Präsident des Zentralrats der Juden: Ernüchternde Bilanz nach Großdemos gegen rechts
Anfang 2024 demonstrierten Hunderttausende aus Empörung über das Potsdamer Treffen rechter Kreise. Ein Jahr später ist Josef Schuster enttäuscht.
Anfang 2024 hatten nach einem Artikel des Medienhauses Correctiv über ein Treffen rechter und rechtsradikaler Kreise in Potsdam Hunderttausende in Deutschland gegen die AfD und gegen Forderungen nach einer sogenannten Remigration von Menschen mit ausländischen Wurzeln demonstriert. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Schuster hatte die Proteste begrüßt. Die AfD-Umfragewerte gingen damals leicht zurück. Derzeit erreicht die Partei in Umfragen 18 bis 21,5 Prozent Zustimmung.
Schuster warnte mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar: „Die AfD ist für mich keine Partei des demokratischen Spektrums. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung der AfD mache ich mir ernsthaft Sorgen, inwieweit jüdisches Leben tatsächlich noch in Deutschland möglich wäre. Was wir von Funktionären der AfD hören, lässt sehr Schlimmes erahnen.“
So wolle die AfD eine grundsätzlich andere Erinnerungskultur, sagte der Zentralratspräsident. Und: „Die Partei hat nachweisbare Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken – sie ist ihr politischer Arm. Die AfD ist offen gegenüber völkischer Ideologie und bietet Antisemiten ein Umfeld.“ Eine Partei, die Menschen nach Herkunft oder Aussehen unterscheide, „ist immer auch für jüdische Menschen eine Gefahr“. Er sorge sich seit Jahren, dass die AfD dabei sei, sich in Gänze zum Rechtsextremismus zu bewegen.
Den Erfolg der AfD schrieb Schuster Auftritten in sozialen Netzwerken zu, aber auch Themen, die vielen Menschen wichtig seien. Deshalb erwarte er etwa zur Migration „Antworten von den demokratischen Parteien auf der Basis dessen, was in der Demokratie möglich ist“, sagte Schuster.
Zugleich mahnte er die Parteien mit Blick in das Nachbarland Österreich, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. „Die Entwicklung in Österreich schockiert mich ehrlich, weil offensichtlich die Parteien des demokratischen Spektrums nicht in der Lage sind, eine vernünftige Koalitionsvereinbarung herzustellen und eine Mehrheit gegen die FPÖ zu bilden. Das ist erschreckend.“
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