Präsidentschaftswahl in Costa Rica: Linksliberaler Carlos Alvarado gewinnt
Der 38-jährige Ex-Minister setzte sich am Sonntag gegen Fabricio Alvarado durch, der im Wahlkampf mit scharfer Polemik gegen die Ehe für alle mobil gemacht hatte.
Die 3,3 Millionen Wahlberechtigten in dem kleinen zentralamerikanischen Land hatten bei der Stichwahl eine Richtungsentscheidung zu treffen: Carlos Alvarado entstammt der regierenden Mitte-links-Partei der Bürgeraktion (PAC) und steht für eine Fortsetzung der traditionell liberalen und laizistischen Politik in Costa Rica.
Fabricio Alvarado trat für die Partei Nationale Restauration (RN) an, die aus evangelikalen Neopfingstkirchen hervorgegangen ist. Diese finden in Costa Rica derzeit wachsenden Zulauf. Sein Sieg hätte eine konservative Kehrtwende bedeutet. Letzte Umfragen hatten die beiden Alvarados, die nicht miteinander verwandt sind, Kopf an Kopf gesehen.
Das Ergebnis teilte das Oberste Wahlgericht nach Auszählung von 95,6 Prozent der Stimmen mit. Carlos Alvarado wird nun im Mai die Nachfolge von Präsident Luis Guillermo Solis antreten, der gemäß der Verfassung nicht noch einmal antreten durfte.
Die erste Wahlrunde im Februar hatte noch der Prediger Fabricio Alvarado mit 24,9 Prozent gewonnen. Carlos Alvarado war auf 21,6 Prozent der Stimmen gekommen. Nach dem costaricanischen Wahlgesetz sind für einen Sieg im ersten Durchgang mindestens 40 Prozent der Stimmen erforderlich.
„Strukturell konservative Gesellschaft“
Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH) hatte sich aber Anfang Januar wegweisend zu den Rechten von Schwulen, Lesben sowie Transsexuellen geäußert und die Länder der Region aufgefordert, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen.
Dagegen stemmte sich der evangelikale Kandidat Fabricio Alvarado, wodurch seine Umfragewerte schlagartig stiegen. Politische Beobachter erklärten das mit der „strukturell konservativen Gesellschaft“ Costa Ricas. Diese lehne die Ehe für alle, den Konsum von Drogen und eine Trennung von Kirche und Staat ab.
Als der Prediger am Sonntag seine Stimme abgab, sah er sich mit einer Gruppe Frauen in roten Gewändern konfrontiert, die gegen religiösen Fundamentalismus protestierten. Gekleidet waren sie wie Nonnen – in Wirklichkeit Sexsklavinnen – aus der Fernsehserie „Der Report der Magd“, eine Verfilmung des gleichnamigen Romans der kanadischen Autorin Margaret Atwood.
Am Abend räumte Alvarado seine Wahlniederlage vor einer Menge enttäuschter Anhänger rasch ein, dankte Gott und gratulierte dem Sieger zu seinem Triumph.
Der 38 Jahre alte Carlos Alvarado war unter dem scheidenden Staatschef Solis zunächst Minister für soziale Entwicklung, dann Arbeitsminister. Er arbeitete früher als Journalist, machte sich aber auch als Romanautor einen Namen.
Wachsende soziale Spaltung
Im Wahlkampf trat er für einen laizistischen Staat ein. Er machte Werbung für mehr Bildung und Umweltschutz sowie für den Abbau des wachsenden Staatsdefizits. In seiner Siegesansprache sagte er: „Es gibt viel mehr, was uns eint als was uns trennt.“ Seine Aufgabe sei es nun, die Nation gemeinsam voranzubringen.
Als Student sang Carlos Alvarado in einer progressiven Rockband namens Dramatika. Pink Floyd gehört zu seinen Lieblingsbands. Nach einem Aufenthalt in Panama wegen der Architektenkarriere seiner Frau kehrte er nach Costa Rica zurück und engagierte sich im Präsidentschaftswahlkampf 2014 für Solis.
Das vergleichsweise wohlhabende Costa Rica gilt als demokratisches Musterland Mittelamerikas. Beobachter sahen in der Wahlauseinandersetzung einen Beleg für die wachsende soziale Spaltung: Carlos Alvarado repräsentiert demnach das gut ausgebildete städtischen Milieu, während Fabricio Alvarado seine Wähler eher aus armen ländlichen Schichten rekrutierte.
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