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Pro-Putin-Demonstrationen in BelgradDas Herz schlägt für Russland

In Serbien wird offen mit Putin sympathisiert, zuletzt auf einer Demo in Belgrad. Die Nato beobachtet die pro-russischen Sentiments auf dem Balkan.

Belgrad am Freitag, den 4. März: Demonstranten halten Russland-Flaggen hoch Foto: Marko Drobnjakovic/dpa

Sarajevo taz | In Belgrad fand am Freitagabend eine Pro-Putin Demonstration statt, die Demonstranten hielten Putin-Bilder und russische Fahnen hoch. Viele skandierten Nato-feindliche Parolen. „Die Ukraine wird derzeit von Neonazis befreit“, äußerten Demonstranten gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Die Russen – unsere Brüder – befreien das Land und hoffentlich die Welt.“

In Serbien zeigt man offen Sympathien für Putin, nicht nur auf dieser Demonstration. Schon in den vergangenen Monaten zeichnete sich in Politik und in den Medien diese Grundstimmung ab. „Der Verstand spreche zwar für die Mitgliedschaft in der EU, doch unser Herz schlägt für Russland“, hatte Staatschef Alexandar Vućić immer wieder erklärt. Das Land hat sich deshalb zum Ukrainekonflikt bisher nicht klar positioniert.

Bei der UNO-Generalversammlung am 2. März stimmte Serbien zwar für die Verurteilung der russischen Invasion, lehnte aber gleichzeitig Sanktionen gegen Moskau ab.

Serbiens Position begründet sich im Kosovokrieg. Das Land sieht die Intervention der Nato in diesen Konflikt im Jahr 1999 als Verletzung des Völkerrechts an und hat diese Haltung zur Grundlage der eigenen Außenpolitik erklärt. Einerseits muss es deshalb Russlands Angriff auf die Ukraine formell verurteilen – sonst würde diese Staatsdoktrin völlig unglaubwürdig werden. Andererseits hält man zu Putin in gemeinsamer Gegnerschaft zur Nato. Vućić, der sonst wie sein russischer Amtskollege gegen jeglichen Protest vorgeht, dürfte also höchstpersönlich die Pro-Putin-Demo erlaubt haben.

Serbien und Russland sehen sich als Verbündete

Diese Doppelstrategie ist offenbar koordiniert, sonst hätte Moskau harsch reagieren müssen. Doch nicht einmal eine Rüge war zu hören. Die beiden Staaten haben ihre Zusammenarbeit kontinuierlich ausgebaut. Für Moskau ist Serbien ein wichtiger Verbündeter auf dem Balkan.

Russische Militärs betreiben einen Stützpunkt in der südserbischen Stadt Niš. Westliche Quellen vermuten, dass serbische Truppen von russischen Militärs an modernen Waffensystemen ausgebildet werden. Außerdem führt Serbien nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine auch mit Reservisten Trainingseinheiten durch. Dieser Umstand wird in sowohl von den westlichen Militärs in Kosovo als auch in Bosnien und Herzegowina mit Sorge beobachtet.

Milorad Dodik ergreift offen Partei für Putin. Der führende Politiker der bosnischen Serben, der die serbische Teilrepublik, die Republika Srpska, aus dem Staat Bosnien und Herzegowina loslösen möchte, bezeichnete die Sanktionen gegen Russland als „Verbrechen“. In den letzten Monaten traf er sich mehrmals mit Putin.

Dodik hat fast alle Verbindungen zum gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina abgebrochen und eine eigene Armee aufgebaut. Er will eine Vereinigung der serbischen Teilrepublik mit Serbien durchsetzen. Dafür erhält er vor dem Weltsicherheitsrat der UNO Rückendeckung von der Vetomacht Russland. Die will im November gegen die Verlängerung des Mandats der internationalen Eufor-Truppen in Bosnien und Herzegowina stimmen und damit praktisch grünes Licht für Dodik geben.

Bislang hat der Westen den Vorhaben der serbischen und kroatischen Nationalisten, die den Staat Bosnien und Herzegowina aufzuspalten wollen, wenig Beachtung geschenkt. Nun gab Nato-Generalsekretär Stoltenberg bekannt, dass das Militärbündnis das Problem angehen wird. Die Nato hat seit 1995 das UN-Mandat, um Truppen nach Bosnien und Herzegowina zu schicken. Die Eufor-Truppen wurden um 500 Einsatzkräfte verstärkt. Und seit dem 5. März wird das Land aus der Luft überwacht.

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6 Kommentare

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  • Der NATO-Angriffskrieg ohne UN-Beschluss war sicherlich ein Kriegsverbrechen, dass der Westen geflissendlich ignoriert. Immer wieder dasselbe: Arroganz, keine Kompromisse.

  • Wes`Brot ich ess, des`Lied ich sing. eigentlich ganz normal, und für Jeden gültig.

    • @Agnes Friedrich:

      Da glaube ich, wir leben im Jahr 2022 und die es werden noch immer Sprüche geliefert die aus dem Feudalismus stammen.



      Und nein, so etwas ist nicht für jeden gültig.

  • Herr Rathfelder, Sie haben in diesem Artikel einige wichtige Analyse aufgeführt.



    Allerdings lässt mich der folgende Satz sehr aufhorchen: «Das Land sieht die Intervention der NATO im Jahr 1999 als Verletzung des Völkerrechts an...».



    Das suggeriert das nur dieses eine Land dort unten auf dem Balkan aus rein politischen oder ideologischen Gründen die Bombardierung der NATO als völkerrechtswidrig betrachtet.



    Das ist ja eine bizarre Suggestion und Verzerrung historischer Fakten, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, das es sich dabei um einen Angriffskrieg gehandelt hat, der weder durch ein UN-Mandat noch durch die Bündnisfall-Regelung der NATO «gedeckt» war. Stattdessen wurden über 28.000 Bomben abgeworfen, u.a. Streubomben und Uranmunition eingesetzt, zivile Ziele bombardiert (Wohnhäuser, Krankenhäuser, Brücken, die chinesische Botschaft), unschuldige zivile Opfer als »Kollateralschäden» diffamiert.



    Um es kurz zu fassen: Es war der erste Angriffskrieg mitten in Europa.



    Dies alles ist Ihnen ja als jahrelangen Südosteuropa-Korrespondent im Detail bekannt und trotzdem halten Sie es also für gegeben und legitim den damaligen Völkerrechtsbruch der einen historischen und radikalen Einschnitt der europäischen Nachkriegsgeschichte darstellt, schwerste Auswirkungen bis ins Jahr 2022 birgt, auf banale Art und Weise in einem Nebensatz rhetorisch auszuklammern.



    Bei allem Respekt, aber es stellt sich bei mir in diesem Zusammenhang ein ernsthafter Zweifel, an Ihrer Neutralität und Unbefangenheit als Journalist, ein.

  • Man mag ja von Vućić halten was man will, ihn mit Putin zu vergleichen ist allerdings unglaublich. Dazu genügt nicht nur ein Blick in die Länderbewertung des Polity Index Projekts, sondern auch die Einstufung von Freedom House. Auch der Vorwuf, Vućić gehe "gegen jeglichen Protest" vor, kann von einem Kenner des Landes nur mit Kopfschütteln entgegen genommen werden. Ich bin mindestens 3-4 Monate beruflich in Belgrad und Zagreb. Die Meinungsfreiheit und die Viellfalt der Diskussionen in Serbien befindet sich inzwischen auf einem westlichen Niveau. Demonstrationen gegen Vućić und seine Regierung finden regelmäßig statt und werden von den Behörden in keiner Weise behindert... ganz im Gegenteil. Handelt es sich bei diesem Artikel also "nur" um schlampigen Journalismus oder um die Symptome eines traditionell tiefsitzenden Serbenhasses in Deutschland?

  • Bericht über Belgrad, aus Sarajevo. Sarajevo hat das erlebt, was wir eben unter dem Stichwort "Sarajevo" in unserm schlechten Gewissen mit uns herumtragen. Nur: sie haben's ERLEBT. Erlitten. Durchkämpft. Belgrad hat auch was erlebt: www.mdr.de/nachric...goslawien-100.html Und dort verbindet darum sicher niemand etwas Positives mit der NATO. Und wohl auch nicht mit ihren Mitgliedsstaaten und deren Regierungen.