Polizeigewalt in Wisconsin: Sieben Schüsse in den Rücken
Ein weiterer Vorfall von Polizeigewalt in den USA: Im Bundesstaat Wisconsin schießt ein Polizist den Schwarzen Jacob Blake aus nächster Nähe nieder.
Ein Video zeigt Blake in einem ärmellosen weißen Hemd und kurzen schwarzen Shorts, wie er vorne um einen am Straßenrand geparkten grauen Wagen herumgeht. Einen Schritt hinter ihm folgt ein weißer Polizist mit gezückter Schusswaffe, dicht gefolgt von mehreren weiteren Polizisten. Als Blake die Fahrertür öffnet, um in das Auto zu steigen, greift der erste Polizist mit der linken Hand nach Blakes weißem Hemd. Mit der rechten Hand schießt er den jungen Mann, dessen Hemd er hält, vielfach in den Rücken. Eine junge schwarze Frau rennt auf die Szene zu und springt und schreit in Verzweiflung auf dem Asphalt. Nachdem sieben Schüsse gefallen sind, ertönt eine Hupe.
Ein Nachbar hat die Szene an der 40th Street und 28th Avenue in Kenosha, Wisconsin, gefilmt. Er war aufmerksam geworden, als er einen Streit zwischen zwei Frauen auf der Straße hörte. Nach der Darstellung des filmenden Nachbarn war Blake auf die beiden Frauen zugegangen und versuchte zu schlichten. Auf der Rückbank des geparkten Autos saßen drei kleine Kinder. Blake und die junge Frau sind die Eltern. Als Nächstes ertönen in dem Video „Fuck You!“-Rufe von jungen Leuten auf der Straße. Polizisten sperren die Szene mit gelbem Plastikband ab.
Die erneute Polizeigewalt in den USA hat Wut und Proteste ausgelöst. Laquisha Booker, die Partnerin von Blake und Mutter der drei Kinder auf der Rückbank des Autos, vor deren Augen der Vater in sich zusammengesackt ist, sagt über die Polizei: „Sie haben es überstrapaziert.“ Ein älterer Mann, den Anwohner als Black-Lives- Matter-Aktivisten bezeichnen, fühlt sich am Tatort an Lynchszenen aus der Vergangenheit und an andere tödliche Polizeieinsätze gegen unbewaffnete schwarze Männer und Frauen in diesem Sommer erinnert.
„No justice – no peace“
In der Nacht demonstrieren aufgebrachte junge Leute in Plastiklatschen und T-Shirts in der Stadt. Der Ruf ertönt: „Keine Gerechtigkeit – kein Frieden!“ Mehrere Autos und Laster gehen in Flammen auf. Und der demokratische Gouverneur von Wisconsin versichert der Familie per Tweet sein Mitgefühl. Gouverneur Tony Evers hofft, dass Blake seine Verletzungen überlebt.
Während die örtlichen Behörden eine nächtliche Ausgangssperre verhängen, wird der polizeiliche Schütze vom Dienst suspendiert. Das Justizministerium des Bundesstaates übernimmt die Ermittlungen. Vor dem Morgengrauen twittert ein anderer Jacob Blake, der Vater des von der Polizei Niedergeschossenen: „Mein Sohn lebt und ist stabil.“
Der auf Polizeigewalt gegen junge schwarze Leute spezialisierte Anwalt Ben Crump schaltet sich in die Debatte ein. In diesem Sommer hat er unter anderem auch die Vertretung der Angehörigen von Breonna Taylor und George Floyd übernommen. In einem ersten Tweet zu den Schüssen in Kenosha schreibt Crump, dass die Kinder für ihr Leben traumatisiert sein werden.
Die sieben Schüsse sind nicht die einzige Polizeigewalt gegen Schwarze an diesem Wochenende in den USA. Am Freitag hat ein Polizist in Lafayette, in Louisiana, auf einen jungen schwarzen Mann geschossen. Der 31-jährige Trayford Pellerin sackte vor einer Tankstelle tödlich getroffen in sich zusammen. Die Polizei war wegen einer „Störung“ gerufen worden. Nach Polizeiangaben soll er ein Messer in der Hand gehabt haben. Seine Mutter erklärt in einem Interview, dass Pellerin unter „Angstzuständen“ litt.
Zwei Nächte, bevor in Kenosha Demonstrationen gegen Polizeigewalt beginnen, zogen in Lafayette junge Leute durch die Stadt und riefen „Black Lives Matter!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren