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ProSiebenSat.1-Chef Thomas EbelingEin bisschen fett, ein bisschen arm

Unverblümt lästert der ProSiebenSat.1-Chef über seine Zuschauer. Er erkennt damit endlich die Existenz einer medialen Klassengesellschaft an.

Küsschen! Foto: imago/xfutureimage

Eigentlich hätte Thomas Ebeling für seine Ehrlichkeit ein Lob verdient. In einem protokollierten Gespräch mit Aktienanalysten wurde der ProSiebenSat.1-Chef nach der Konkurrenz durch Streamingdienste wie Netflix gefragt. Ebeling antwortete unter anderem: „Es gibt Menschen, die ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm sind, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen.“

Nachdem das Branchenportal DWDL am Mittwoch darüber berichtete, verbreitete sich die Nachricht rasch in den sozialen Netzwerken, woraufhin Ebeling seine Äußerungen bedauerte. Doch warum eigentlich? Ebeling wird wissen, wovon er spricht. Immerhin gehören zu seinem Unternehmen die Fernsehsender ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und diverse Spartenkanäle. Das Medienimperium betreibt Marktforschung und dürfte ein genaues Bild der eigenen Zuschauer haben.

Auch die Feststellung dürfte nicht neu sein. Natürlich spricht ProSieben mit Sendungen wie „Germany's Next Topmodel“ und „taff“ kein kulturelles Avantgarde-Publikum an (was auch immer das sein soll). In der Meldung der Nachrichtenagentur dpa hieß es, Ebeling habe ein „wenig schmeichelhaftes Bild seiner Fernsehzuschauer gezeichnet“. Unabhängig davon, dass man Armut nicht wegkomplimentieren kann, ist Schmeicheln ja auch nicht die Aufgabe von Medienmanagern wie Ebeling – sondern Geld verdienen.

Geld lässt sich am leichtesten verdienen, wenn man niedrigschwellige Inhalte verkauft. Anspruchsloses Fernsehen erzeugt ein anspruchsloses Publikum, bei dem man sich sicher sein kann, dass es auch künftig einschaltet – und so die eigene Geschäftsgrundlage erhält.

Medienkonsum ist konditioniert

Viel zynischer als Ebelings Äußerungen ist das oft gehörte Argument, der Zuschauer entscheide schließlich selbst, was er sich anschauen möchte. Dem liegt der Irrglaube zugrunde, dass die Wahl der konsumierten Medien stets eine Frage persönlicher Vorlieben sei. Dem ist nicht so. Vielmehr werden Menschen – vor allem aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Herkunft – auf bestimmte Formen des Medienkonsums konditioniert. Wer als Kind bereits mit dem Trash-Programm des Fernsehens aufwächst, ist im Erwachsenenleben umso empfänglicher für intellektuell wenig stimulierende Inhalte.

Der Geschmack ist nicht von persönlichen Vorlieben geprägt, sondern von der zutiefst ungleichen Verteilung von Reichtum, Bildung und Zugang zu Kulturgütern.

Die Existenz einer solchen medialen Klassengesellschaft erkennt Ebeling nun ungewollt an. Er gibt zu, dass die Programmvorlieben der Fernsehzuschauer durch strukturelle Faktoren beeinflusst werden. In diesem Fall geht es um Armut, eine (so darf man vermuten) schichtspezifische Tendenz zur Fettleibigkeit und eine gewisse Passivität.

Um seine Investoren zu beruhigen, wies Ebeling übrigens auch noch darauf hin, dass die unschmeichelhaft definierte Zielgruppe auch weiterhin bestehen bleibe. Auch damit dürfte er recht haben. Die mediale Klassengesellschaft ist ebenso zementiert wie die Klassengesellschaft als Ganzes.

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4 Kommentare

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  • Ach gottchen, da war Harald Schmidt vor Jahren schon hellsichtiger, als er Kommerz-TV "Unterschichtenfernsehen" nannte. Das sich der P7S1 Chef vor Börsen-Analysten so äußert, kann nur den wundern, der die Branche nicht kennt. Kommerzfernsehen verkauft Werbetreibenden Zielgruppen im Tausender-Pack - das ist sein ehernes Gesetz. Also programmieren P7S1 wie auch die RTL-Gruppe vor allem die Prime Time 'Massentauglich'. Unterschiede gibt es höchstens bei spezifizierten Zielgruppen: Pro 7 - junge Männer und konsumfreudige Girlies; Vox - Frauen, Sat1/RTL - Familie, Super-RTL - Kids usw usf. Die für einige zynisch wirkende Klassifizierung der TV-Konsumenten, beruhigt Investoren und Werbetreibende. Sie investieren in Sender, die Kohle machen - die börsennotierte Ex-Kirch Gruppe P7S1 will im Dax punkten. Der Werbetreibende seinerseits scheut wie der Vampir das Tageslicht Werbespots, die die Zielgruppe nicht erreichen. Man nennt das Streuverlust, wenn also Greise Programme einschalten, in denen für Babynahrung geworben wird. Dies erklärt auch, warum gerade die Wirtschaft gegen ein Werverbot bei ARD und ZDF sind - denn hier erreicht man wohlabende und bildungsstarke Zuschauergruppen - die Masse soll sich dann dem Proll-TV der Kommerziellen widmen....

  • Wie bitte? Was, zum Henker, ist denn eine Nachricht an der Aussage, dass es „Menschen [gibt], die ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm sind, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen“? Braucht der Durchschnitts-Deutsche wirklich ein „Branchenportal“ namens DWDL, um darauf aufmerksam (gemacht) zu werden, dass es zu solchen Aussagen gut kommen kann in diesem unserem ach so sauberen Vorzeige-Land?

     

    Hm. Mal überlegen: Vielleicht kann es sich ein Mensch, der hier und heute noch „was werden“ will, ja tatsächlich nicht leisten, Leute wie die vorstehend beschriebenen zu kennen (oder auch nur von ihnen gehört zu haben). Wegen des „Images“, meine ich, das angeblich leicht abfärbt, wenn man zwei in die selbe Wäschetrommel steckt. Und natürlich auch wegen des Gewissens, das einen sehr leicht beißt, wenn es erst mal erwartet wird von einem. 'Der Kavalier genießt und schweigt', heißt es. Von zu viel Ehrlichkeit erzählt der Volksmund nichts.

     

    Wie dem auch sei. Offenbar darf man übergewichtige Habenichtse, die sich gerne unterhalten lassen, nicht einmal dann kennen, wenn man bereits „Elite“ ist, weil man genau solche Menschen seit Jahrzehnten als Leiter benutzt für den privaten sozio-ökonomischen Aufstieg. Wer wird schon zugeben in einer "westlichen Leistungsgesellschaft“, dass er kein reiner Senfmade-Mensch ist?

     

    Das Anspruchsdenken derer nicht zu teilen, denen man seine Karriere verdankt, scheint jedenfalls verdammt riskant zu sein. Es kann leicht tödlich enden, schätze ich. Zumindest für den Status, den man mühsam genug erworben hat mit unschönen Verrenkungen. Wie gut also, dass man nicht unbedingt Karriere machen muss. Schon gar nicht bei ProSieben und/oder Sat1. Wer sehr hoch steigt, kann schließlich um so tiefer fallen – und ist entsprechend oft versucht, vorbeugend den Kotau zu üben. Besonders förderlich kann das der Selbstachtung nicht sein, stell' ich mir (heimlich) vor.

  • Wenn die TAZ ebenso positionslos bzw. leidenschaftslos (oder habe ich was missverstanden) über Lebensmittelqualität (für Arme), Wohnungsnot (bei Armen), Staatsknete (weniger für Arme), Geflüchtete (schlechter als Deutsche) .... sprechen würde, dann müssten wir uns wohl Sorgen machen.

     

    Beim Medienkonsum ist Prekariatsbashing bzw. Zustandskzeptanz tolerabel; Ok, merke ich mir jetzt mal.

  • "....schichtspezifische Veranlagung zur Fettleibigkeit und eine gewisse Passivität."....

     

    Erkennt die TAZ damit an, das Aktivität ein Merkmal anderer Schichten ist? Dann kann sich wohl nicht jeder an den Haaren aus dem Sumpf ziehen.

     

    "Wer als Kind bereits mit dem Trash-Programm des Fernsehens aufwächst, ist im Erwachsenenleben umso empfänglicher für intellektuell wenig stimulierende Inhalte."

     

    Gibt es dafür Belege? Und sind deshalb ältere Menschen so intellektuell (weil es früher das trash Fernsehen nicht gab)?

     

    Fragen über Fragen, bleibt als Lösung nur ein Hoch auf five-headed shark attack.