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Protest gegen TierindustrieSchlachthof von Tönnies blockiert

Tier­schüt­ze­r:in­nen haben einen Betrieb von Tönnies blockiert. Sie fordern eine Agrarwende hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft.

Ati­vis­t*in­nen sitzen vor dem Tönnies–Schlachthof in Badbergen Foto: picture alliance/dpa/Nord-West-Media TV | Ulf Zurlutter

Berlin taz | Seit dem frühen Montagmorgen blockieren etwa 100 Ak­ti­vis­t*in­nen des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ den Tönnies Schlachthof im niedersächsischen Badbergen. Sie fordern die Abschaffung der Tierindustrie und wollen mit der Aktion auf Missstände aufmerksam machen.

„Tönnies ist ein Big Player unter den Fleischproduzenten“, sagt Franziska Klein vom Bündnis. Sie seien die einzigen Profiteure dieses klimaschädlichen und energieintensiven Geschäfts. „Wir fordern, dass die Gesellschaft und nicht Konzerne entscheiden, was wir essen und wie wir produzieren“, so die Sprecherin zur taz.

Die Tierindustrie in Deutschland verbrauche enorm viel Gas. „Wir können uns das nicht mehr leisten“, sagt Klein. Sie gehöre zu den größten Klimakillern und verschwende Energie, weil Tiere mit Futtermitteln gemästet würden, anstatt Pflanzen für den menschlichen Verzehr anzubauen.

Fabian Reinkemeier, Unternehmenssprecher von Tönnies, widerspricht: „Die Ak­ti­vis­t*in­nen lassen die Entwicklung bei Tönnies komplett außer Acht und erkennen die Transformation und die Nachhaltigkeits-Fortschritte nicht an.“

Aktionstage im Oldenburger Land

Mit der Blockade will „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ auch die Landwirte und die Bevölkerung vor Ort erreichen. Es sei nötig, den Ausstieg selbst in die Hand zu nehmen, um eine Agrarwende hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft umzusetzen, betont die Bündnissprecherin.

Die Arbeitsbedingungen in der Branche seien schlecht und die Praxis habe negative Auswirkungen auf den globalen Süden. Ganze Ökosysteme würden vernichtet, um den deutschen Futtermittelbedarf zu decken. Das bezeichnet Franziska Klein als „neokoloniale Strukturen“, die abgebaut werden müssten.

Die Blockade des Schlachthofes in Badbergen findet im Rahmen der Aktionstage des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ im Oldenburger Land vom 24.09. bis 27.09. statt. Seit Freitag gab es verschiedene Proteste, etwa in einer Molkerei im Ammerland oder auf einer Demonstration in Vechta.

Aktuell dauern die Blockaden im Schlachthof Badbergen an. „Wir haben das Werk an mehreren Stellen blockiert. Zwei Menschen sind auf einen LKW geklettert, ein paar haben sich an ein Tor gekettet und andere sind bereits von Polizeieinheiten geräumt worden“, so Klein. Dabei protestiere die Organisaton friedlich und lasse sich von der Polizei wegtragen.

Räumungen dauern an

Unternehmenssprecher Reinkemeier hat wenig Verständnis für die Aktion. Er befürworte die freie Meinungsäußerung, aber wenn, „so wie heute in Badbergen, Eigentum mutwillig zerstört und beschädigt wird, dann hat das nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun“.

Durch Konsumrückgang, veränderte Marktlage und letztlich auch durch die hohen Gaspreise habe Tönnies Hunderte Arbeitsplätze in der Produktion abgebaut, berichtete das Westfalenblatt vergangene Woche. Damit kommt der Betrieb, wenn auch unfreiwillig, einigen Forderungen des Bündnisses entgegen. Grundsätzlich gibt Tönnies an, „einer der nachhaltigsten Lebensmittelproduzenten Europas“ werden zu wollen.

Unklar ist, wann die Polizei die Ak­ti­vis­t*in­nen am Standort Badbergen geräumt haben wird. Laut Reinkemeier führt das Unternehmen heute in diesem Betrieb keine Schlachtungen durch.

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9 Kommentare

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  • "Agrarindustrie, Hauptschuld am Massensterben und Flächenverbrauch"

    Was haben die Leute gegen Biogas?

    Warum will man nicht, dass die Landwirtschaft auf 15% der Ackerfläche Energiepflanzen anbaut bzw. Maismonokulturen?

    Welche Art regenerativer Energie ist noch zulässig.

  • "Sie fordern eine Agrarwende hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft."



    Äh... Ich dachte, Landwirtschaft sei IMMER "pflanzenbasiert"? Man lernt nie aus...

    • @sollndas:

      Sie wissen genau, wie das gemeint ist.

      • @J. Straub:

        Dann soll der Autor das bitte so schreiben, wie er es meint

  • Bin nicht sicher, ob man hier nur von "Tier­schüt­ze­r:in­nen" sprechen kann. Das Ziel ist doch viel weiter gefasst, so scheint es mir: globaler Umweltschutz und Ressourcenmanagement, Gaspreise (sozial) reduzieren, grüne Lunge erhalten etc.

    Aber traurig genug, man wird es in NRW schon schaffen, auch diese Menschen zu kriminalisieren. Wie Klimaschützer oder RWE-Protestler.

    Aktuelle Nachricht: "NRW-Polizei - Knapp 40 Millionen Euro für umstrittene Palantir-Software"

    Wozu man die wohl braucht?

    www1.wdr.de/nachri...ir-kosten-100.html

    • @Cervo:

      Naja, eine Blockierung ist eine Form der Nötigung, das ist kein gezieltes Gesetz um unliebsame Zeitgenossen in die kriminelle Ecke zu schieben. Es gibt in dieser Sache also weniger eine Bestrebung irgendwen zu kriminalisieren, sondern umgekehrt die Bestrebung die Nötigung straffrei zu gestalten wenn sie nur Für Die Gute Sache (TM) geschieht.

      Ich bin bei solchen Bestrebungen oft skeptisch, weil ich mich dann Frage was etwas gruseligere Regierungen (die in Europa ja durchaus präsent sind oder drohen) mit Verweis auf uns ihre eigene Gute Sache (TM) straffrei gestalten. Sie mögen das vielleicht ohnehin tun, aber wenn sie mir den Spiegel vorhalten können, kann ich sie kaum effektiv kritisieren. Einmal ganz abgesehen davon dass Justizia blind sein sollte und aus diesem Anspruch einen beträchtlichen Teil ihrer Akzeptanz zieht.

      Die Protestierenden fordern dass die Gesellschaft und nicht die Konzerne entscheiden was gegessen und wie dieses Essen produziert wird. Ich sage es mal so: Herr Tönnies schlachtet nicht weil es ihm Spaß macht (zumindest ist das nicht der Hauptgrund, ich kenne ihn nicht), sondern weil signifikante Teile der Gesellschaft das Fleisch kaufen und konsumieren. Wenn die Gesellschaft kein Fleisch essen will, dann kauft sie kein Fleisch und Tönnies kann einpacken ohne dass da irgendwer zur Nötigung greifen muss. Wenn die Gesellschaft höhere Standards für die Fleischindustrie will, dann führt auch da der Weg über die Verbraucher: Konsumverzicht/-wandel ist das effektivste Schwert das die Bürger der Wirtschaft gegenüber haben. In diesem Fall bräuchte es natürlich (idealerweise staatlich gewährleistete) Transparenz, beispielsweise über entsprechende Siegel

      • @Questor:

        Bei vielen Menschen ist aber der Kauf von Fleisch deswegen so beliebt, weil Tönnies und die dahinter stehende Industrie das Fleisch billiger anbieten kann, als es gesellschaftlich kostet.



        Solche Aktionen sollen ja nicht nur Tönnies am arbeiten hindern (Seit Corona wissen wir, dass das keinem Tier das Leben rettet), sondern sie sollen auf die Probleme aufmerksam machen, damit mehr Menschen erkennen, was für einen Müll sie sich auf den Teller laden.



        Was eigentlich notwendig wäre, wären staatlich effektiv durchgesetzte Tierschutzgesetze, die solche Machenschaften verhindern. Die Preise für das Fleisch gehen dann automatisch nach oben. Wenn die Bauern ihre Tiere vernünftig halten müssen, geben sie eher auf, als das Fleisch für so billig her, dass das Tönnies System sich lohnen würde.

  • „Wir fordern, dass die Gesellschaft und nicht Konzerne entscheiden, was wir essen und wie wir produzieren“



    Ich würde gerne selber entscheiden was ich esse. Weder Konzern noch Gesellschaft.

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @Choronyme:

      Dito.