Omaima A. soll in Syrien ein nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz verbotenes Sturmgewehr besessen haben. Zudem soll sie eine vom IS als Sklavin gehaltene 13-jährige Jesidin in ihrem Haushalt beschäftigt haben. Deshalb wird gegen die gebürtige Hamburgerin auch wegen Menschenhandels und Verbrechens gegen die Menschlichkeit verhandelt.

Im Jahr 2015 reiste A. über Frankfurt am Main und Istanbul in die vom IS beherrschten Gebiete in Syrien. Sie nahm ihre drei zwischen acht Monaten und acht Jahren alten Kinder mit – weshalb ihr auch Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ihrer Kinder vorgeworfen wird. Zu diesem Zeitpunkt war sie mit dem aus Frankfurt am Main stammenden IS-Terroristen Nadir Hadra verheiratet, der sich bereits in Syrien befand.

Enttarnt durch eine Journalistin

Nachdem Hadra bei Kämpfen getötet wurde, heiratete A. De­nis Cuspert. Der Berliner, der zuvor als Gangsterrapper Deso Dogg Karriere machte, war da schon in den Führungszirkel des IS aufgestiegen. Cuspert ist laut Bundeskriminalamt vermutlich seit 2018 tot. Im September 2016 reiste A. zurück nach Deutschland. Sie ließ sich mit ihren Kindern in Hamburg nieder und arbeitete angeblich als Übersetzerin und Eventmanagerin – zunächst unbehelligt von deutschen Ermittlungsbehörden.

Dass es überhaupt und erst mehr als drei Jahre nach A.s Rückkehr zu einem Verfahren kommt, ist offenbar den Recherchen der libanesischen TV-Journalistin Jenan Moussa zu verdanken. Moussa kam über einen Informanten in den Besitz des Handys von A., das sie in Syrien zurückgelassen hatte. Darauf fanden sich Tausende Fotos, die A. im Umfeld des IS zeigen.

Im April 2019 veröffentlichte Moussa ihre Recherche im libanesischen Fernsehen. Im September 2019 wurde A. festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Moussas Beitrag wurde am ersten Verhandlungstag mit Übersetzung präsentiert. Er zeigt unter anderem Fotos der Kinder A.s aus der Zeit in Syrien – mal in Kampfmontur mit IS-Logo, mal mit einer Waffe in der Hand oder auf dem Schoß anderer IS-Anführer.

Die Angeklagte wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Ihr Anwalt allerdings sprach von „juristischen Tricksereien“ der Bundesanwaltschaft, weil die Anklage auf den zivilrechtlichen Fürsorgepflichten beruhe. Mit dem juristischen Verfahren werde ein „politischer Kampf“ gegen den IS auf dem Rücken der Angeklagten geführt. Schließlich habe sie in Syrien lediglich einen Haushalt geführt.

Mit den Kindern zum IS

Den Vorwurf, die Angeklagte habe in ihrem Haushalt eine 13-jährige Sklavin gehalten, wies ihr Anwalt vehement zurück. Eine Freundin der Angeklagten, in deren Haushalt sich die Jesidin befunden habe, habe sich medizinisch behandeln lassen. Für diese Zeit habe A. die 13-Jährige in Obhut genommen.

Auf den Vorwurf, die Angeklagte habe ihre Fürsorgepflicht für ihre Kinder verletzt, erklärte ihr Anwalt, A. habe sich in einem Dilemma befunden. Hätte sie die Kinder nicht mitgenommen, wäre das ebenso strafbar gewesen. Interessant war, worauf der Anwalt zu Verhandlungsbeginn nicht einging: Warum A. überhaupt ins IS-Gebiet gereist war.

Insgesamt sind 13 Verhandlungstage angesetzt, der letzte findet im Juli statt.

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2 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Sie wurde bei ihrer Wiedereinreise nach D nicht überprüft und konnte unbehelligt hier leben?



    Das fördert wirklich das Vertrauen in die Staatsorgane.

    • @Ria Sauter:

      Sie war laut Pass in der Türkei für diese Zeit. (Ich bezweifle, dass in ihrem Pass ein Stempel des IS war. und wenn doch, kann sie ihn "verloren" haben und bei der deutschen Botschaft in der Türkei neu beantragt haben.

      Für vielleicht ein Jahr? 2015-16.

      Oh nein da hat jemand der mit einem Deutschtürken verheiratet ist für 1 Jahr in der Türkei gelebt. Wie auffällig.

      Sorry aber soetwas ist Alltag für die Grenzbeamten.