Proteste in Rumänien: Amtsmissbrauch als Kavaliersdelikt

Ein Amnestiegesetz sorgt für Streit zwischen Präsident und Regierung. Kritiker sehen darin den Versuch, korrupte Politiker reinzuwaschen.

Präsident Klaus Johannis bei einer Anti-Regierungsdemonstration am vergangenen Sonntag in Bukarest

Präsident Klaus Johannis bei einer Anti-Regierungsdemonstration am vergangenen Sonntag in Bukarest Foto: reuters

BERLIN taz | Unmut in Rumänien: Seit Mitte vergangener Woche gehen fast täglich Menschen auf die Straße. Die Proteste richten sich gegen die Ankündigung der Regierung aus Sozialdemokraten und der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE), per Eilerlass Strafgefangene zu begnadigen.

Den Beginn der Kundgebungen in Bukarest und anderen Großstädten kommentierte der ALDE-Vizevorsitzende Cătălin Beciu auf Facebook wie folgt: „Nach 70 Jahren fand in Rumänien die erste Nazidemonstration statt. Auf den Straßen waren Schwachsinnige, die für Folter sind, statt für Gefängnisse, für Vernichtungslager anstelle von Vollzugsanstalten“.

Die Gegner der Begnadigungsabsichten der Regierung sehen darin einen verdeckten Versuch, den Chef der Sozialdemokratischen Partei (PSD), Liviu Dragnea, juristisch reinzuwaschen. Dragnea wurde wegen Wahlfälschung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Gegen seinen Vorgänger an der PSD-Spitze, dem früheren Premier Victor Ponta, ermittelt die Antikorruptionsbehörde. Der Ausgang des Strafverfahrens ist offen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Politiker wegen Korruptionsvergehen verurteilt. Einige könnten aufgrund eines Begnadigungserlasses aus der Haft entlassen werden.

Eilverordnung gestoppt

Staatspräsident Klaus Johannis und die ihm nahestehende oppositionelle Nationalliberale Partei (PNL) sprachen sich gegen die Absichten der Regierung aus, per Eilverordnungen das Strafgesetzbuch zu ändern sowie Verurteilte mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren zu begnadigen.

Die Eilverordnung, wonach Amtsmissbrauch straffrei bleiben soll, wenn der Schaden unter rund 50.000 Euro liegt, wurde gestoppt. Zuvor hatte sich Präsident Johannis in der vergangenen Woche an der Sitzung des Kabinetts beteiligt und eine Vertagung durchgesetzt.

Auch der Präsident mischte sich unter die regierungskritischen Demonstranten

Der Justizminister kündigte an, nicht auf die geplanten Projekte verzichten zu wollen. Die Antwort darauf waren weitere Kundgebungen, an denen sich am Sonntag landesweit Zehntausende beteiligten. Präsident Johannis selbst mischte sich unter die regierungskritischen Demonstranten. Er kündigte ein Referendum an, in dem sich die Bürger für oder gegen die Begnadigungsabsichten der Regierung aussprechen sollen.

Der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Victor Bostinaru verurteilte im Fernsehen die Teilnahme des Präsidenten an einer „amtlich nicht genehmigten“ und „gegen die legal gewählte Regierung“ gerichteten Demonstration und bezeichnete dies als einen „einmaligen Vorgang in der EU“. In anderen Stellungnahmen hieß es, Johannis habe die Absicht, den Sturz der Regierung durch einen Staatsstreich herbeizuführen. Bostinaru sprach sich dafür aus, gegen Johannis ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten.

Demonstranten gekauft

Regierungsnahe Medien vermeldeten, dass die Demonstranten gekauft worden seien und für ihre Teilnahme an den Kundgebungen je 100 Lei (25 Euro) bekommen hätten.

Als Gegenstück zum Referendum des Präsidenten kündigte der Chef der Sozialdemokraten Dragnea ebenfalls eine Volksbefragung an. Einerseits sollen sich die Wähler zur Aufhebung der Immunität von Parlaments­abgeordneten und des Präsidenten äußern, was strafrechtliche Ermittlungen erleichtern würde. Andererseits soll über die Ergänzung des Verfassungsparagrafen bezüglich der Definition der „traditionellen Familie“, bestehend aus Mann und Frau, abgestimmt werden.

Diese Verfassungsänderung wurde in einer von fast 3 Millionen Bürgern unterzeichneten Petition gefordert. Die von homo­feindlichen, christlich-fundamentalistischen und ultrarechten Gruppen initiierte Petition wurde auch von den verschiedenen Kirchen sowie von evangelikalen und neoprotestantischen Religionsgemeinschaften unterstützt.

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