Profiteure der Nullzinspolitik: Wer hat, dem wird gegeben
Während Sparer leiden, treibt das billige Geld die Vermögenswerte in die Höhe. Das freut Besitzer von Immobilien und Aktien.
Dabei wird der Börsenboom kaum von realwirtschaftlichen Entwicklungen unterstützt. Die exportorientierte deutsche Wirtschaftselite leidet unter der schwachen Weltkonjunktur, mäßiger Nachfrage aus China sowie politischen Gefahren in vielen Ländern. Und auch die US-Konjunktur – Amerika ist der größte Handelspartner Deutschlands – kommt nicht recht in Schwung.
Die globalen Turbulenzen schlagen sich in der Halbjahresbilanz der 30 DAX-Konzerne negativ nieder und bescherten zuletzt Umsatzrückgang und Gewinneinbußen. Der Gesamtumsatz der Unternehmen von Adidas bis VW sank laut dem Beratungsunternehmen EY um 1,1 Prozent auf 326 Milliarden Euro. Der operative Gewinn vor Steuern schrumpfte sogar um 6,6 Prozent auf 29,8 Milliarden Euro.
Der Aktienindex notiert dennoch weit über der Traummarke von 10.000 Punkten. „DAX reitet weiter auf der Welle“, meint Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst des Londoner Finanzdienstleisters CMC Markets. Chinas Börsen schossen auf ein Siebenmonatshoch. Der DAX profitiert davon und von den Rekordmarken an der Wall Street.
Die Richtung bleibt gleich
Solche Bullenmärkte würden immer wieder von scharfen, aber nur kurzzeitigen Korrekturen unterbrochen, sagt Stanzl. Die „übergeordnete Richtung“ ändere sich nicht. Und die zeigt nach oben – was nach Meinung der meisten professionellen Beobachter vor allem an der ausdauernden Niedrigstzinspolitik der Zentralbanken liegt. Eurohüterin EZB hat fast 2 Billionen Euro in die Finanzmärkte gepumpt, nahezu zum Nulltarif. Vor der Sommerpause hat EZB-Chef Mario Draghi noch einmal deutlich gemacht, dass er seine Politik des billigen Geldes fortsetzen will.
Die große Liquidität kurbelt zwar bislang nicht wie erhofft die Kreditvergabe der Banken und die Konjunktur an, treibt aber die Vermögenswerte in die Höhe. Die Folge: Zur Freude der DAX-Aktionäre boomen Aktien und auch Immobilien. Da gleichzeitig Sparanlagen so gut wie keine Zinsen mehr abwerfen, gibt es eine schleichende Umverteilung vom ärmeren zum wohlhabenderen Teil der Bevölkerung.
Ein Ende der Nullzinspolitik scheint nicht in Sicht. Es werde immer klarer, dass sich die US-Notenbank Fed mit ihrer Geldpolitik nicht deutlich von den anderen Zentralbanken abkoppeln werde, schreiben die Devisen-Experten der Commerzbank. Die Fed galt bislang als einziger Hoffnungsträger für eine Zinswende.
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