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Postkoloniale TheoretikerLeerstelle Antisemitismus

Die Verdienste postkolonialer Forschung sind groß. Doch die Causa Achille Mbembe zeigt, dass sie das Wesen des Antisemitismus verkennt.

Foto: Illustration:Katja Gendikova

Scharfe Kritik hat die Einladung von Achille Mbembe als Eröffnungsredner der nun abgesagten Ruhrtriennale nach sich gezogen. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter des Bundes, wirft dem kamerunischen Historiker Holocaust-Relativierung vor; eine Kritik, der sich FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube später anschloss. In Mbembes „Politik der Feindschaft“ finden sich Zitate, die die israelische Palästinenserpolitik mit der Apartheid Südafrikas vergleichen.

Außerdem zieht er das Prinzip „Auge um Auge“ aus dem Alten Testament als Ursprung der „Zerstörungsideologien“ auf der Welt heran – und macht damit wieder das Judentum verantwortlich für alles Unheil. Mbembe selbst wies in der Zeit die Vorwürfe mit leichter Hand zurück: Er verspüre „nicht die Spur von Groll oder Vorurteil gegen irgendjemanden“. Auffällig oft hebt er hervor, wie sehr seine Schriften von jüdischen Denkern beeinflusst seien, um schließlich einzuräumen, dass seine Forschung sich nicht mit dem Holocaust beschäftige, ebenso wenig „mit Israel […] noch mit seinem Recht auf Existenz und Sicherheit“.

Nimmt man ihm die jüdischen Kronzeugen (à la „viele meiner Freunde sind Ausländer“) noch ab, fragt man nach der Basis seiner Fundamentalkritik an Israel, die im selben Satz ihren kompletten Mangel an Expertise eingesteht – ganz unabhängig davon, ob das Existenzrecht von Staaten überhaupt Gegenstand seriöser Forschung sein kann.

Causa Mbembe zeigt ein tieferliegendes Problem

Ohne Zweifel verdient die aktuelle israelische Regierungspolitik scharfen Widerspruch, auch viele Israelis folgen ihr nurmehr mit Verzweiflung. „Israelkritik“ vom Zuschnitt Mbembes entspringt jedoch gänzlich anderen Bedürfnissen: Für sie ist nicht die israelische Politik von Scharon bis Netanjahu das Problem, sondern die schiere Existenz des Judenstaats. Die Causa Mbembe weist daher auf ein tieferliegendes Problem hin, ein Problem jenes Teils der Rassismus- und Kolonialismusforschung, der sich den Postcolonial Studies verpflichtet fühlt: ihre Unfähigkeit, Antisemitismus als Problem ernst zu nehmen. Dieser wird dort ganz überwiegend als „nur eine andere Form von Rassismus“ verstanden – während durch die fortgesetzte, völlig unreflektierte Dämonisierung Israels antisemitische Denkstrukturen reproduziert werden.

Niemand leugnet die Verdienste postkolonialer Forschung. Dank Theoretikern von Frantz Fanon über Gayatri Spivak und Edward Said bis Achille Mbembe ist das Nach- und Hineinwirken der Kolonialgeschichte in die Struktur und den Alltag unserer Gesellschaft erforscht worden: Deutsche Straßen, mit denen Sklavenhändler geehrt werden; der Unwille, den Völkermord an den Herero und Name anzuerkennen (oder auch nur das N-Wort aus Kinderbüchern zu streichen); eine deutsche Drogeriekette, die Afrohaare als „Wucherfrisur“ bezeichnet – Mbembe nennt diese Form von Rassismus treffend „Nanorassismus“, den „ganz banalen Rassismus, dem es gelungen ist, sich allenthalben auszubreiten und in alle Poren und Adern der Gesellschaft einzudringen“.

In Zeiten, in denen rassistisches und rechtes Gedankengut tödliche Ausmaße annimmt, sind Analysen, die die koloniale Herkunft dieser Bilder reflektieren, von ungebrochener Brisanz.

Doch ebenso, wie Rassismus auch da benannt werden muss, wo er nicht offensichtlich ist, muss Antisemitismus angesprochen werden, wenn er sich unter geehrten postkolonialen Theoretikern artikuliert. Erinnert sei an eine andere deutsche Ehrung 2012, als die postkolonial inspirierte Gender-Forscherin Judith Butler den Adorno-Preis erhielt. Butler, selbst Jüdin, ist bekannt für ihr Engagement in der Israel-Boykottbewegung BDS; unter anderem nannte sie die islamistische Hamas aufgrund ihres erklärten Antiimperialismus einen „Teil der globalen Linken“. Ein Preis, benannt nach einem der bedeutendsten Antisemitismuskritiker, in den Händen eines Hamas-Fans?

Parteinahme gegen Israel

In den Postcolonial Studies scheint die einseitige Parteinahme gegen Israel so normal, dass auch absurde Positionen als legitim gelten. So fühlt Mbembe mit palästinensischen Selbstmordattentätern mit: „Der Märtyrer in spe sucht nach einem glücklichen Leben.“ Jeder Anschlag mit „einigen Toten“, so Mbembe, führe „automatisch zu einer Trauer, die sich wie auf Befehl einstellt“.

Gayatri Spivak definiert Israel als „Kolonialstaat“, sieht „in Palästina“ nur „territorialen Imperialismus und Staatsterrorismus alter Prägung“ am Werk – und zeigt ebenfalls Verständnis für Selbstmordattentate, denen sie das emanzipatorische Ansinnen unterstellt, „Normalität kollektiv verändern“ zu wollen. Edward Said, selbst palästinensischer Herkunft, lehnte das Osloer Friedensabkommen kategorisch ab und unterstellte Israel, die Palästinenser als Volk („people“) auslöschen zu wollen.

Allen diesen Forschern ist gemein, dass sie die Gründung Israels als Kolonialprojekt bewerten – und oft mindestens Verständnis für Selbstmordattentate zeigen. Bei derart kritischen Geistern, die selbst unbedachte Alltagsäußerungen auf ihr mikroaggressives Potenzial analysieren, muss zunächst einmal ganz grundsätzlich auffallen, wie freimütig sie tödliche Aggression gegen schutzlose Zivilisten – in diesem Fall Juden – ohne großes Wenn und Aber rechtfertigen. Liegt dies an einem grundsätzlichen Konstruktionsfehler der Postcolonial Studies? Die meisten ihrer Theoretiker verstehen sie nicht nur als Wissenschaft, sondern auch als Widerstandsform. Gegenwärtige Formen von Hegemonie und Abhängigkeiten werden als Neokolonialismus kritisiert.

Erzwungene Identitäten

Gründungsvater Fanon warnte noch vor „essenzialisierendem Denken“, das die koloniale Weltordnung überhaupt erst hervorgebracht habe und auch nach ihrer Aufhebung weiterwirke: Postkoloniale Gesellschaften sollten sich daher nicht positiv auf ihre von den alten Herren erzwungene Identität beziehen, sondern eine völlig neue, emanzipierte Identität hervorbringen.

Gegenwärtige Postcolonial Studies sind davon jedoch oft weit entfernt: Eine manichäische Spaltung der Welt in einen „globalen Norden“ und einen „globalen Süden“, in Unterdrücker und Unterdrückte, reduziert die komplexe Weltlage auf einfache binäre Widersprüche, in denen es nichts Drittes, nichts Ambivalentes geben darf. Israel wird dabei umstandslos den Unterdrückern zugeschlagen; nicht ein Gedanke wird darauf verwendet, dass die Gründung des Staates auf jahrhundertelange Verfolgung, von den Pogromen in Russland und Polen bis zur Schoah zurückzuführen ist. Jüdische Flüchtlinge und Überlebende steigen in dieser Lesart zu mächtigen Kolonialherren auf; die Gründung des Staats wird als Geburtsstunde der „neokolonialen Ära“ verstanden.

Es ist kein Zufall, dass im Intersektionalitätskonzept der Postcolonial Studies Antisemitismus oft nur als eine Unterform des Rassismus gilt. Das Einzigartige am Antisemitismus findet sich in keiner Darstellung der Postcolonial Studies, widerspricht er doch der binären Aufteilung der Welt in Unterdrücker und Unterdrückte.

Antisemitismusvorwurf wird beiseitegewischt

Im Gegensatz zum Rassismus geht Antisemitismus nicht von der Minderwertigkeit bestimmter Personengruppen aus, sondern umgekehrt von ihrer Überlegenheit, ihrer Macht und Schläue. Der Antisemit sieht sich gerade selbst als Opfer, nämlich einer Unterdrückung durch Juden; er glaubt sich in einer Position der Schwäche und hält sein Handeln für Notwehr. Theorien, die Antisemitismus lediglich als Diskriminierung aufgrund „jüdischer“ Merkmale betrachten, müssen daran ebenso scheitern wie solche, die sich unterdrückt wähnende Personengruppen automatisch im Recht wissen.

In einem Milieu, in dem es gute Sitte geworden ist, zunächst einmal Betroffenen Glauben zu schenken, alle Vorwürfe von Diskriminierung zunächst einmal ernst zu nehmen, wird oft mit aberwitziger Schnelle der „Antisemitismusvorwurf“ als „Vorwand“ beiseitegewischt. Es ist dann mehr als nur bezeichnend, dass solche Argumente in einer deutschen Gesellschaft dankbar angenommen werden, die die Aufarbeitung der Vergangenheit als abgeschlossen sieht und sich keine weiteren Fragen mehr gefallen lassen möchte, sondern vielmehr dem Staat der Verfolgten Moralpredigten hält.

Wollen sich postkoloniale Theoretiker nicht von solchen sehr deutschen Bedürfnissen instrumentalisieren lassen, müssen sie einen Begriff von Antisemitismus bilden, der über eine Variation von Rassismus hinausreicht, ihn genuin gesellschaftstheoretisch definiert und aus wohlfeilen binären Aufteilungen der Welt in Gut und Böse heraushält. Überdies muss endlich anerkannt werden, dass „Israelkritik“ allzu oft ein Ventil für solche Ressentiments darstellt – weit ­entfernt von legitimer Empörung über aktuelles israelisches Regierungs­handeln.

Wenn es den postkolonialen Wissenschaften nicht gelingt, diesen überkommenen Essenzialismus aufzugeben, machen sie sich tatsächlich zum zweiten Mal abhängig von Ex-Kolonialherren. Tatsächlich wäre wenig vorstellbar, was so kolonial wäre wie ­deutsche Israelfeinde, die sich zur Legitimation ihrer Abneigung Schützenhilfe aus Südafrika einfliegen lassen. Auch in dieser Hinsicht wäre eine Dekolonisierung der Debatte dringend geboten.

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61 Kommentare

 / 
  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    „The occupation of Palestine is the biggest moral scandal of our times, one of the most dehumanizing ordeals of the century we have just entered, and the biggest act of cowardice of the last half-century.“ aus „Apartheid Israel – The Politics of an Analogy“

  • Es sind nicht nur Postcolonial Studies, die den Staat Israel als koloniales Unternehmen betrachten. Bereits mehr als 100 Jahre zuvor hat Theodor Herzl, Gründervater der zionistischen Bewegung dies so betrachtet. Man muss nur „Der Judenstaat“ von Herzl lesen, indem er u.a. schreibt „wir werden ein Bollwerk gegen Asien bilden und werden als Hüter der Kultur gegen die Barbarei dienen“, oder „Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserm eigenen Lande jegliche Arbeit verweigern.



    Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muss ebenso wie die Fortschaffung der Armen mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen.“



    (Theodor Herzl, 1896, „Der Judenstaat“).



    Die Unterstellung, dass immer vergessen werde, dass die Juden durch die Jahrhunderte immer wieder verfolgt wurden ist nicht richtig, aber die Schlussfolgerung, daraus dass dieser Staat in seiner jetzigen Form so zu sein habe wird von antizionistischen Kritikern der israelischen Politik nicht deswegen so gesehen, weil sie allesamt Antisemiten sind, sondern weil sie die israelische Enteignungs- und Verdrängungspolitik den PalästinenserInnen gegenüber, ablehnen, die sich nun weiter zuspitzt, indem in nächster Zeit ganz offiziell das Jordantal annektiert werden soll, das übrigens bereits schon seit langem besiedelt und landwirtschaftlich ausgebeutet wird - von jüdischen Siedlern/Kolonisten.

    • @Martha:

      Martha Martha! wie können Sie nur so was häßliches zitieren?!

      • 9G
        90564 (Profil gelöscht)
        @christine rölke-sommer:

        die jüd!nnen aus der arabischen welt, denkt man sich einfach weg

        • @90564 (Profil gelöscht):

          Sie meinen die arabischen jüdinnen+die jüdischen araberinnen?



          nö! ich jedenfalls denke die nicht weg,



          sondern daran, dass sie mizrachim, also ostler*innen, genannt werden und Ben-Gurion sie eigentlich lieber nicht haben wollte, weil: nicht so gutes menschliches material. so wie btw die kz-überlebenden auch einen makel hatten. will sagen: am liebsten hätten die staatsgründungsväter nur solche ashkenazi wie sie selbst aufgenommen.

  • macht die taz eigentlich noch was zu www.youtube.com/watch?v=4i6iLNDumqM oder soll die diskreditierung der post-colonial studies einfach so im raum stehen bleiben?

  • aus www.deutschlandfun...:article_id=475398

    "René Aguigah: Und was erwidern Sie, wenn Sie als „Holocaust-Relativierer“ bezeichnet werden, wie etwa in der „Welt“ vom vergangenen Wochenende?



    Achille Mbembe: Widerwärtig. Selten in meinem Leben wurde ich so verletzt. Sie haben nicht mich gesehen. Ich fürchte, sie scheren sich kaum um Stimmen wie meine, noch darum, woher wir kommen und wohin wir unterwegs sind. Ich fürchte, sie sehen in mir kein menschliches Wesen, das in der Lage ist, eigenständig zu denken und seinem eigenen moralischen Gewissen entsprechend zu handeln. Also haben sie schnell eine Maske erfunden. Ich habe dieses Phänomen in einem meiner Bücher einmal mit dem Begriff „Neger“ beschrieben. (Achille Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft, Suhrkamp 2013. Das Buch ist 2016 auch in einer Ausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen) Und nun sieht es so aus, als ob ich in Wahrheit nichts als ein „Neger“ sei, ein Antisemit von einem „Neger“! Selten habe ich mich in meinem ganzen Leben so verletzt und respektlos behandelt gefühlt."



    mer sollte mal drüber nachdenken, ob er nicht recht hat.

    • @christine rölke-sommer:

      Interessant, wie Mbembe auf den Vorwurf selbst gar nicht eingeht, sondern nur klassisch-narzisstisch seine vorgebliche Kränkung thematisiert.

      Frei nach dem Motto: ich wurde gekränkt, also bin ich gut.

  • je länger ich drüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem schluß, dass es falsch ist, von einer causa Mbembe zu reden. zutreffender wäre wohl, für 'schland von einer causa Klein zu reden.

  • 0G
    01209 (Profil gelöscht)

    „Außerdem zieht er das Prinzip „Auge um Auge“ aus dem Alten Testament als Ursprung der „Zerstörungsideologien“ auf der Welt heran – und macht damit wieder das Judentum verantwortlich für alles Unheil.“

    Diese These ist ziemlich weit hergeholt, zumal auch und vor allem Christen sich auf dieses Bibelzitat stützen.

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

  • "So fühlt Mbembe mit palästinensischen Selbstmordattentätern mit: „Der Märtyrer in spe sucht nach einem glücklichen Leben.“ Jeder Anschlag mit „einigen Toten“, so Mbembe, führe „automatisch zu einer Trauer, die sich wie auf Befehl einstellt“."

    Das Zitat bezüglich der Trauer bezieht sich nicht auf die Selbstmordattentäter oder deren Sympathisanten, sonder auf Reaktionen auf "Kriegsbegeisterung" bei der Bekämpfung von Terrorismus, die sich als Reaktion auf terroristische Attentate in liberalen Demokratien einstellt. books.google.de/bo...0einstellt&f=false

    Da wurde bei der Textrecherche meines Erachtens geschlammpt.

    • @Rudolf Fissner:

      Ihre Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Dass sich die Passage nicht auf den Selbstmordattentäter bezieht (nicht beziehen kann), ist offensichtlich. Sonst würde es entweder bedeuten, dass der Selbstmordattentäter oder deren sympathisanten darob der Opfer trauern. So handeln zwar die 30 in Gemmels Drenai saga, aber doch kaum reale Figuren.

      • @BluesBrothers:

        Sie meinen Kritik an "Kriegsbegeisterung" und Militarismus als Reaktion auf Attentate sei Mitgefühl mit Attentätern?

        • @Rudolf Fissner:

          Ich meine, dass die Passage mit dem "glücklichen Leben" gut möglich eine korrekte Beschreibung ist, mit Mitgefühl hat das nichts zu tun.

    • @Rudolf Fissner:

      wenn ich zb www.radicalphiloso...-society-of-enmity lese, kann ich schon verstehen, dass sich manche leutz, vor allem wenn sie ganz verzweifelt die immerselbe politik wiederwählen, schwer getroffen fühlen.



      aber auch da hilft seriöse arbeit am text weiter.

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Was erwartet man in der Debatte vom Leiter einer Bildungseinrichtung, dessen Mitarbeiter Pamphlete veröffentlichen, in der schon die Bezeichnung von Bänkern als geldgierig als "antisemitische Stereotype" gebrandmarkt wird (vgl Tom Uhlig, "Der immer neue alte Antisemitismus: Wandlungen eines Weltbildes""). Hier wird offensichtlich gern alles über einen Kamm geschoren, dabei werden gleich die ganzen "Postcolonial Studies" als antisemitisch versenkt..

    • @2422 (Profil gelöscht):

      Jupp, ins Schwarze getroffen! "Der Bänker" ist nicht "geldgieriger" als jeder andere Mensch im Kapitalismus, auch wenn durch seine Hände größere Summen fließen. Das scheint für identitär und manichäisch Denkende, die ihre Unterscheidung von gut und böse für links halten, nicht vorstellbar zu sein.

    • @2422 (Profil gelöscht):

      Die Bezeichnung der Berufsgruppe der Banker als geldgierig ist ein Klassiker des strukturellen Antisemitismus.

      • 2G
        2422 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Im genannten Zitat wird nicht deutlich, dass die Berufsgruppe der Banker gemeint ist, noch wird deutlich, dass es um einen Vergleich geht, welche Berufsgruppe am geldgierigsten ist. Aber mit einer Klischeebrille, wie sie eine tragen ("Klassiker des strukturellen Antisemitimus"), sind solche Unterschiede natürlich nicht auszumachen..

  • Das die Ablehnung des Prinzip „Auge um Auge“, als des Vergeltungsprinzips das Judentum verantwortlich für alles Unheil der Welt macht ist doch an den Haaren herbei gezogen.



    Wer hat sch das ausgedacht? Ich lese es das erste mal in diesem Artikel von Meron Mendel.

    • @Rudolf Fissner:

      Das Rechtsprinzip der Tora heißt "Auge *für* Auge" und fordert Schadenersatz / Wiedergutmachung vom Gewalttäter für verursachten Schaden. Es wird kulturhistorisch gerade als Überwindung des Vergeltung- / Racheprinzips gewertet. Ausgelegt wird es zudem in Übertragung, d.h. es geht um finanzielle, wirtschaftliche Wiedergutmachung.



      Die ignorant falsche Übersetzung bzw. falsche Deutung mit "Auge um Auge" als Racheprinzip ist Teil der langen Geschichte antijüdischer Vorurteile.

      • @mats:

        nicht vom gewalttäter, sondern vom schadensverursacher - so genau sollte mann das talions-prinzip schon wiedergeben. und hinzufügen, dass es bereits im codex hammurabi zu finden ist.



        UND hinzufügen, dass die falsche übersetzung/deutung eine christliche ist, genauer: eine westkirchen-christliche. die so nur in unserem christentum zu finden war+in unserer christlich-säkularen welt immer noch ist.

        • @christine rölke-sommer:

          "sondern vom schadensverursacher"

          Da haben Sie recht, es werden ja auch Unfälle, fahrlässige Handlungen etc. berücksichtigt. Eine Gewalttat, wie z.B. eine Körperverletzung im Streit, ist nur ein möglicher Fall.

    • @Rudolf Fissner:

      das ist die etwas sehr enggeführte auseinandersetzung mit dem westkirchlich-christlichen antijudaismus, die da durchschlägt. die vom denken im alten orient nichts weiß, die einen wie die anderen nicht.

      • @christine rölke-sommer:

        Eine Auseinandersetzung von Meron Mendel oder von Achille Mbembe?

        • @Rudolf Fissner:

          könnten wir erst herausfinden, wenn Meron Mendel+Saba-Nur Cheema uns verraten, wo genau in Mbembes werk das stehen/nachlesbar sein soll. besser wäre, sie machten sich die mühe, das entsprechende in gebührender ausführlichkeit hier als zitat einzustellen.

          • @christine rölke-sommer:

            In seinem Buch "Politik der Feindschaft" können Sie es lesen.

            • @rero:

              dann hätten Sie doch bitteschön die güte, das entsprechende in gebührender ausführlichkeit hier als zitat einzustellen! ich möchte nämlich auch den kontext kennen, nicht nur 1 mini-schnipsel-zitat!

              • 9G
                90564 (Profil gelöscht)
                @christine rölke-sommer:

                verstehe ich das gerade richtig, sie stellen dem kritisierten werk und herrn mbembe einen pauschalen persilschein aus, ohne das werk, um das es geht, überhaupt zu kennen?

  • Problematisch an diesem Artikel ist meiner Ansicht nach, dass er die Forderung einer differenzierten Auseinandersetzung selbst nicht einzulösen im Stande ist.



    Zunächst gibt es nicht die postcolonial studies, sondern unterschiedliche postkoloniale Ansätze, die ebenso unterschiedliche Prämissen besitzen. Aber auch abgesehen davon zeigt die Unterstellung eines dichotomen Verständnisses von globalem Norden und Süden innerhalb 'der' postcolonial studies, dass Sie z.B. die hier erwähnte Spivak nicht aufmerksam gelesen haben. In "the subaltern speak" stellt S. dar, wie die Stimmen einer bestimmten Gruppe von Frauen eben deswegen nicht gehört wird, weil die britische Kolonialmacht als auch die hindunationalistische ("indigene") Elite Indiens für sich beide herausnehmen, an der Stelle der Frauen zu sprechen. Die Verwicklung zwischen Nord und Süd, westlicher Aufklärung und postkolonialen Ländern wird von vielen postkolonialen Theoretiker_innen anerkannt und sogar betont.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Deutsche Straßen, mit denen Sklavenhändler geehrt werden; der Unwille, den Völkermord an den Herero und Name anzuerkennen (oder auch nur das N-Wort aus Kinderbüchern zu streichen); eine deutsche Drogeriekette, die Afrohaare als „Wucherfrisur“ bezeichnet"

    Im Nachhinein die Literaturgeschichte zu bereinigen ist nicht das geringste dieser Probleme, sondern das größte.



    Wer sich darin überfordert fühlt, seinen Kindern zu erklären, warum das eine N-Wort in Pippi-Langstrumpf steht und warum es nicht mehr benutzt werden sollte, kann ein anderes Buch zur Hand nehmen.



    Wenn wir anfangen, die Literaturgeschichte nach Wörtern zu durchsuchen, durch die sich der eine oder andere Mensch beleidigt fühlt und diese alle durch Wohlfühlausdrücke zu ersetzen, sind wir in einem Totalitarismus angekommen, der sich für die Freiheit ausgibt.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Ich vermute mal, sie haben keine Kinder? Ich würde zur Veranschaulichung gerne meine persönliche Erfahrung teilen: Meine Tochter ist ein Fan von Pippi Langstrumpf seit sie 3 Jahre war. Dieses Buch haben wir nicht einmal gelesen, sondern lesen es eigentlich jeden Tag. Ich könnte jetzt entweder einmal einer jetzt 4jährigen erklären, dass das N-Wort nicht mehr benutzt wird mitsamt dem gesamten Hintergrund und es dann einfach weiter vorlesen, hab es ja erklärt.. Dann prägt sich das ein und ich produziere eventuell eine dieser "ich sage das, weil wir das immer so gesagt haben und ich meine das nicht rassistisch" Personen. Oder ich erkläre es jedes Mal, wenn das Wort vorkommt. Dann wird das ziemlich nervig für uns beide und der Spaß ist auch dahin. Tatsächlich machen wir es so, dass ich jedesmal kurz stocke und dann das Wort durch irgendein anderes ersetze, denn bei uns kommt noch erschwerend hinzu, dass meine Tochter selbst nicht weiss ist und ich es ihr gerne ersparen möchte, von einer ihrer Heldinnen täglich mit abwertenden Worten benannt zu werden.

      Ich finde es etwas leicht, zu sagen, wir könnten ja ein anderes Buch zur Hand nehmen, zumal es ja auch nicht nur um ein Buch geht. Ich weiss nicht, wie oft sie Pippi Langstrumpf lesen und wie gewinnbringend es ihnen persönlich ist, jedesmal das N-Wort darin zu lesen, aber ich würde mich freuen, wenn Kinder(!)bücher zumindest sprachmäßig etwas angepasst werden könnten, um weniger beleidigend oder Stereotyp reproduzieren zu sein..

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Ich finde auch, dass die Sache mit den Kinderbüchern nicht in die Aufzählung passt.



      Straßen, die nach Sklavenhändlern benannt sind, umzubenennen, ist eine gute und überfällige Idee. Kunst und Literatur aus der Vergangenheit den heutigen Maßstäben anzupassen, eine sehr schlechte.



      Diese Beschönigung der Vergangenheit führt doch zu nichts. Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, weiß man auch nicht wo man hin will.

  • zuallererst finde ich zum verzweifeln, wieviel kolonialismus in dieser kritik an Mbembe im allgemeinen und an den post-colonial studies im besonderen steckt. und ich frage mich, warum der antisemitismusbeauftragte nicht einräumen kann, dass er mit seinen diffamierenden zuschreibungen danebenliegt und dass er von wissenschaft+wissenschaftlichem diskurs nicht viel versteht.

    • @christine rölke-sommer:

      Kann so sein, kann auch anders sein. Kaum einer der Verteidiger von Mbembe hat etwas von ihm gelesen.

      Den Eindruck kann man zumindest bekommen. Meistens erschöpft sich die Verteidigung darin, aufzuzählen welche Preise ihm verliehen wurden.

      Stefan Laurin hat bei den Ruhrbaronen die Chose anders aufgerollt:

      www.ruhrbarone.de/...l-isolation/183480

      Lesebeispiel:

      "„Die Besetzung Palästinas ist der größte moralische Skandal unserer Zeit, eine der entmenschlichendsten Torturen des Jahrhunderts, in das wir gerade eingetreten sind, und der größte Akt der Feigheit des letzten halben Jahrhunderts“.

      Das könnte man als Dummheit bezeichnen. Und funktioniert nur, wenn man jeden anderen Konflikt, jede andere Schlächterei einfach ausblendet.

      • @Jim Hawkins:

        Fanden Sie es nicht merkwürdig, das Text der Ruhrbarone bzgl Israel Vergleiche zum Völkermord in Ruanda machte und sich daran störte, dass Mbembe keine solchen Vergleiche macht? Solche Vergleiche sind Antisemitismus hoch 10.

      • @Jim Hawkins:

        haben Sie denn? ich habe nicht - höre ihm allerdings gerade zu.



        die frage ist doch eher: hat Klein ihn gelesen? oder hat er von anderen 1 paar zitate übernommen, ohne diese selbst zu überprüfen? und macht bei ner art stille post mit, weil mann im moment jeden dadurch diskreditieren kann, dass mann ihn mit BDS als antisemitismus in verbindung bringt?



        ansonsten: ich bin im gebrauch von superlativen immer vorsichtig - nakba+besatzung aufgrund ihrer dauer einen (auch) moralischen skandal zu nennen, reicht völlig, finde ich.

        • @christine rölke-sommer:

          superlativ oder nicht ist aber in dem fall eben keine kleinigkeit.

        • @christine rölke-sommer:

          Wenn Sie gerade erst zuhören, wie können Sie dann von "diffamierenden zuschreibungen " sprechen? Also evtl. haben Sie ja recht (ich kenne den Artikel und 15 Seiten aus dem Buch, hab also keine Ahnung), aber das können Sie doch noch gar nicht wissen.

          • @BluesBrothers:

            tja, da gehts uns nich anders als den autoren auch. wir alle kennen Mbembes werk nicht, wir kennen nur 1 paar schnipsel. - und ich kenne die diskussionen rund um verdächtige schnipsel und wie diese von antisemitisforschern+bekämpfern zuweilen geführt werden.



            ich verstehe ja, dass manche Israel nicht gern in den kontext kolonialismus gestellt sehen. was nix daran ändert, dass der politische zionismus sich kolonialer praktiken bedient hat und israelische politiken dies immer noch tun.

        • @christine rölke-sommer:

          Ehrlich gesagt, nein. Ich kannte nicht einmal seinen Namen.

          Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt etwas Besonderes. Man kann nicht alles wissen und nicht alles lesen.

          Dafür hat man dann ja die Journalistinnen und Journalisten des Vertrauens.

          Und ich will natürlich nicht in Abrede stellen, dass die auch mal falsch liegen können.

          Aber in dem Fall, reihe ich Zitat an Zitat, kommt schon etwas zusammen.

          • @Jim Hawkins:

            wieviel zitate genau reihen Sie aneinander? und wieviele andere lassen Sie aus?



            wieviel wille, die in die unabhängigkeit entlassenen zumindest in dem, was+wie sie zu denken hätten, steckt dahinter?



            was zb haben die autoren von Fanon und Mbembes Fanon-rezeption nicht verstanden? nicht verstehen wollen?

            • 9G
              90564 (Profil gelöscht)
              @christine rölke-sommer:

              fangen wir doch ganz einfach damit an, dass "ethnische herkunft" kein ersatz für ein argument ist, wie es ja bei den üblichen "israel-kritiker!nnen" regelmässig durchexerziert wird. xy ist "jüdischer"/"israelischer" herkunft und KANN darum niemals nicht antisemitisch sein



              geschrieben am 26.4.2020, 19:47

              • @90564 (Profil gelöscht):

                besser wäre, wir fangen mit www.holocaustremem...ce.com/de/node/196 an und fragen, warum mann es Mbembe übel nimmt, dass er in seinem ansatz dies nicht bruchlos zu übernehmen scheint.

                • 9G
                  90564 (Profil gelöscht)
                  @christine rölke-sommer:

                  sie hatten gefragt, ich habe geantwortet

                  • 9G
                    90564 (Profil gelöscht)
                    @90564 (Profil gelöscht):

                    aber umgekehrt könnte man mal den wahrnehmungs- und befindlichkeits-diskurs der "israel-kritiker!nnen" thematisieren, die es für ein gegenargument halt, wenn sich der herr mbembe "verletzt" fühlt, weil er inhaltlich für "israel-kritische" (das a-wort darf man ja nicht schreiben) kritisiert wird, zum inhalt der kritik aber "vor kühnheit zitternd" schweigt

                    • @90564 (Profil gelöscht):

                      wer oder was zittert vor kühnheit? außer Ihr finger, wenn Sie dies+das eintippen?

                      • 9G
                        90564 (Profil gelöscht)
                        @christine rölke-sommer:

                        die leute, welche israel zb mit dem NS oder dem südafrikanischen apartheid-regime GLEICHsetzen. welches inhaltliche argument hat denn der herr mbembe bisher seinen kritiker!nnen entgegensetzt, ausser, dass er sich verletzt fühlt und kein antisemit sein könne, weil er ja nicht "weiss" ist?

                        ps dass ihnen ihre nähe zu walser nicht bewusst ist, war mir vorher klar, mit antisemitismus-forschung und deren erkenntnissen WILL man sich ja nicht beschäftigen

                        • @90564 (Profil gelöscht):

                          ich kenne niemanden, der-die-das gleichsetzt. aber leute, die aus dem vergleichen etwas lernen.



                          bei manchen best friends scheint mir das anders zu sein. die lernen nix, die fühlen sich nur ertappt. und dann legen sie im gleichsetzen immer noch ne schippe drauf.



                          eigentlich traurig.

                          • 9G
                            90564 (Profil gelöscht)
                            @christine rölke-sommer:

                            weil sie nicht verstehen WOLLEN, dass herr mbembe es tut, sie leugnen einfach

                            • @90564 (Profil gelöscht):

                              ach so. na dann: hmnuja!

                              • 9G
                                90564 (Profil gelöscht)
                                @christine rölke-sommer:

                                na sie erklären ja ganz offen weiter oben, dass sie die texte von herrn mbembe nicht kennen, "wissen" aber trotzdessen, dass da nix antisemitisches drinstehen "kann", darin zeigt sich ja auch ihre "qualifikation"

                                • @90564 (Profil gelöscht):

                                  ach, Sie kennen sie? alle?



                                  nun, ich kenne sie eben nicht, werde mir aber demnächst, wenn die stabi und bpb wieder zugänglich ist, das eine+andere besorgen, um nachzulesen, was denn nun eigentlich der stein des anstoßes ist.



                                  bis dahin nehme ich mal an, dass der darin liegt, dass Achille Mbembe und/oder die post-colonial studies als rechtfertigung diverser israelischer politiken das argument *zum schutz vor antisemitismus* nicht gelten lassen, nicht akzeptieren wollen. sondern darauf bestehen, dass zb die siedlungspolitik eine form von apartheid hervorgebracht hat.

                                  • 9G
                                    90564 (Profil gelöscht)
                                    @christine rölke-sommer:

                                    nein, ich kenne sie nicht ALLE, aber mir persönlich reicht eigfentlich dicke, dass die khmer rouge, daesh, die chinesische annektion tibets, der genozid in ruanda, der bangladesh-krieg etc alle laut mbembe wesentlich weniger mörderisch waren, als die israelische besatzung. aber was erwartet man auch von leuten, welche von "ghetto gaza" sprechen und die israelische armee mit der wehrmacht gleichsetzen und gleichzeitig hamas, hezbullah und den PIJ als legitimen "antiimperialistischen widerstand" lobpreisen?

                                    • @90564 (Profil gelöscht):

                                      och nö! nicht auch noch diese leier! hamSe da nicht noch was vergessen, was Mbembe für Ihren geschmack nicht ausreichend verdammt hat?

                                      • 9G
                                        90564 (Profil gelöscht)
                                        @christine rölke-sommer:

                                        es geht nicht um "ausreichend verdammt", sondern darum, dass, laut mbembe, die "israelische besatzung" wesentlich "schlimmer" bzw wesentlich "verbrecherischer" ist, als zb die killing fields der khmer rouge oder daeshs massenmord und versklavung der jesid!nnen. jüd!nnen in hebron sind für herrn mbembe "verbrecherischer", als das abschlachten der tutsi!

                                        • @90564 (Profil gelöscht):

                                          beleg bitte!

                                          • 9G
                                            90564 (Profil gelöscht)
                                            @christine rölke-sommer:

                                            bevor ich mir die mühe mache, dass zitat rauszusuchen, darf ich annehmen, dass sie diese behauptung, also dass die "israelische besatzung" ein schlimmeres verbrechen wär, als der völkermord der khmer rouge, der völkermord durch daesh und den völkermord an den tutsi, dann auch als antisemitisch oder zumindest völlig wahnsinnig einordnen würden?



                                            für ein weiteres "och nö, nicht diese leier" mach ich mir die mühe nämlich nicht

                                            • @90564 (Profil gelöscht):

                                              oke.



                                              fundstelle?



                                              um den rest kann ich mich, wenn Sie's ordentlich bibliografieren, selber kümmern. wenn die bibliotheken wieder geöffnet haben.

                                              • 9G
                                                90564 (Profil gelöscht)
                                                @christine rölke-sommer:

                                                meine antwort ist leider ganz nach oben gerutscht, frau rölke-sommer, ich nehme mal an, die bedeutung des superlativs ist ihnen bekannt?