Population drastisch gesunken: Vogelbestand im Sinkflug
Es ist ein dramatischer Rückgang: In Europa gibt es etwa 600 Millionen weniger Vögel als noch vor vier Jahrzehnten.
Die Vögel seien Opfer von Umweltverschmutzung und intensiver Landwirtschaft. Insgesamt sei seit 1980 die Zahl der Haussperlinge (bekannt als „Spatzen“) um 247 Millionen geschrumpft, die der Bachstelzen um 97, die der Stare um 75 und die der Feldlerchen um 68 Millionen Exemplare geschrumpft.
Die Untersuchung bestätigt alarmierende Studien zur Biodiversität in Europa. Die Vogelbestände der Arten, die an landwirtschaftliche Flächen gebunden sind, haben sich danach am stärksten dezimiert. Grund ist laut der Studie die Agrarwirtschaft: Die Intensivierung des Ackerbaus habe zum Habitatverlust beigetragen, der Einsatz von Chemikalien zum starken Rückgang der Insektenpopulationen geführt. Diese wiederum dienen Vögeln als Nahrung.
Der Spatz verschwindet sogar sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Das Forschungsteam vermutet, dass der Rückgang des städtischen Bestands auf Nahrungsmangel, Luftverschmutzung und Krankheiten wie Vogelmalaria zurückzuführen ist. Dies sei aber noch nicht abschließend geklärt.
Doppelt so viele Wanderfalken
Außerdem beschneide die „stärkere Verbauung und Flächenversiegelung“ den städtischen Lebensraum der Spatzen und verhindere Nistmöglichkeiten, sagt Magnus Wessel, Experte für Naturschutzpolitik und -koordination beim Naturschutzverband BUND. „Es braucht mehr kleinteilige Strukturen, mehr Brachen und mehr Randstreifen, die Vögeln als Refugium dienen können.“
Doch die Studie beobachtete auch Wachstumsprozesse. Während die Zahl der Vögel insgesamt sank, nahm sie sogar bei 203 der 378 beobachteten Vogelarten zu, darunter die in Städten lebenden Amseln und Rotkehlchen. Auch einige Greifvögel profitierten in den vergangenen Jahrzehnten, zum Beispiel durch die Vogelschutz- und Habitatrichtlinien der EU. So hat sich die Population von 11 Greifvogelarten in Europa mehr als verdoppelt, darunter der Wanderfalke und der Mäusebussard.
Insgesamt hat sich der Rückgang vieler Vogelarten in den vergangenen zehn Jahren laut den ForscherInnen verlangsamt, allerdings gibt es auch Verluste der biologischen Vielfalt in jüngster Zeit.
Nordamerika noch schlimmer betroffen
Während sich die Zahl der Vögel in Europa in den vergangenen Jahrzehnten um etwa ein Sechstel dezimiert hat, ist Nordamerika laut vergleichbaren Untersuchungen sogar noch schlimmer betroffen: Dort sind die Bestände seit 1970 um ungefähr 3 Milliarden geschrumpft. Die Zahl ist gleichbedeutend mit dem Verlust von jedem vierten Vogel.
Für den BUND-Experten Wessel ist das Projekt der Briten und Tschechen „eines der wichtigen Eckpunkte, um europaweit überhaupt eine Einschätzung zu treffen“. Um den Rückgang der Vogelbestände in Deutschland aufzuhalten, müssten schlicht die bestehenden Gesetze umgesetzt werden, betont Wessel. „Wir haben bereits ein elaboriertes Naturschutzrecht, was aber faktisch nicht zu Tragen kommt, aufgrund von Personalmangel, fehlenden Finanzen und fehlendem politischen Willen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels