piwik no script img

Nach Tod von Rayshard BrooksPolizist wegen Mordes angeklagt

Der Beamte habe beim Einsatz in Atlanta übermäßig Gewalt angewendet, so der Staatsanwalt. Darauf steht lebenslange Haft – oder gar die Todesstrafe.

Tomika Miller, die Witwe des verstorbenen Rayshard Brooks, weint während der Pressekonferenz Foto: Curtis Compton

Atlanta dpa | Nach dem Tod des Afroamerikaners Rayshard Brooks nach einem Polizeieinsatz in der US-Metropole Atlanta muss einer der beteiligten Beamten die Todesstrafe fürchten. Die Staatsanwaltschaft klagte den Polizisten am Mittwoch (Ortszeit) unter anderem wegen Mordes an. Er habe übermäßige Gewalt angewendet, sagte Staatsanwalt Paul Howard in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Darauf steht im Falle einer Verurteilung lebenslange Haft ohne Bewährung oder gar die Todesstrafe.

Der Tod des 27-Jährigen nach dem Einsatz hatte die landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA nach dem Fall George Floyd in Minneapolis weiter angeheizt. Brooks war am Freitagabend am Steuer seines Wagens eingeschlafen, als er in der Schlange an einem Schnellrestaurant wartete.

Polizisten stellten fest, dass er zu viel getrunken hatte und wollten ihn festnehmen. Es kam zu einem Handgemenge, Brooks griff nach dem Elektroschockgerät eines Beamten und floh. Einer der beiden Polizisten feuerte Schüsse ab, die ihn im Rücken trafen und tödlich verletzten. Er wurde fristlos entlassen, der andere Beamte vorläufig suspendiert.

Brooks habe in mehr als 40 Minuten der Unterhaltung mit den Beamten „niemals irgendein aggressives Verhalten gezeigt“ oder eine Bedrohung dargestellt, sagte Staatsanwalt Howard. Sein Verhalten sei kooperativ und „fast schon fröhlich“ gewesen. Nachdem der Mann nach den Schüssen zu Boden ging, habe der nun angeklagte Polizist Brooks zusätzlich getreten. Über zwei Minuten, während er um sein Leben kämpfte, habe sich niemand um den 27-Jährigen gekümmert. Eine Kugel des Polizisten hatte Brooks demzufolge ins Herz getroffen. In einer ersten Aussage habe der Polizist danach „ich habe ihn erwischt“ gesagt.

Ermittler wollen acht Videos ausgewertet haben

Nach Howards Angaben wurde auch der zweite beteiligte Polizist angeklagt, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung. Er hatte sich auf die Schultern des Sterbenden gestellt, wie auf Aufnahmen zu sehen gewesen sei. Er habe sich zudem auch bereit erklärt, als Zeuge auszusagen. Für die Anklagen hatten die Ermittler nach eigenen Angaben acht Videos, darunter die Körperkameras der Polizisten, ausgewertet. Zudem seien Zeugen vernommen und eine ballistische Analyse sowie der vorläufige Autopsiebericht eingesehen worden.

Der Anwalt von Brooks Familie, Justin Miller, begrüßte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. „Das ist aber erst der erste Schritt. Schritt zwei ist die Verurteilung in allen Anklagepunkten.“ Witwe Tomika Miller meldete sich nur kurz und sichtlich emotional zu Wort. Sie sei sehr verletzt. „Vatertag steht vor der Tür und alles, woran ich denken kann, ist, was wäre, wenn mein Mann noch hier wäre.“ Brooks Tochter war Medienangaben zufolge am Samstag acht Jahre alt geworden.

Brooks starb weniger als drei Wochen, nachdem der Afroamerikaner George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz im Bundesstaat Minnesota ums Leben gekommen war. Floyds Schicksal hat anhaltende Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus ausgelöst. Nach dem Tod Brooks' hatte es wütende Proteste in Atlanta gegeben. Das Schnellrestaurant, auf dessen Parkplatz die Tat geschah, ging in der darauffolgenden Nacht in Flammen auf. Die Polizeichefin der Stadt, Erika Shields, trat zurück.

Die Bürgermeisterin Atlantas, Keisha Lance Bottoms, hatte am Montag eine Polizeireform angekündigt. Polizisten müssten „Beschützer sein, nicht Krieger“, sagte die Bürgermeisterin am Montag. Sie erlasse Verordnungen, um die Gewaltanwendung durch Polizisten auf das Nötigste zu begrenzen. Alle Beamten müssten künftig immer wieder in Deeskalation geschult werden, erklärte sie. Zudem müssten alle Polizisten künftig bei exzessiver Gewaltanwendung durch Kollegen einschreiten und diese auch melden, um Strafen zu entgehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Zitat: „Polizisten müssten ‚Beschützer sein, nicht Krieger‘.“

    Was aber, wenn im Kopf mancher Polizisten nur ein guter Krieger ein guter Beschützer sein kann?

    Nicht nur die US-Gesellschaft hat ein Problem mit ihrem Erbe. Toxische Männlichkeit sitzt überall tief. 10.000 Jahre Geschichte sind nicht einfach per Gesetz abzuschaffen. Die vorsintflutliche Auge-um-Auge-Ideologie los zu werden, ist mühsame, sehr schlecht bezahlte und noch weniger wertgeschätzte „Care-Arbeit“. Eine Arbeit also, die jeder, der zu entscheiden hat, viel lieber anderen überlässt. Notfalls gewaltsam. Wenn das nicht mehr geht, weil alle „Bestimmer“ sein wollen, wird sie einfach überflüssig gemacht.

    Ein Staat, der Polizisten, die töten, mit dem Tod bestraft, will sich vor genau dieser Care-Arbeit drücken. Hingerichtete Polizisten kann schließlich niemand resozialisieren. Es ist also völlig egal, ob der Staat versagt in der Begrenzung bzw. Wiedergutmachung der Schäden, die er selbst angerichtet hat mit seiner verfehlten Personalpolitik. Gibt ja genügend Nachschub für die Schwarzen Schafe. Statt selber aktiv zu werden, lässt der Staat Angst herrschen. Ein echtes Armutszeugnis!

    Ein Staat, der seine „Mündel“ (ob sie nun Teil der Staatsmacht sind oder „nur“ potentielle Wähler) für seine systembedingten Fehlleistungen zum Tod verurteilt, sendet völlig falsche Signale. Er gibt selber den Krieger, der für sich in Anspruch nimmt, der beste weil einzig wahre Beschützer zu sein. So wird das nie etwas mit Black Lifes Matter. Wo im Zweifel kein Leben etwas zählt, war Überleben immer schon allein eine Frage der Macht.

    Übrigens: Auch Polizisten können Väter sein. Wie deren Familien sich fühlen, wenn sie sie nicht mal mehr im Knast besuchen (und ggf. ein Umdenken der Verurteilten miterleben) können, will ich mir gar nicht ausmalen. Denn ganz bestimmt werden sich wieder Leute finden, die jene Art „Trost“ spenden wollen, der nicht von Rache zu unterscheiden ist für mich.