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Polizeigewalt in LeipzigWegen Körperverletzung verurteilt

Ein Bereitschaftspolizist hatte 2015 brutal eine Sitzblockade geräumt. Jetzt ist er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Festnahme eines Gegendemonstranten am 20. April 2015 in Leipzig Foto: imago/Sebastian Willnow

Leipzig taz | Das Amtsgericht Leipzig hat einen Dresdner Bereitschaftspolizisten am Dienstag wegen Körperverletzung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Beim Einsatz auf einer Demonstration gegen den Pegida-Ableger Legida im April 2015 hatte der Beamte an der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade in der Leipziger Innenstadt teilgenommen.

Nach Berichten der Leipziger Volkszeitung (LVZ) hat das Amtsgericht dem Angeklagten nachgewiesen, damals einem 17-jährigen Gegendemonstranten grundlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Zudem sprühte er ohne Vorwarnung Reizgas auf Teilnehmende einer Sitzblockade und trat mehrfach mit schweren Einsatzstiefeln in Richtung der Sitzenden, womit er ihre Verletzungen billigend in Kauf nahm, so das Gericht. Beim Prozessauftakt im November hatte die Staatsanwaltschaft Nico S. insgesamt sieben verschiedene Angriffe auf Gegendemonstranten vorgeworfen und elf Monate Haft gefordert.

Wie Gerichtssprecher Stefan Blaschke auf Anfrage bestätigte, verurteilte das Amtsgericht Nico S. am Dienstag schließlich in drei Fällen wegen versuchter Körperverletzung sowie wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung im Amt zu neun Monaten Haft. Weil Nico S. nicht vorbestraft ist, wird die Strafe auf Bewährung ausgesetzt. Zudem soll er 1000 Euro an den Verein Opferhilfe zahlen.

Die polizeilichen Übergriffe bei den Legida-Gegendemos hatten vor zweieinhalb Jahren zu großer Medienaufmerksamkeit geführt. Zur Verurteilung des Polizisten hatten am Ende auch Videoaufzeichnungen seiner Übergriffe in den Medien beigetragen, die das Gericht ausgewertet hat. Darauf waren individuelle Merkmale zu sehen, berichtete die LVZ im November: Taktische Beschriftung auf seiner Uniform, spezielle Aufnäher auf der Kluft sowie Protektoren und Helm ließen auf seine Identität schließen. Außerdem hatte Nico S. bei seinen Angriffen auf die Gegendemonstranten eine Kamera zur Beweissicherung in der Hand.

Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sächsischen Linkspartei hatte nach den Legida-Gegendemonstrationen schwere Vorwürfe gegen die in Leipzig eingesetzten Polizisten erhoben. Auf Youtube veröffentlichte der Politiker zum Protestauftakt einen Zusammenschnitt von Videos, die Polizeigewalt verschiedener Beamter bei der Räumung von Blockaden an jenem 20. April 2015 zeigen, an dem auch Nico S. gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen war. „Ich habe damals auch Anzeige gegen die betreffende Polizeieinheit gestellt. Ohne Erfolg, weil die betreffenden Polizisten nicht identifiziert werden konnten“, erklärte er zum Video. Es gehe auch nicht um einen einzelnen Polizisten, „sondern um eine ganze Gruppe und einen Einsatzleiter der dies befeuert hat“, so Böhme.

Nach dem LVZ-Bericht erklärte Richterin Martina Kadler-Orthen, Demonstranten hätten natürlich auch kein Recht darauf, eine Kreuzung zu blockieren: „Das sind Störer, aber das rechtfertigt nicht den Einsatz jeden Mittels. Auch Störer haben ein Recht auf persönliche Unversehrtheit“. Bei allem, was Polizeibeamten zugemutet werde, hätten sie doch die Pflicht, sich an Recht und Gesetz zu halten. Es dürfe nicht geduldet werden, dass Polizeibeamte Gesetze brechen. Ob die Verteidigung Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird, ist noch nicht bekannt.

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22 Kommentare

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  • "Sie muss idR gegen Rechtsbruch aller Art vorgehen."

    Und vertößt dabei vom eigenen Staat erhobenen Grundsätzen. Vom Abfilmen von Demos über Pfeffersprayeinsatz gegenüber Sitzblockaden, bis hin zu Schlagstockeinsatz und sonstiger Polizeigewalt. Berichte darüber gibt es zuhauf (auch hier in der TAZ). Ansonsten können Sie sich auf Protesten (und damiz meine ich nicht Menschenketten) auch selbst ein Bild davon machen. Wer, nach Einsätzen mit solchen Vorgehen, Lob ausspricht, deckt damit solche Vorgehen.

  • Solche Bullen sollten sofort entlassen werden.

     

    Ich kann nachvollziehen, dass manche Bullen in Risikosituationen zu übermäßiger/illegaler Gewalt greifen. Teils fürchten sie in Einsätzen leider um ihr Leben.

     

    In solchen Fällen würde ich ein "Warnschuss" (also ohne Entlassung) akzeptieren.

     

    Wenn aber wie in diesem Fall (und vor kurzem bei "Ende Gelände") kein Angriff auf Bullen stattfand, gehören die "Prügelbullen" sofort aus dem Staatsdienst entlassen.

  • Opfer sind vor allem Ausländer.

    Sie leiden überall. In Schulen leiden ihre Kinder... Auf der Arbeit.... Auch auf der Straße... Dies sehe ich mit meinen Augen. Vor allem Koptuchtrgende Frauen.

  • Ich bin beruhigt, das so ein Urteil in DE überhaupt noch möglich ist.

     

    Ich hatte in den letzten Jahre das Gefühl, das die Polizei (oft im Auftrag der Politik) ihr Gewaltmonopol ungestraft ausleben darf und soll.

    • @Sonntagssegler:

      Hoffentlich nicht zu beruhigt. ;) Es gibt/gab ja unzählige weitere Übergriffe.

  • Der Verurteilte ist seiner Zeit nur etwas voraus. Wenn erst die AfD am Ruder ist, kann mit Sicherheit jeder Polizist, ohne jede Strafe, dem linken Demonstranten den Schädel einschlagen.

    Hurra Deutschland!

  • Ich halte das Urteil für wesentlichzu mild; es stellt m.E. eher ein anerkennendes Schulterklopfen und durch die fakrische Straflosigkeit eine Aufforderung zu weiteren Straftaten dar. Das Gericht hätte sich wenigstens zu einer Bewährungsstrafe von knapp über einem Jahr durchringen können, damit der Verurteilte die Kosten für die nächste Instanz aufbringen muss um im Dienst verbleiben zu können.

    • @JLloyd:

      Tja, hätte andersherum ein_e Demonstrant_in eine_n Polizist_in so angegriffen wäre das Urteil sicher härter ausgefallen.

    • @JLloyd:

      So ein Unsinn. Sie outen sich jetzt nicht anders als Menschen, die zB pauschal über Fremde schimpfen.

      Die Verurteilung dürfte den geltenden Regeln entsprechen. Wenn es ein strukturelles Problem mit einer Gruppe Polizisten gibt, denen Gewalt gegen Demonstranten Freude macht, dann gehört das selbstverständlich untersucht, aufgeklärt und behoben, auch mittels Straf- und / oder Dienstrecht.

      Was Sie da von dem Gericht zwischen Empörung und Satire verlangen, dürfte nicht weniger als die Bitte zur Rechtsbeugung sein.

      • @Gerhard Krause:

        Verehrter Herr Krause,

         

        "gehört das selbstverständlich untersucht, aufgeklärt und behoben, auch mittels Straf- und / oder Dienstrecht."

         

        Genau diese juristische Aufarbeitung aber unterbleibt im Regelfall in Deutschland im Allgemeinen und in Sachsen im Besonderen, was nur als entsprechendes Signal an die Prügeltruppen der Exekutive gewertet werden kann. "Haut zu, wir decken Euch!"

        • @JLloyd:

          Ich glaube nicht, dass es direkte Deckung gibt (wohl würde ich einräumen, dass Personalabbau [Frankreich lebt mit einer viel höheren Staatsquote, und zwar gut] dazu führt, dass Fälle halbherzig verfolgt werden könnten). Wenn es die gibt, ich bin da bei Ihnen, gnadenlos aufdecken.

          Den rechtlichen Rahmen sollten wir (aber) beibehalten und nicht in seiner Wirksamkeit verkennen. Mir kommt es manchmal so vor, dass wir nur noch diesen haben, um uns untereinander wieder zu versöhnen.

          • @Gerhard Krause:

            Klar gibt es die. Die meisten Abgeordneten inklusive Innenministerien billigen das doch. Ich habe da fast ausschließlich Lobholdigungen für die Polizei vernommen, auch nach solchen Einsätzen.

            • @Uranus:

              Polizei wird auch nach Einsätzen gelobt. Sie muss idR gegen Rechtsbruch aller Art vorgehen. Wer das (Lob) unmoralisch oder als Beweis für eine angebliche Deckung von rechtswidriger Gewalt ansieht, der möge ein Steuerrechtsseminar der "Steuerhasser" oder eine Sause der Versicherungsbranche besuchen.

              Für Ihre Anschuldigungen braucht es nun einmal Beweise. Ansonsten wären Sie genau so wie dies, was Sie anklagen.

  • ...na vielleicht nimmt sich die Polizei Leipzig die Kollegen aus Hamburg zum Vorbild und veröffentlicht zur Fahndung nach uniformierten Gewalttätern bald Fotos der Delinquenten?!

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Philippe Ressing:

      In Hamburg gab es aber laut Olli "The" Scholli keine Polizeigewalt....

  • inwieweit hat die Strafe Einfluss auf seinen Dienst bei der Polizei? Ist das wieder knapp unter der berühmten Grenze wo er einfach weitermachen kann?

    • @Jona:

      Was meinen Sie mit einfach weitermachen?

    • @Jona:

      Ja das korrekt, bei mehr als neun Monaten muss er entlassen werden!

      • @Jakob Cohen:

        Hier greift nicht primär die Entlassung, sondern das Institut des "Verlustes der Beamtenrechte". Dies wird gern verwechselt, weil es als identisch erscheint. Zumindest nach dem Beamtenstatusgesetz des Bundes (Rahmengesetz) u.a. bei Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe im Falle einer Vorsatzstraftat.

    • @Jona:

      Was ist mit den anderen Polizisten die an dem Einsatz beteiligt waren? Haben die nicht allesamt versäumt die Demonstranten vor dem Gewalttäter zu schützen und diesem noch geholfen? Landfriedensbruch? Gemeinschaftliche Körperverletzung? Unterlassene Hilfeleistung? Strafvereitlung?

      • @Lukas Norden:

        inwieweit ist der Kommentar jetzt als Antwort auf meine Frage gedacht?

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Jona:

      Ab einem Jahr Freiheitsstrafe, egal ob mit oder ohne Bewährung, wirds brenzlig.