Polnische Verfassung und EU-Recht: Polen setzt Disziplinarkammer aus
Warschau hat die umstrittene Einrichtung suspendiert, um Strafzahlungen aus Brüssel zu vermeiden. Der Haken: Die Suspendierung ist befristet.
Danach können die Richter also weiterarbeiten wie bisher, die im Büro von Manowska aufbewahrten neuen Disziplinarfälle werden an die wieder aktive Kammer überwiesen. Für Interventionen der EU ist es dann schon zu spät: Im November wird der Antragstermin für eine Geldstrafe beim EuGH verstrichen sein. Und auch die Entscheidungen über EU-Zuschüsse für Staaten, die grundlegende Werte der EU wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit missachten, können nicht ewig aufgeschoben werden.
Für die „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die seit 2015 mit absoluter Mehrheit im polnischen Abgeordnetenhaus regieren kann, wäre es ein Leichtes, das Urteil des EuGH umzusetzen und die Disziplinarkammer per Gesetz abzuschaffen. Die Opposition würde mit großer Mehrheit zustimmen. Sie könnte auch alle bisherigen Urteile der Kammer für null und nichtig erklären.
Doch dies scheitert an Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro. Der mit großer Machtfülle ausgestattete Minister schäumte nach dem Urteil aus Luxemburg, dass dies ein „politisch bestelltes Urteil“ sei und Polen es nicht umsetzen werde. Später verschärfte er den Ton noch und warnte vor Maßnahmen, die aus Angst „vor einer wirtschaftlichen Erpressung“ der EU getroffen würden.
Ende des Monats soll Polens Verfassungsgericht über die Anfrage von Premier Mateusz Morawiecki (PiS) entscheiden: „Welches Recht hat in Polen Vorrang – die polnische Verfassung oder das EU-Recht?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge