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Prozess gegen Coronaleugner BhakdiIm Zweifel für den Schwurbler

„Querdenken“-Ikone Sucharit Bhakdi war wegen Volksverhetzung angeklagt. Davon hat ihn das Gericht am Dienstag freigesprochen.

Skurrile Szene am Amtsgericht Plön: Eine Frau kniet vor dem Angeklagten Bhakdi nieder Foto: Christian Charisius/dpa

Plön taz | Der Prozess gegen den Coronaleugner Sucharit Bhakdi vor dem Amtsgericht Plön in Schleswig-Holstein hat am Dienstag mit einer Überraschung begonnen. Richter Malte Grundmann deutete an, dass die gegen den pensionierten Professor für Mikrobiologie vorgebrachten Beweise möglicherweise nicht ausreichen, um ihn wegen Volksverhetzung zu verurteilen. So kam es: Am späten Nachmittag sprach ihn der Richter frei. Die Staatsanwaltschaft erklärte gegenüber der taz anschließend, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen zu wollen.

Bhakdi, der zu den bekanntesten Figuren der Coronaleugnerszene gehört und für die Querdenker-Partei „Die Basis“ kandidiert hat, werden zum einen Äußerungen in einem Videointerview vorgehalten, das er dem Fotografen Kai Stuht gegeben hat. In dem Gespräch kritisiert er grundsätzlich den Umgang von Politik und Wissenschaft mit der Coronapandemie: Dahinter stecke eine Verschwörung. Sich gegen Covid, insbesondere mit mRNA-Wirkstoffen, impfen zu lassen, sei Teil eines Menschenversuchs und gefährlicher als das Virus selbst.

Als besonders negatives Beispiel für den Umgang mit der Pandemie nennt Bhakdi den Staat Israel, weil dort die Menschen gezwungen worden seien, sich impfen zu lassen und keiner mehr habe flüchten können. Er, Bhakdi, sei einmal ein glühender Bewunderer Israels gewesen. „Die größten Geister waren die Juden, es tut mir leid, dass ich das sagen muss“, sagt Bhakdi dann. Nun zwinge ausgerechnet „das Volk, das aus diesem Land geflüchtet ist, das das Erzböse war“, seine Bürger zur Impfung. Das mache Israel zur „living hell“. „Das ist das Schlimme an den Juden: Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie“, so Bhakdi weiter.

Die Staatsanwältin warf ihm vor, damit zum Hass gegen eine religiöse Gruppe angestachelt zu haben. Er habe sich mit seinen Äußerungen vom Staat Israel gelöst und sie verallgemeinernd auf alle Juden bezogen. Antisemitisch sei auch, ihnen bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten zuzuschreiben. Mit der Verbreitung über verschiedene Internetkanäle habe er ein großes Publikum erreicht.

Im Rahmen eines „Hinweises vorab“ deutete Richter Grundmann allerdings an, dass der Kontext der Äußerungen – das Interview – für eine strafrechtliche Verurteilung möglicherweise nicht ausreiche. Es kämen verschiedene Deutungsmöglichkeiten in Betracht, wobei der Richter gehalten sei, die günstigste Variante anzunehmen.

Auch bezüglich des zweiten Tatvorwurfs lässt der Richter Ähnliches durchblicken. Zwar sei in dem Video von einer Wahlkampfveranstaltung der „Basis“ zu hören, dass Bhakdi den Holocaust relativiere. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Rede vor 200 Menschen geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu gefährden.

Anhänger Bhakdis vor dem Gericht

Bei dem Auftritt auf dem Kieler Rathausplatz im September 2021 warnte Bhakdi vor einem „Tsunami“, der kaum aufzuhalten sei, wenn ahnungslose Menschen genetisch modifizierte Substanzen gespritzt bekämen. Er sprach von „der Abschaffung der Menschheit in der jetzigen Ausprägung“. Offensichtlich ereigne sich vor unseren Augen ein weiterer „Holocaust“: „Vor 80 Jahren waren es die Juden, die verteufelt wurden, heute sind es die Ungeimpften“, sagte Bhakdi und fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass alle Politiker schlecht sind.“ Viele seien einfach unwissend.

Nach mehreren Unterbrechungen wurden am späten Dienstagnachmittag die Plädoyers gehalten. Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft hat eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 90 Euro gefordert. Die Verteidigung hat auf Freispruch plädiert.

Vor Beginn des Prozesses hatten sich etwa 300 Anhänger Bhakdis vor dem Gerichtsgebäude in Plön versammelt. Zeigte sich ihre Ikone am Fenster, brandete Jubel auf. Justizpersonal bat darum, von den Fenstern zurückzutreten, um andere Prozesse nicht zu stören. Auf einem Transparent mit Herzchen stand „Freispruch für Prof. Dr. S. Bhakdi“. Presse war nicht wohlgelitten.

Im Vorfeld hatte Bhakdi erklärt, dass er im Anschluss an den Gerichtstermin eine Pressekonferenz plane, „um rein sachlich-wissenschaftlich von den letzten Entdeckungen zu berichten“. Sie seien schrecklich.

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11 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Das Fall-bezogen demoskopisch erfassbare Meinungsspektrum und die sozialpsychologische Analyse zu den Rahmenbedingungen und den Verwerfungen, in und abseits der Wissenschaft, wären für mich interessante Themen für eine Einordnung dieser extrem gewordenen Abweichung. Von der akademischen Lehre zum Sendungsbewusstsein, mit unreflektierten Aussagen zu nicht verstandenen (politisch brisanten) Kontexten, das ist keine kasuistische Rarität. Das Forum, das dem Autor gegeben wurde, ist beachtlich. Die Äußerung abwegiger Gedanken durch andere Protagonist:innen war auch in sogenannten Fachkreisen nicht immer zitierfähig. Eine gute und allgemein verständliche Aufarbeitung kann jetzt einem kultivierten Opferstatus vorbeugen. Grenzüberschreitungen im akademischen Sinn und Grenzverstöße im gesellschaftspolitischen Bereich sind zweierlei, das wurde hier offenbar juristisch hinterfragt. Die Debatte ist sicherlich noch nicht beendet.



    //



    taz.de/Die-Basis-K...t-Bhakdi/!5781717/



    //



    Offensichtlich war eine größere politische Wirkung vom Souverän nicht gewünscht.

  • 6G
    653903 (Profil gelöscht)

    Ist vielleicht auch der Dynamik in dieser Zeit geschuldet... Man erinnere sich, was für ein Quatsch allenthalben zu hören war, z. B. Freiheitsfaschimus usw. Wäre einfach schön, wenn endlich eine herzliche Debatte geführt würde zum Sinn der ganzes Massnahmen.

  • Die Interview-/Reden-Inhalte sind auf jeden Fall grenzwertig. Aber ich glaube, dass Bhakdi hier gerade noch an der Strafbarkeit vorbeischrammt (und seine Reden wahrscheinlich genau mit Blick auf diese Grenze hin zur Volksverhetzung entworfen hat), da er z.B. über "die Juden" wörtlich ja eigentlich nur Positives sagt, nur eben mit einem bestimmten Unterton, der sich aus dem Kontext ergibt.

    Solche Äußerungen müssen im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein - es darf und muss aber auch vehementer Widerspruch geäußert werden. Denn ethisch sind sie auf jeden Fall äußerst daneben.

    • @argie:

      "Solche Äußerungen müssen im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein"

      Warum?

      • @Ajuga:

        Weil es sonst keine Meinungsfreiheit mehr gäbe

  • "Allerdings sei zweifelhaft, ob die Rede vor 200 Menschen geeignet gewesen sei, den öffentlichen Frieden zu gefährden"

    Ja dann prost Mahlzeit zum wehrhaften Rechtsstaat.

    • @Berglandraupe:

      krass, oder. Wenn ich zum Beispiel vor 200 Menschen zum judenhass aufrufen würde, wäre das egal, weil es zu wenige Zuhörer sind. geil. Ich rufe jetzt immer nachts allein zum hoeckehass vom Balkon. Ist doch nicht strafbar...

    • @Berglandraupe:

      Doch, das ist ein Grundgedanke der Rechtsnorm. Wenn keine relevante Wirkung erzielt wird, dann ist es auch keine Volksverhetzung. Man will und kann auch nicht jedem Hinterzimmerkurzschnauz vor Gericht eine weitere Bühne bieten. In Internetzeiten muss man allerdings neu über das Thema "Wirkung" nachdenken.

      • @Benedikt Bräutigam:

        Frage: Ab wann wird eine "relevante Wirkung" erzielt? Wer definiert das?



        Und was ist aus dem guten alten "Weeret den Anfängen" geworden.



        Lieber abwarten und Tee trinken, bis die Coronaköpfe das Parlament stürmen. weil erst dann die Definition erfüllt ist?

  • Im Zweifel nicht für den Schwurbler, sondern für den Angeklagten.



    Ich halte von diesem Professor nichts, weder fachlich noch menschlich.



    Indessen: Anders als in manchen Kreisen, wo es scheint, dass man immer die böseste Interpretation einer Aussage wählt, quasi eine Schuldvermutung, versucht ein Gericht, sachlich und objektiv eine Schuld festzustellen. Ist dies nicht ohne vernünftigen Zweifel nachweisbar, so gilt die Unschuldsvermutung.



    Kurz: Dumme, teils widerliche Aussagen, die aber wohl nicht zu einer Verurteilung ausreichen, immerhin hat auch die Meinungsfreiheit einen hohen Verfassungsrang.