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Pressegewerkschafter über Lützerath„Angriffe auf Journalisten“

Der Pressegewerkschafter Jörg Reichel kritisiert, wie die RWE-Security mit Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen umgeht. Das geschehe mit Hilfe der Polizei.

Privat RWE Sicherheitsfirma im Einsatz in Lützerath Foto: Wolfgang Rattay/reuters
Interview von Lea Fauth

taz: Herr Reichel, Sie sind zum Zeitpunkt dieses Gesprächs unterwegs nach Lützerath, als Beobachter für die Pressefreiheit. Wie ist die Lage?

Jörg Reichel: Schon vor der Räumung wurde die Pressearbeit behindert. Es gab zwei körperliche Angriffe, einmal durch RWE Security und einmal durch die Polizei. Seit der Räumung, Stand Mittwochmittag, gibt es vermehrt Behinderungen von Pressearbeit: polizeiliche Maßnahmen gegen Jour­na­lis­t*in­nen und einen Fall, wo die Polizei die Löschung von Bildern verlangt hat. Selbst im öffentlichen Teil von Lützerath haben Security und Polizei Jour­na­lis­t*in­nen nicht durchgelassen. Lützerath ist aktuell noch über den östlichen Teil für die Presse zugänglich. Wir gehen aber davon aus, dass sich das ändern wird, weil die Polizei da einen Ring drum herum machen wird.

Wie kommt es dazu – Löschung von Bildern, tätliche Angriffe?

Aufseiten der RWE-Security gehen wir davon aus, dass das unausgebildete Mitarbeiter sind, die denken, sie müssten Konflikte lösen, indem sie sich körperlich durchsetzen gegenüber Journalist*innen. Wir hatten einen Fall, wo eine Journalistin gepackt wurde, an Armen und Körper. Letzte Woche haben wir von der Polizei Aachen gefordert, dass die RWE-Security die formalen Voraussetzungen erfüllen muss, um dort Reihe in Reihe mit der Polizei zu stehen – denn das tut RWE ja. Darauf hat dann das Polizeipräsidium nicht reagiert. Zum Fall der Löschung von Bildern gibt es noch keine Erklärung vonseiten der Polizei Aachen. Ich habe am Mittwoch ungefähr zehnmal mit der Polizei telefoniert und auch in den letzten Tagen mehrmals täglich.

Im Interview: Jörg Reichel

ist Landesgeschäftsführer Berlin-Brandenburg der Deutschen Journalisten- und Journalistinnen-Union (DJU) von der Gewerkschaft Verdi.

Der andere körperliche Übergriff, durch die Polizei, war ein typisches Schlagen gegen das Handy. Das kommt bei größeren Demonstrationen relativ häufig vor – dass mal ein Polizist zuschlägt, hinlangt.

Ist das eine spontane Überreaktion aus dem Affekt oder ist es politisch gewollt?

Es gibt oberflächlich die Absichtserklärung, Pressefreiheit überall zu gewähren. Die Polizei macht sich aber selber klein und sagt, sie handele in Prokura von RWE. Das kritisieren wir. Dem Land NRW, aber auch der Polizei würde es gut zu Gesicht stehen, sich rechtlich pro Pressefreiheit zu positionieren und nicht im Geschäftsauftrag von RWE zu handeln. Es gibt Rechtsauffassungen, die sagen: Wenn öffentliches Interesse überwiegt, dann muss auch von privatem Grund aus berichtet werden. Insbesondere bei der Zutrittsbehinderung an der Landstraße 12 in Lützerath gehen wir davon aus, dass sie politisch gewollt ist. Da berichten auch parlamentarische Beobachter, dass sie abgewehrt werden von der Polizei.

Sind Angriffe durch Aktivistinnen kein Risiko?

Nein. Wir haben bisher nur den Fall eines Flaschenwurfes, der einen Fotografen getroffen hat. Der Wurf galt aber nicht dem Journalisten. Die größte Unsicherheit für Jour­na­lis­t*in­nen sind unqualifizierte Sicherheitsmitarbeiter von RWE und heiß gemachte Polizeieinheiten, die nach ein, zwei Tagen vor Ort den Frust rauslassen. Das ist für uns eine negative Bilanz für die Pressefreiheit.

Wie vertrauenswürdig sind vor diesem Hintergrund Pressemitteilungen von der Polizei?

Gar nicht. Die Polizei ist nur eine Quelle neben vielen. Polizeimeldungen sind kein Journalismus, sondern die einseitige Darstellung vonseiten der Polizei.

Jour­na­lis­t*in­nen mussten einen Haftungsausschluss von RWE unterschreiben, um Zutritt zu erhalten. Was hat es damit auf sich?

RWE will sich rechtlich absichern, sodass im Schadensfall der Journalist auf ihrem Gelände die Risiken trägt und die Haftung hat. Und RWE tut so, als ob sie ein natürliches Recht hätten, das von jedem Journalisten zu verlangen. Das ist aber unüblich. Als es zum Beispiel Proteste auf der A 100 in Berlin gab, haben die Bauherren dort Journalisten aufs Gelände gelassen. Es ist einfach nicht seriös, so was jemandem auf den Tisch zu legen und zu sagen: Unterschreib mal, sonst kannst du nicht weiter journalistisch arbeiten.

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15 Kommentare

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  • Pressefreiheit ist eben doch kein so hohes Gut in Deutschland wie es uns das Grundgesetz vorgaukelt.

  • Habeck und Neubaur handelten den Deal mit RWE heimlich im kleinsten Kreis aus, ohne Zivilgesellschaft und Klimaaktivisten einzubeziehen.

    Der heimliche Deal von Habeck und Neubaur mit RWE passt zum Verhalten des Konzerns gegenüber Journalisten, der meint, dass heimliche wirtschaftliche Macht (Lobby) und nicht politische, demokratische Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse darüber entscheiden, welche Maßnahmen im Klimaschutz legitim sind.

    Die Minister täten gut daran, den Konzern RWE an seine demokratischen Pflichten in der journalistischen Berichterstattung zu erinnern.

  • "Sind Angriffe durch Aktivistinnen kein Risiko? - Nein. Wir haben bisher nur den Fall eines Flaschenwurfes, der einen Fotografen getroffen hat. Der Wurf galt aber nicht dem Journalisten. "

    Gab es nur einen einzigen Journalisten, der die Vorgänge aus der Sicht der Polizei beobachtete, sich also auch körperlich dort befand? Schließlich gab es ja auch bereits diverse gewalttätigen Übergriffe der Aktivisten ( Steine, Raketen, Molotowcocktails )

    • @Rudolf Fissner:

      Das bezieht sich darauf, ob Aktivisten ein Risiko für die Journalisten darstellen. Steine und Molotow ging auf Polizisten, deshalb irrelevant für diese explizite Frage.

  • "....Es gibt Rechtsauffassungen, die sagen: Wenn öffentliches Interesse überwiegt, dann muss auch von privatem Grund aus berichtet werden. ..."

    Diese Rechtsauffassungen lassen sich doch gerichtlich und höchstrichterlich überprüfen.

    Rechtsauffassungen gibt es ja grundsätzlich viele.. Mensch weiß das....

    Daher: Warum versteckt mensch sich hinter dieser Formulierung "es gibt Rechtsauffassungen... " und lässt diese nicht überprüfen..

  • RWE beauftragt für die Security die berühmt-berüchtigte Fa. Mundt, die schon seit dem Hambi gekannt ist für ihre, wie soll ich es ausdrücken, harten Jungs. (Als wäre das nötig, wenn man Hundestaffeln, Wasserwerfer und Berittene am Start hat, am Ende noch die USK-Ultras aus Bayern anreisen?) Letztendlich ist es egal, wer im Chor skandiert "Presse auf die Fresse", alles im Hambi und an anderen Orten des Klimaprotests erlebt.

    Aber sich dann sie sich auch von den potentiellen Opfern der Übergriffe unterschreiben zu lassen, dass sie auf Klagerechte verzichten, wenn was passiert, sieht nach Vorsatz/Auftrag aus. Aber Weispach verkauft es als transparenten und deeskalierenden Einsatz.

    • @nelly_m:

      Ich hoffe auf ein paar Klagen seitens der Presse. Was Pressefreiheit im Allgemeinen angeht, als auch, ob solche Haftungsausschlüsse in solchen Fällen vom Recht gedeckt sind.

      Da habe ich nämlich meine Zweifel. Wenn Verträge gegen Recht und Gesetz und die guten Sitten (wie man so sagt) verstoßen, endet nämlich die Vertragsfreiheit.

      Und wenn diese dazu gedacht sind



      a) Pressefreiheit einzuschränken



      und/oder



      b) eigenes rechtswidriges Handeln decken soll



      dürfte das zutreffen.

  • Das ist eine Ungeheuerlichkeit, die weiter publik gemacht werden muss und strafrechtlich verfolgt. Das ist doch genau der Gegensatz zu der harten strafrechtlichen Verfolgung der Protestanten. Recht muss überall sein!!

  • Die Unterschiede zu einem totalitären Staat sind also nur graduell.

    - Tote durch Polizeischüsse,



    - Tote im Polizeigewahrsam,



    - Folter mit Billigung der Politik



    - Rechtswidrige Hausdurchsuchungen



    - Körperverletzung durch Polizeibeamte



    - Gemeinschaftliche, abgesprochene Falschaussagen von Polizisten



    - Landraub mit staatlicher Unterstützung

    Hier und jetzt.

    Wieviel staatliches Unrecht braucht es, um ein Unrechtsstaat zu sein ?

    Es beginnt mit ein paar geduldeten Übergriffen und ist in Gefängnissen wie dem Columbia-Haus noch lange nicht zu Ende.

    Die Politiker sollten sich dringendst mal mit Zeitzeugen der NS Zeit unterhalten. Vor allen Dingen darüber, wie das in den 1920ern begonnen hat.

  • Danke. - anschließe mich. Polizei als Handlanger eines Konzerns!



    Rechtsstaatlich - Ein Unding •



    Aber was steht zu erwarten? Wenn zwei bekannte Kriminelle:



    Lasset&Reul - bisher StA-unverfolgt - rechtswidrig via BrandschutzVO!



    Einen millionenschweren Polizeinsatz - Räumung Hambi!



    Zugunsten RWE - Veranlasst haben! Newahr.



    Normal Woll!

    kurz - Die Verhältnisse sind komplett aus dem Ruder geraten!



    Und ausgerechnet die Grünen - Habie vorweg - kacken komplett ab!



    That’s the Point!

    • @Lowandorder:

      Ja, die Grünen.

      Sie bekämpfen schon lange nicht mehr die Macht, die Mächtigen sowieso nicht.

      Sie sind die Macht.

      Heinrich Heine so:

      "sie lassen ihr Schifflein ruhig fortschwimmen im Rinnstein des Lebens und kümmern sich wenig um den Seemann, der auf hohem Meere gegen die Wellen kämpft;

      oder sie erkriechen mit klebrichter Beharrlichkeit die Höhe des Bürgermeistertums oder der Präsidentschaft ihres Klubs und zucken die Achsel über die Heroenbilder, die der Sturm hinabwarf von der Säule des Ruhms, und dabei erzählen sie viel leicht, daß sie selbst in ihrer Jugend ebenfalls mit dem Kopf gegen die Wand gerennt seien, daß sie sich aber nachher mit der Wand wieder versöhnt hätten, denn die Wand sei das Absolute, das Gesetzte, das an und für sich Seiende, das, weil es ist, auch vernünftig ist, weshalb auch derjenige unvernünftig ist, welcher einen allerhöchst vernünftigen, unwidersprechbar seienden, festgesetzten Absolutismus nicht ertragen will."

  • Das rechtliche Verhalten von RWE ist nicht überraschend, praktiziert RWE dieses doch im Ausland bei seinen vielen weiteren umweltzerstörenden und Menschenrechtsunterdrückenden Projekten mindestens in gleicher Weise, in der Regel noch krimineller.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    >>Die Polizei macht sich aber selber klein und sagt, sie handele in Prokura von RWE.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Ich habe nicht verstanden, wo da ein Kleinmachen drin sein soll.

      Wenn man Prokura hat, macht das einen eher größer.

      Man hat ja zusätzliche Befugnisse.

      • @rero:

        Vor allem heißt das sie handelt im Auftrag und Vollmacht von RWE, vertritt also diesen Konzern. Das ist schon sehr bedenklich und mich würde schon interessieren, was ein Jurist dazu sagt.