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Preiserhöhung bei der BahnFamilienfeindlich und unsozial

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Ziel der Deutschen Bahn sollte sein, Mobilität für alle zu schaffen. Die Preiserhöhung bei der Sitzplatzreservierung geht in die falsche Richtung.

Zugfahren für Familien wird teurer Foto: Michael Gstettenbauer/imago

D ie Deutsche Bahn bleibt sich treu. Auch zum Sommerfahrplanwechsel am 15. Juni macht das bundeseigene Unternehmen Zugfahren wieder ein kleines bisschen unattraktiver. Diesmal trifft es die Familien, die in Zukunft deutlich mehr Geld für Reservierungen im Fernverkehr zahlen sollen. Der Schritt zeigt: Die Ma­na­ge­r:in­nen scheinen kaum Bewusstsein für die soziale Verantwortung ihres Unternehmens zu haben. Denn es sind günstige Züge, die auch einkommensschwachen Familien Mobilität und Teilhabe ermöglichen.

Statt 5,20 Euro pro Person zu bezahlen, konnten Familien bislang auf ein Pauschalangebot zurückgreifen. 10,40 Euro kostete die Sitzplatzreservierung für fünf Personen gleichzeitig. Dieses Angebot soll nun ersatzlos gestrichen werden. Ohne Unterschied gilt ab Sonntag der Reservierungspreis von 5,50 Euro pro Person. Für eine vierköpfige Familie verdoppelt sich damit der Reservierungsaufschlag auf 22 Euro für jede Fahrt.

Die Änderung ist besonders gemein, da Familien – im Gegensatz zu Alleinreisenden – kaum ohne eine Reservierung auskommen. Gerade auf stark befahrenen Strecken ist es kaum möglich, mehr als einen freien Sitz zu ergattern. Für Eltern, die es sich leisten können, dürfte der Schritt ein weiterer Grund sein, um bei längeren Fahrten aufs Auto umzusteigen.

Doch einkommensschwache Familien ohne eigenes Auto haben diese Möglichkeit nicht. Gerade alleinerziehende Elternteile müssen sich in Zukunft einmal mehr überlegen, ob sie sich die erst im Dezember erhöhten Ticketpreise überhaupt leisten wollen. Sie profitieren bislang von der Regelung, dass Kinder unter 14 Jahren kostenfrei mitreisen dürfen. Durch den Reser­vie­rungs­zu­schlag erhöht sich der Endpreis aber deutlich.

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Damit agiert die Bahn nicht nur familienfeindlich, sondern auch unsozial. Zentrales Ziel des Unternehmens sollte sein, Mobilität gerade für jene zu ermöglichen, die sich kein Auto leisten können. Anstelle von diskriminierenden Preiserhöhungen wären vielmehr kostenfreie Sitzplatzreservierungen für Familien angebracht gewesen.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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20 Kommentare

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  • Wie "sozial" muss ein Privatunternehmen eigentlich sein?



    Bei Airlines regt sich niemand über die zusätzlichen Reservierungstarife auf und Familienrabatte gibt es da auch nicht.



    Wobei ich meine die Bahn hat aus Marketingsicht einen Griff ins Klo gemacht. Es bringt ihr kaum mehr Gewinn, kostet aber wieder ein Stück ihres Rufes.

  • Den Preis für Reservierungen halte ich für zu hoch für den Aufwand, den die Bahn damit. (Die meisten Kosten entstehen wahrscheinlich, wenn mal wieder die defekte Software in den Zügen personalintensiv repariert werden muss. Jeder kennt die Situation, wenn die Reservierungen nicht angezeigt werden können.)



    Natürlich muss der Familienbonus wieder eingerichtet werden.



    Aber: Wenn man dieses Steuerungsinstrument schon einmal hat, sollte man ihn nutzen: Den Bonus gibt es für Familien nur außerhalb des Ruhebereichs!



    Denn: Dies gehört zu den schönen Bahnmomenten. Man hat Ruhebereich. Zug fährt in Berlin Hbf los. Man ist schon im Einnickern. In Spandau steigt die 5-köpfige Familie (3, 5 und 8 Jahre) zu, dann wird bis Hannover gewürfelt (ohne Filzunterlage), und der 5er kann nicht verlieren.

  • Einen Punkt übersieht der Schreiber: da man - ich schreibe aus eigener Erfahrung der letzten 15 Jahre - in 90% der Fälle wegen irgendwelcher Verspätungen die Anschlusszüge verpasst und sich die Reservierung nicht auf die Schnelle auf andere Züge umbuchen lässt, ist man 3fach der Dumme: man kommt zu spät, man kriegt keinen Sitzplatz und darf sich auch noch die Mühe machen, sein Geld für die Reservierung zurückfordern zu müssen. Ich habe mir schon seit Jahren abgewöhnt, einen Platz zu reservieren, es lohnt einfach nicht.

  • Würde unsere Regierung, eine dem Klimawandel ädäquate Politik - nur ansatzweise verfolgen, würden ÖPNV und Bahn generell massiv finanziell subventioniert werden. Es wird aber von der Regierung, Klingbeil sei " gedankt " explizit im Gegenteil die klimaschädliche Automobilindustrie, mit unser aller Steuergeld subventioniert. Klimaneutrale CO 2 freie Herstellung von E-Autos ist noch nicht möglich.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Eine klimaneutrale CO2 freie Herstellung von Bussen und Bahnen ebenfalls nicht, was aber die Folge sein müsste täte man diese Verkehrsmittel massiv subventionieren (denn sie sind schon jetzt überlastet).

      Abgesehen davon: eine "dem Klimawandel ädäquate Politik" würde aus deutscher Sicht auch komplett anders aussehen, als Ihr hier eingebrachter Vorschlag.

  • Der Umstand, das die Bahn dauerhaft defizitär wirtschaftet und jährlich mit Steuergeldern in Milliardenhöhe gestützt wird, lässt diese unsoziale Entscheidung noch schwerer wiegen. Vor allem wir die Bahn dadurch nicht pünktlicher. Es gibt sicher andere Möglichkeiten die Bahn attraktiver und zuverlässiger zu machen. Oder ist das jetzt neue rechte Politik, die sich hier Bahn bricht?

    • @Gorch:

      Nein, "rechte" Politik wäre die Wiedereinführung der "Holzklasse" durch Erlass des Bundesverkehrsministers.



      Aber im Ernst: Diese Entscheidung ist eine unternehmerische, keine politische. Wenn man dies (sowie die gesamte Bahnpolitik) ändern möchte, dann müsste die Bahn wieder eine Behörde (in irgendeiner Form) werden. Darüber ließe sich natürlich diskutieren.



      Meine Meinung: Die Eisenbahn gehört in den Bereich der "Daseinsvorsorge" und müsste so gesehen ganz anders organisiert werden. Und dann können wir auch wieder über kostenlose Familienreservierungen sprechen.

  • Schlimm genug, dass man für einen Sitzplatz bezahlen muss. Aber immer noch sehr sehr gut, dass man Kinder kostenlos mitnehmen kann. Da sind andere Anbieter_innen in Bus & Bahn in ganz Europa deutlich anders.

  • Danke für den Kommentar. Sehe ich genauso. Zumal oft genug die Reservierung aufgrund von Zugausfall, Verspätung etc. verfällt und es meines Wissens dann keine Möglichkeit gibt, das Geld erstattet zu bekommen.

    • @PsychAhoi:

      Bevor Sie so einen Unsinn schreiben, machen Sie sich wenigstens die Mühe und informieren Sie sich! Die Reservierungen werden Ihnen selbstverständlich erstattet und wenn Sie digital mit der DB App unterwegs sind, sogar auf Knopfdruck. Aber erstmal Bahnbashing betreiben und FakeInfos raushauen.

      • @Demokratischer Segler:

        Wenn auch Kritik an der falschen Ansage berechtigt ist, so finde ich ihren Ton trotzdem unangemessen. Das ginge auch etwas höflicher werter Mitmensch.

      • @Demokratischer Segler:

        Die Rückerstattung lassen wir immer sein, weil die paar Euros in keinem Verhältnis stehen zu den tatsächlichen Kosten. Was ist ein verlorener Urlaubstag wert (es hätte so schön und entspannt sein können)? Heulende Kinder, schimpfende Eltern, graue Haare vom Stress, Gelenkschmerzen vom auf dem Boden sitzen (oft in schlimmer Hitze).

      • @Demokratischer Segler:

        Gut, dass Sie's erwähnen: zum Handy gezwungen wird man auch noch - und ehrlich: ich hasse diese Dinger. Mag mein persönliches Empfinden sein, aber rund um die Uhr gezwungen zu sein (die Bahn ist ja nicht der einzige, der das tut) einen Computer laufen zu lassen, ist eine Zumutung. Die modernen Handys haben übrigens die Einsparungen durch die Sparlampen allesamt zunichte gemacht, soviel zum Thema umweltfreundliches Bahnfahren.

      • @Demokratischer Segler:

        Trotzdem kann die Sitzplatzreservierung nicht umgebucht werden, bei den üblichen Verspätungen und daraus resultierenden Nutzung anderer Anschlusszüge ist es schon toll dann stundenlang mit Kindern im Gang zu stehen...

  • Vielen Dank für diesen wichtigen Kommentar zum mangelnden Verständnis der sozialen Verantwortung der Deutschen Bahn!



    Das muss meiner Ansicht nach viel häufiger betont werden, um es Politik und Bevölkerung bewusster zu machen. Schön also, dass das Thema in der taz Platz findet!

  • "Doch einkommensschwache Familien ohne eigenes Auto haben diese Möglichkeit nicht."



    Das einkommensschwache Familien zum Bahn fahren verdammt sind, ist vom Mindset her tief im letzten Jahrhundert verankert🙄



    Es gibt längst flächendeckend Car-Sharing-Angebote. Zwar nicht auf dem platten Land, aber darum geht es im Artikel ja auch nicht. Es geht um Platzreservierungen und Fernverkehr. Und jene IC/ICE verkehren nur zwischen größeren Städten - in denen es längst überall Car-Sharing gibt.



    Auch Fernbusse sind eine gute Alternative - wenn es am Führerschein mangelt oder das Klima im Kopf schwirrt.



    Egal ob eigenes Auto, Car Sharing oder Fernbus - bei Spontanfahrten sind alle drei um Längen billiger als die Bahn. Diesen Missstand prangert der Artikel zurecht an.



    Das Problem hierbei liegt aber meiner Meinung nach nicht bei den Managern und deren fehlendem "Bewusstsein für die soziale Verantwortung ihres Unternehmens" - da irrt der Artikel, denn die Deutsche Bahn ist eine Aktiengesellschaft und privatwirtschaftlich organisiert.



    Der Bund als alleiniger Eigner könnte die Zielsetzung der Bahn ändern, tut es aber nicht, auch nicht unter der Ampel, also ist Auto fahren politisch gewollt🤷‍♂️

    • @Farang:

      Im großen Ganzen haben Sie Recht. Bloß ist der öffentliche Nah- und Fernverkehr ein Mittel zur Teilhabe. Die DB ist zwar privatrechtlich firmiert aber trotzdem nicht aus der Verantwortung genommen. Als Beliehender mit hoheitlichen Aufgaben (hier die Teilhabe), ist die DB, meines Erachtens, schon in der Verantwortung den Anspruch auf soziale Gerechtigkeit in der Teilhabe zu erfüllen.



      Der Verweis auf alternative Angebote, wie Carsharing, ändert daran nichts.

  • Das die Reservierung beim Staatstransporteur überhaupt etwas kostet, ist ein schlechter Scherz. Ist kein Aufwand, sondern nur Ertrag für die Bummelbahner.

  • Das kostenlose Bahnfahren für Kinder unter 14 ist ein Luxus, den sich kaum ein Land gönnt. Wegen einer freiwilligen Reservierung sich zu beschweren, ist dann doch Jammern auf sehr hohem Niveau. Da gibt es an der Bahn viele andere Dinge zu kritisieren, aber die Preiserhöhung ist für mich völlig ok.

    • @Nisse:

      Öffentlicher Nah- und Fernverkehr ist kein Luxus! Es ist ein Mittel zur sozialen Teilhabe!