Pro und Kontra zum AfD-Parteitag: Blockieren oder nicht?
Eine völkische Partei in Deutschland darf kein Alltag sein. Dennoch ist die AfD politische Realitiät – und legal. Wie weit darf Protest dagegen gehen?
A m Samstag findet in Köln der AfD-Parteitag statt. Dagegen gibt es nicht nur Proteste, Aktivisten wollen versuchen, ihn zu verhindern. Ist das eine gute Idee?
Ja
Es darf keine gesellschaftliche Normalität sein, dass sich eine völkische Partei in einer deutschen Großstadt zum Parteitag trifft. Gerade jetzt, wo die AfD immer weiter nach rechts driftet und damit ihr wahres Gesicht zeigt, ist es notwendig, in Massen gegen sie auf die Straße zu gehen – und, wenn möglich, ihre Zusammenkunft zu verhindern oder zumindest zu erschweren.
Die AfD könnte sich als Opfer inszenieren? Sie zerfleischt sich sowieso gerade, und das sollte man besser zulassen? Ja, stimmt schon – doch beides macht die Positionen der AfD nicht besser. Mit dem Rechtskurs der strammdeutschen Gaulands, Höckes und Poggenburgs fährt die AfD nur noch mehr eine völkische, rassistische, frauenfeindliche, LGBTI-feindliche, rückwärtsgewandte und engstirnige Politik. Und der soll man freie Bahn lassen? Nix da.
Hinzu kommt die Brisanz von Köln als Treffpunkt. Genüsslich werden die Schmalspur-Goebbels der AfD die Ereignisse der Silvesternacht 2015/16 ausschlachten, um gegen Muslime und Geflüchtete zu hetzen. Genau deswegen braucht Köln ein starkes Signal, dass völkische Mobilisierungen nicht erwünscht sind.
Zwar wird halb Köln am Samstag gegen die AfD auf den Beinen sein – ab sieben Uhr früh Sternmarsch, Kundgebungen, Demonstrationen, Musik, Karnevalsumzüge. Die angekündigten Events verdichten sich zu einem Anti-AfD-Festival samt Bühnenprogramm im Grüngürtel. Sogar der 1. FC Köln und die Kölner Haie sind dabei. Das ist beeindruckend. Aber es reicht nicht.
So ein „kleines kölsches Woodstock“ (so die Veranstalter) hindert die AfD nicht an ihrer Politik. Wer wirklich etwas dagegen hat, dass sich die neuen Völkischen zusammenfinden, muss zum Maritim am Heumarkt. Höcke und Co sollen ihre 180-Grad-Wende bekommen und auf dem Absatz kehrtmachen: raus aus Köln!
Malte Göbel
***
Nein
Der Versuch, den Kölner AfD-Parteitag durch Blockaden zu verhindern, ist ehrenwert, aber falsch. Das hat zwei Gründe, einen prinzipiellen und einen taktischen. Prinzipiell ist gegen Blockaden nichts einzuwenden, solange sie eine symbolische Funktion haben – also etwa Neonazis daran hindern, eine legale Demonstration abzuhalten. Niemand wird deshalb glauben, es gäbe danach weniger Neonazis. Trotzdem ist es richtig, den Braunen die Straße zu versperren.
Die Bundesversammlung einer legalen Partei verhindern zu wollen, ist etwas ganz anderes. Hier geht es um die existenzielle Frage, ob es den Mitgliedern möglich ist, zusammenzutreten, um Beschlüsse zu fassen. Man muss kein Freund der AfD sein – aber diesen Willensbildungsprozess verhindern zu wollen, bedeutet, dieser Partei demokratische Rechte vorzuenthalten. Und das geht nicht.
Doch auch wer dieser Argumentation nicht folgen mag, sollte bei aller Ablehnung der AfD darauf achten, ihr nicht auch noch hilfreich zur Seite zu stehen. Denn die Blockadeversuche und die absehbare Polizeiaktion gegen die Demonstranten sind genau das, was diese Partei dringend benötigt. So entstehen wieder Feindbilder, mit denen potenzielle Wähler beeindruckt werden können. Damit kommt die AfD als angebliches „Opfer“ in die Medien, bedroht von bösartigen Linksradikalen, während von ihrer eigenen inneren Zerrissenheit abgelenkt wird. Wer unbedingt blockieren möchte, wundere sich also anschließend bitte nicht über steigende Umfragewerte der Rechten.
Proteste können erreichen, dass die AfD in Köln als das enthüllt wird, was sie ist: ein unangenehmer Haufen rechter Spießer, mit denen man nicht in einer Kneipe sitzen möchte. Die Versuche einer kompletten Blockade aber erweisen der AfD womöglich einen verdammt guten Dienst.
Klaus Hillenbrandt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“