Postengerangel in der SPD: Missglückte Rochade
SPD-Chef Martin Schulz bringt mit unabgesprochenen Personalentscheidungen Linke und Frauen gegen sich auf. Was heißt das für die SPD und für ihn?
Wie geht es voran mit der Erneuerung der SPD?
Vorsichtig gesagt: Es knirscht gewaltig. SPD-Chef Martin Schulz, der das 20,5-Prozent-Ergebnis verantwortet, hat bei den wichtigen Personalentscheidungen kein gutes Händchen bewiesen – und viele Frauen und Linke in der Partei gegen sich aufgebracht. „Die SPD hat in den letzten Tagen kein gutes Bild abgegeben“, räumte Schulz ein. Sie brauche mehr Kommunikationsdisziplin, vor allem nach außen. Nur ein Kommunikationsproblem? So kann man es auch sehen.
Um welche Personalentscheidungen geht es?
Das Grundproblem ist einfach: Da die SPD in die Opposition geht, gibt es weniger Posten zu verteilen als in der Regierung. Und die Zahl der Interessenten ist groß. Entscheidend ist – neben Parteichef Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles – zum Beispiel der Job des Generalsekretärs. Für jenen hat Schulz Lars Klingbeil vorgeschlagen.
Was spricht für Klingbeil?
Der 39jährige Abgeordnete ist Digitalisierungsexperte, kennt sich also mit einem Zukunftsthema sehr gut aus. Neulich twitterte Klingbeil seine Handynummer, was für einen designierten SPD-Generalsekretär eine geradezu revolutionäre Aktion ist. Und er hat seinen Wahlkreis in Niedersachsen bei der Bundestagswahl überraschend direkt gewonnen. Die Personalie ist auch ein Zugeständnis an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der nach seinem Wahlsieg in Hannover mehr Mitsprache in der Bundespartei beansprucht.
Wo ist das Problem?
Klingbeil ist ein Mann. Die SPD-Frauen hatten sich eine Generalsekretärin gewünscht. Schließlich war in der SPD nach der Wahl stets zu hören, die Partei müsse weiblicher werden. Außerdem sorgte der Name Klingbeil intern für Diskussionen, weil er gegen die ungeschriebenen Regeln des SPD-Proporzes verstieß. Er gehört – wie Schulz selbst – zum konservativen Seeheimer Kreis. Und er ist Niedersachse – was die Sache noch komplizierter macht.
Warum? Ist es verboten, aus Niedersachsen zu kommen?
Das nicht. Aber die SPD achtet als Irgendwie-noch-Volkspartei sehr darauf, dass alle Landesteile in der Führung präsent sind. Nun kommt eine Personalie in der Bundestagsfraktion ins Spiel. Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann kandidierte für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten – mit ausdrücklicher Unterstützung von Nahles. Also noch ein Mann, noch ein Seeheimer, noch ein Niedersachse.
Schulz' Klingbeil-Idee wirkte angesichts dessen unglücklich, mindestens aber schlecht abgesprochen – weil eine Niederlage Oppermanns auch Nahles beschädigt hätte. Hinzu kommt, dass der neue Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider ebenfalls zu den SPD-Rechten gezählt wird. Die SPD-Linken fühlen sich deshalb unterrepräsentiert.
Wie ging die Sache aus?
Glimpflich, zumindest für Schulz und Nahles. Die Abgeordneten wählten am Montagabend Oppermann zum Bundestagsvize, allerdings mit einem mäßigen Ergebnis. Eine heikle Kampfabstimmung fiel aus, weil zwei Konkurrentinnen ihre Kandidaturen vorher zurückgezogen hatten. Und die SPD-Spitze stellte sich am Montag hinter Schulz‘ Vorschlag, Klingbeil zum Generalsekretär zu machen. Die SPD wählte also die gesichtswahrenden Lösungen für Schulz und Nahles. Klar ist aber: Der Unmut über diese Entscheidungen wird bleiben.
Gab es kein Friedensangebot an SPD-Linke und Frauen?
Doch, aber das ging nach hinten los. Am Freitag war bekannt geworden, dass Schulz der Noch-Juso-Chefin und SPD-Linken Johanna Uekermann den Job der Bundesgeschäftsführerin angeboten hatte. Sie lehnte ab. Mit dem Angebot, das an Medien durchgestochen wurde, brüskierte Schulz die derzeitige Jobinhaberin Juliane Seifert. Jene kündigte daraufhin am Montag ihren Rückzug an. Schulz Versöhnungssignal ging ins Leere, jetzt steht er erstmal ohne Bundesgeschäftsführerin da.
Was bedeutet das alles für die SPD und ihren Chef?
Nun, die Ankündigung, die SPD werde weiblicher, bleibt eine leere Phrase. Nahles, die neue Fraktionschefin, steht allein auf weiter Flur. Alle anderen interessanten Jobs gingen nach der Wahl an Männer. Auch das Übergewicht der SPD-Rechten ist auffällig. Nahles ist die einzige Linke im neuen Tableau, eingemauert von SPD-Rechten. Das verwundert, zumal Schulz das Umfragehoch seiner Partei nach seiner Nominierung neulich in der Zeit so erklärte: „Das war der Wunsch nach linkerer Politik – ganz eindeutig.“ Die SPD, fügte er hinzu, müsse wieder den Mut zur Kapitalismuskritik fassen. Aber diesen Aufbruch sollen vor allem SPD-Rechte organisieren? Das ist ein Widerspruch.
Abgesehen davon hat Schulz bei der missglückten Personalrochade bewiesen, dass er Entscheidungen aus dem Bauch trifft, ohne sich groß abzusprechen. Das ist für einen SPD-Vorsitzenden immer eine gefährliche Eigenschaft.
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