Pressefreiheit in der Türkei: Auch Erdoğan plant „Agenten-Gesetz“

Der türkische Präsident plant ein Gesetz gegen Personen, die im Interesse fremder Staaten recherchieren. Kri­ti­ke­r:in­nen befürchten Willkür.

Präsident Erdogan.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan Foto: Umit Bektas/reuters

Noch ist es nur ein Gesetzentwurf, doch die Angst geht um, dass es bald ernst werden könnte. Noch in diesem Monat, so Erol Önderoğlu, der türkische Vertreter von Reporter ohne Grenzen, könne der Entwurf ins Parlament eingebracht werden und dann mit der Mehrheit der Stimmen der Regierung verabschiedet werden. „Es wäre“, so Önderoğlu, „ein neuer massiver Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei“.

Tenor des Gesetzentwurfes, der seit einigen Tagen in Medien und Opposition kursiert, ist, dass Personen sich strafbar machen, die angeblich im ausländischen Auftrag gegen die Interessen des türkischen Staates arbeiten.

Demnach drohen Personen Haftstrafen zwischen drei und sieben Jahren, die „im strategischen Interesse, auf Anweisung eines fremden Staates oder einer Organisation“ Nachforschungen über türkische Behörden, Institutionen oder in der Türkei lebende Ausländer anstellen, um „gegen die Sicherheit des türkischen Staates oder gegen innen- und außenpolitische Interessen“ zu handeln. So zitiert Reporter ohne Grenzen den Entwurf.

Betroffen wären auch NGOs und ausländische Stiftungen

Ein solches Gesetz wäre maximal unkonkret und könnte nahezu beliebig gegen jeden Kritiker und jede Kritikerin der Regierung angewandt werden, befürchtet Erol Önderoğlu. Er ist mit seiner Einschätzung nicht allein. Andere Oppositionelle und Medienvertreter befürchten ebenfalls, dass mit einem solchen Gesetz NGOs und kritische Medienorganisationen mundtot gemacht werden könnten.

Die Befürchtung ist, dass selbst türkischen Personen und Organisationen im Ausland damit der Vorwurf gemacht werden könnte, sie würden gegen die Interessen der Türkei arbeiten. Entsprechend groß war die Kritik, die gegen diesen Gesetzentwurf laut wurde. „Die Regierung schien deshalb zunächst einen Rückzug zu machen“, meinte Önderoğlu, „doch jetzt wird wohl eine leicht veränderte Version kommen.“

Betroffen wären nicht nur Medien und NGOs, sondern auch ausländische Stiftungen. So werden beispielsweise die deutschen Parteistiftungen, also Ebert-, Adenauer-, Naumann- und Böll-Stiftung schon länger von türkischen Regierungen mit Misstrauen beäugt. Ein „Agenten-Gesetz“ könnte die Arbeit der Stiftungen jedoch zusätzlich massiv erschweren.

Kritiker befürchten beliebige Anklagen

Henrik Meyer, Leiter der Ebert-Stiftung in Istanbul, hofft deshalb auch, dass es zu diesem Gesetz mindestens in der jetzt vorliegenden Form nicht kommen wird. „Es gibt Signale an die deutsche – und andere Botschaften, dass es so nicht kommen wird“, sagt er. Die türkische Regierung möchte nicht mit Georgien und Russland in einen Topf geworfen werden, ist sein Eindruck.

Sollte es in der einen oder anderen Form dennoch kommen, befürchtet Meyer vor allem Druck auf die türkischen Partnerorganisationen der Stiftung. „Es könnte aber auch sein, dass, selbst wenn ein solches Gesetz verabschiedet wird, sich erst einmal nicht allzu viel ändern würde“, meint Henrik Meyer. „Das würde so eine Art Vorratsgesetz, das dann zur Anwendung kommt, wenn es politisch opportun ist.“

Für die deutschen Stiftungen hieße das, entscheidend ist, wie der jeweilige Stand der deutsch-türkischen Beziehungen aussieht. „Solange es einigermaßen gut läuft, würde ein solches Gesetz wohl keine große Rolle spielen“. Andere sind da weniger optimistisch. Ein Mitglied der Redaktion der linken Tageszeitung Birgün sagte gegenüber der taz: „Ein solch schwammiges Gesetz würde unserer Arbeit maximal schaden. Damit könnte man jede beliebige Anklage zusammenstellen.“

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