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Pro & ContraIst Alkoholverbot eine Schnapsidee?

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank und Stefan Alberti

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat eine Debatte ausgelöst, weil sie nach Ausschreitungen den Alkohol aus Berliner Parks verbannen möchte.

Soll es nach Ausschreitungen in Parks nicht mehr geben: Alkohol. Das erwägt Senatorin Spranger Foto: Weber/TVyesterday/Fotofinder

JA

F ür Menschen mit wenig Geld wird es immer schwieriger, sich in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Überall in Berlin steigen die Preise. Sich einfach in ein Restaurant oder eine Bar zu setzen und dort etwas zu essen oder zu trinken, wird für immer mehr Menschen zunehmend unbezahlbar. Zum Glück gibt es noch öffentliche Plätze und Parks, wo man auch selbst mitgebrachte Speisen und Getränke konsumieren kann. Sich abends auf ein Bierchen mit Freun­d*in­nen zu treffen, ist so auch für arme Menschen möglich. Für die ganz Armen ist eine Parkbank gar der Ersatz für eine eigene Wohnung, die sie sich in der Hauptstadt längst nicht mehr leisten können.

Doch wenn es nach Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geht, soll es mit der kostengünstigen Geselligkeit und den Umsonst-Schlafplätzen bald vorbei sein: Von Alkoholverboten in Parks, Einzäunungen und nächtlichen Schließungen ist die Rede. Grund sollen wiederholte Gewaltvorfälle sein. Unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung wird hier autoritäre Politik gegen Arme und gesellschaftlich unliebsame Menschen betrieben: Obdachlose, Junkies, Ge­ring­ver­die­ne­r*in­nen, Menschen mit wenig Geld, aber auch Jugendliche werden aus den Parks und damit auch aus den Innenstädten vertrieben.

Dabei gibt es für diese Gruppen ohnehin zu wenig Angebote, nun soll ihnen auch noch der letzte soziale Treffpunkt genommen werden. Und wofür? Damit die Mittel- und Oberschicht in aller Ruhe durch die städtischen Grünflächen flanieren kann, nachdem sie sich in der Schickimicki-in-Bar nebenan für 12 Euro einen Aperol Spritz gegönnt hat, ohne dabei vom Pöbel behelligt zu werden?

Wer das für polemisch oder übertrieben hält und darauf verweist, dass etwas gegen gewaltsame Ausschreitungen und die Vermüllung von Parks getan werden muss, sollte darüber nachdenken, mit welchen Mitteln hier auf welche Probleme reagiert wird. Ja, es gibt zu viel Müll in Parks und das muss sich ändern. Größere Mülleimer und häufigere Leerungen wären dafür schon mal ein guter Anfang. Stadtnatur-Ranger*innen könnten zusätzlich für ein größeres Umweltschutz-Bewusstsein bei Park­be­su­che­r*in­nen sorgen.

Parks sollen sicherer werden

Die Berliner Parks sollen sicherer werden – jedenfalls wenn es nach Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geht, die dort Handlungsbedarf sieht. Der Berliner Morgenpost sagte sie, es sei dafür bereits eine Arbeitsgruppe mit den Bezirken auf den Weg gebracht worden. Ziel sei es, ein einheitliches Sicherheitskonzept für die Berliner Parkanlagen zu entwickeln.

Ein Alkoholverbot ist eine Idee, die offenbar auf einem ersten Treffen der Arbeitsgruppe diskutiert wurde. „Ab einem bestimmen Zeitpunkt muss auch ein Alkoholverbot ausgesprochen werden“, sagte Spranger. Auch eine nächtliche Schließung – und damit Umzäunung – von Parks käme für sie infrage.

Erste Reaktionen von Bezirksstadträten fielen verhalten zustimmend aus. Man brauche für die Kontrolle, etwa eines Alkoholverbots, dann auch Personal, hieß es aus Tempelhof-Schöneberg. (taz)

Auch gewaltsame Auseinandersetzungen sind ein Problem – nicht nur auf städtischen Grünflächen. Autoritäre Mittel wie Alkoholverbote oder nächtliche Schließungen von Parks sind darauf aber keine Antwort. Was für die Kotti-Wache gilt, gilt auch für öffentliche Parks: Soziale Probleme brauchen soziale Lösungen – und keine polizeilichen. Mehr Angebote für Jugendliche, mehr aufsuchende Sozialarbeit, Drogenkonsumräume, konsequente Bekämpfung von Obdachlosigkeit und nicht von Obdachlosen – es gibt viele Möglichkeiten, bestehende Probleme anzugehen. Aber die sind halt teurer, als einfach ein Verbot auszusprechen und einen Zaun aufzustellen. Das ist weder sozial noch wird es die Probleme nachhaltig lösen – sie werden einfach nur verdrängt. Marie Frank

NEIN

Die regelmäßigen Meldungen ähneln sich: Partys in bestimmten Parks arten unter Alkohol­einfluss aus, Gewalt kommt ins Spiel, die Polizei muss anrücken, was wiederum neue Probleme auslöst – und am nächsten Morgen sieht es vermüllt aus. Ein Alkoholverbot in eben solchen Parks, wie es nun Innensenatorin Iris Spranger (SPD) als offenbar letzten Ausweg anzupeilen scheint, ist daher tatsächlich unvermeidbar.

Der Gedanke ist nicht ganz neu, und schnell ist schon wiederholt von Gängelung und Einschränkung zu hören gewesen. Und das stimmt auch: Jeder und jede kann dann nicht mehr, auch nicht friedlich und bei anschließender Mitnahme der geleerten Flaschen, im Park sitzen und trinken, egal ob in Maßen oder über den Durst.

Und ja, unsozial mag das auch etwas sein. Denn die dann verbleibende Möglichkeit, draußen Alkohol zu trinken, ergibt sich im Biergarten und ähnlichen Etablissements und kostet dort deutlich mehr denn auf Basis von gerade für knapp einen Euro pro Flasche im Edeka erstandenem Bier.

Beides aber hat – klassische Abwägung von Rechtsgütern – hinter Sicherheitsaspekten zurückzustehen. Wenn sich eine eindeutige Verbindung zwischen Alkoholkonsum in Gruppen im Park und nachfolgenden Ausschreitungen inklusive Verletzungen und Gefahr für Leib und Leben ergibt, dann ist das gewichtiger als die Einschränkung, im Park vom Rotwein auf Wasser umzusteigen.

Spranger ist darum auf dem richtigen Weg. Absehbar ist natürlich ein weiterer Einwand: Das sei doch alles gar nicht richtig zu kontrollieren. Das aber ist inzwischen bei vielem zu hören, bei dem es um staatliche Kontrollen geht. Bedürftigkeitsnachweis wegen der Inflation? Zu schwierig – dann lieber gießkannenmäßig Geld für alle verteilen. Einschränkungen von Fahrten pro Person, um zu dringend zu nötigem, stärkerem Klimaschutz zu kommen? Nicht nachzuhalten.

So zu denken, ist Selbstaufgabe staatlichen Handelns. Die Antwort auf Kontrollprobleme darf nicht der Verzicht darauf sein, sondern muss dann eben in einer besseren, effektiven Handhabung bestehen.

Natürlich ist es schade, dass es zu einem Alkoholverbot kommen muss. Aber wenn die Innensenatorin das nun ins Auge fasst, dann ist das nicht einfach mal eine Idee von ihr, sondern die notwendige Reaktion auf das gefährliche Handeln zu vieler. Würde jeder und jede sich selbst und die Folgen des eigenen Tuns für andere im Blick haben, bräuchte es viele Regeln, Gebote und Verbote nicht. Dem ist aber leider nicht so.

Über ein Alkoholverbot dürften sich – kleiner Nebeneffekt – auch die vielen Radfahrer freuen, die sich morgens auf dem Weg zur Arbeit durch den Park über ungezählte Glasscherben ärgern. Denn, so zumindest der ganz subjektive Befund des Autors dieser Zeilen, Cola- oder Fanta-Flaschen sind es im seltensten Fall, die da zerborsten auf dem Weg liegen und die Reifen aufschlitzen. Stefan Alberti

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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11 Kommentare

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  • Parks waren früher mal Grünflächen. Davon sind innerstädtische Parks heutzutage weit entfernt und die Probleme lassen sich nicht anders einhegen als durch Verbote (ebenso Grill- und Hundeverbote).

    Die Gegenvorschläge von Frau Frank sind alle gut gemeint nur bezweifele ich ehrlich gesagt deren Wirksamkeit.

    Im Übrigen hat Frau Frank ein etwas merkwürdiges Bild von Parks, da diese scheinbar nur noch "Obdachlosen, Junkies, Ge­ring­ver­die­ne­r*in­nen, Menschen mit wenig Geld, aber auch Jugendlichen" zu gehören scheinen. Alle anderen sollen sich dann zwecks Erholung damit begnügen, irgendwo anders für 12 EUR einen Aperol Spritz kaufen zu müssen.

    • @DiMa:

      Abgesehen davon: seit wann müssen Obdachlose, Geringverdiener und Jugendliche sich eigentlich verhalten wie die wilde Sau? Oder erwartet Frau Frank von denen gar nichts?

  • Merkwürdigerweise geht es in dem Artikel nur um ein Verbot, an Ort und Stelle Alkohol zu trinken, nicht aber um ein Verbot, sich an den betreffenden Orten alkoholisiert aufzuhalten. Welchen Unterschied macht es denn bitte, ob jemand sich um 21 Uhr zu Hause oder in der Kneipe volllaufen lässt und anschließend um 22 Uhr den Park betritt oder ob jemand ab 21 Uhr im Park säuft und anschließend ab 22 Uhr im Park betrunken ist? Ist man weniger aggressiv, wenn man den Alkohol außerhalb des Parks zu sich genommen hat? Nein, ist man nicht.

    Und um eine Vermüllung durch weggeworfene Flaschen oder Dosen zu verhindern, müsste man auch den Konsum alkoholfreier Getränke im Park und das Essen verpackter Lebensmittel verbieten, denn es werden auch viele Behälter weggeworfen, die alkoholfreie Getränke oder Essen enthielten.

  • "Autoritäre Mittel wie Alkoholverbote oder nächtliche Schließungen von Parks sind darauf aber keine Antwort."

    Doch, selbstverständlich sind sie das. Zusammen mit wirklich hohen Bußgeldern.

    Es funktioniert überall sonst auf der Welt.

    • @Suryo:

      So wie die Null-Covid-Strategie in China 'funktioniert'? Natürlich kann man mit autoritären Mitteln die Sicherheit der Bevölkerung erhöhen - allerdings zu Lasten ihrer Freiheit. Wenn alle Bürger eingesperrt oder wenigstens flächendeckend überwacht und gegängelt werden, kann niemandem etwas passieren. Schöne neue Welt...

      Außerdem wundert es mich ein wenig, dass in der Diskussion nicht zwischen Bier, Wein und Sekt (ab 16) auf der einen Seite und harten Alkoholika (ab 18) auf der anderen Seite unterschieden wird.

      • @Affi:

        Holland oder Spanien sind also Diktaturen wie China?

        Gimme a break.

  • "Beides aber hat – klassische Abwägung von Rechtsgütern – hinter Sicherheitsaspekten zurückzustehen."

    Hat es das? Gibt es da ein BVerfG-Urteil o.Ä., dass die Grundrechte eines Großteils der Bevölkerung prinzipiell hinter, i.d.R. von latent verfassungsfernen Innenpolitikern an den Haaren herbeigezogenen, wie unbelegten, "Sicherheitsaspekten" zurückzustehen haben?

    • 1G
      14231 (Profil gelöscht)
      @darthkai:

      Viele Deutsche schauen immer wieder mit Unverständnis auf das Verhältnis von US-Amerikanern zu Schusswaffen. Dieses Beharren, das so alte wie überflüssige Recht, eine Waffe zu besitzen und in der Öffentlichkeit zu tragen scheint für Uns nich fassbar zu sein. Dabei muss man nur einmal das Verhältnis zum Alkohol in Deutschland etwas reflektieren um den Reflex dahinter zu verstehen. Das Genussmittel Alkohol ist so überflüssig wie die private Waffe in einer Stadt. Und trotzdem betrachten viele Deutsche die Regulierung des Alkoholkonsums selbst dann als Freiheitsberaubung, wenn er nachweislich zu Gewalt und Vandalismus führt.

      Ich denke Amerikaner würden unsere Alkohol-Diskussion mit ähnlichem befremden verfolgen wie Wir die amerikanische zu Schusswaffen. Dabei dürften die alkholbedingten Gesundheitsschäden in Deutschland noch weit gravierender ausfallen als die Folgen der amerikanischen Schusswaffenpolitik.

    • 1G
      14231 (Profil gelöscht)
      @darthkai:

      Alkoholisierung im öffentlichen Raum ist ein Grundrecht? Die Alkohol-Lobby scheint gute Arbeit zu leisten.

    • @darthkai:

      Was soll denn daran unbelegt sein?

      Bestreiten sie allen Ernstes, dass Alkohol plus Menschenmassen (insbesondere eher junge und männliche) Gewalt ergibt?

    • @darthkai:

      Ja. Das hätte ich auch gern mal genauer erläutert, mit ein paar Beispielen.