Polizei, Saskia Esken und Lufthansa: Rassismusdebatte oder Malle
Deutschland diskutiert darüber, ob es Rassismus bei der Polizei gibt. Diejenigen Deutschen, die keine Lust darauf haben, können nach Malle flüchten.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: „Rasse“ steht immer noch im Art. 3 des Grundgesetzes.
Und was wird besser in dieser?
Mehr Klasse als Rasse. Nächstes Thema. Marx … fass!
Im Zuge der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt wurden in den USA, Großbritannien und Belgien Statuen von Sklavenhaltern und Kolonialherren gestürzt. Welches Denkmal sollte noch fallen?
Richtig staatsdement wäre ja, wenn ein Land – sagen wir mal die drittgrößte Kolonialmacht ihrer Zeit – ein Gebäude wieder aufbauen ließe, in dem auch ein zünftiger Weltkrieg losgetreten wurde. Nennen wir es Witzbold-Forum.
SPD-Chefin Saskia Esken hat der Polizei in Deutschland einen „latenten Rassismus“ diagnostiziert. Dafür erntete sie Kritik – auch aus der eigenen Partei. Jetzt planen die Ministerien eine Studie dazu. Ist diese nötig, um den „Einzelfälle“-Mythos endlich zu überwinden?
Esken sprach weiter gefasst von „Rassismus bei den Sicherheitskräften“ aus Mangel an „innerer Führung“. Das könnte auch die Bundeswehr betreffen, wenn die nicht gerade ein Problem mit Rassismus mangels innerer Führung hätte. Im Hintergrund ein Paradoxon: Man kann sich jederzeit bei der Polizei über die Polizei beschweren. „Ich? Zu schnell gefahren? Ihr Kollege hat doch ’n Rad ab!“, und ab da wird das Gesprächsklima aufgeschlossen. Solidarität oder Korpsgeist sind ohne Radarfoto kaum zu unterscheiden, und prompt fordert Esken eine „unabhängige Beschwedestelle“ außerhalb. Muss was dran sein, nachdem die beiden konkurrierenden Polizeigewerkschaften das einmütig seit Jahren ablehnen. Die Studie, die das Bundesinnenmysterium nun auflegt, erfasst die Länderpolizeien nicht. Und fragt nach „racial profiling“. Studiendesign also: dümmer, als die Polizei erlaubt.
Reisen in 160 Länder der Welt bleiben aus Sicht der Bundesregierung immer noch riskant. Eine der Ausnahmen ist – klar – Malle. Ab Montag dürfen rund 11.000 Deutsche testweise auf die Insel. Fair?
Aleman an Bord! Mögen wir rätseln, ob der Spanier uns für a. zahlungskräftig, b. besonders nett oder c. komplett bescheuert hält. Es klingt nach einem guten Kompromiss aus allem.
Die mit Staatsgeldern gerettete Lufthansa will über 20.000 Arbeitsplätze streichen. Wie kann das sein? Hätte die Bundesregierung besser verhandeln sollen?
„Wir dürfen Sie mit den Sicherheitsvorkehrungen an Bord der Lufthansa vertraut machen: Es gibt keine.“ Der Bund wusste, was kam, und wird dagegenhalten, man habe die Belegschaft nicht ohne Fallschirme abwerfen wollen immerhin. Und singt zum Rückstart das schaurige Lied der Systemrelevanz. Ein Teil der Stellen wird in Teil- und Kurzarbeit umverhandelt werden. Die Gewerkschaften – Verdi, Cockpit, UFO – bieten bereits allerhand Opfer an. Ein Moratorium für Dividenden und Managerboni hätte noch ins Bordgepäck gepasst. Ein erbauliches Vorbild für alle überschuldeten Privathaushalte – drohe mit Insolvenz und der Staat lässt dich gewähren. Sorry, ich hab geträumt.
Wasserstoff ist laut Bundesregierung Deutschlands neue Zukunftsenergie. Das Kabinett hat eine Wasserstoff-Strategie beschlossen. Mit der Nutzung des Treibstoffs soll Deutschland bis 2050 klimaneutral werden. Klima gerettet?
Nee, der Verbrenner. Der Plan wirkt nachgerade untermerkeloid verträumt, weil man Ottomotor, Betankung und damit einen Technikvorsprung der deutschen Autobauer retten könnte. Zudem verheißt er eine großindustrielle Lösung, also für Anlagen, Schiffe, Flugzeuge. Es ist eine Wette – ob es gelingt, Unmengen Strom für die Elektrolyse des Wasserstoffs grün zu erzeugen. Oder was genau gemeint sein mag, wenn ein Potenzial aufgebaut wird, das „der Leistung von zehn Atomkraftwerksblöcken entspricht“.
Der Verfassungsschutz hat Erkenntnisse zu rechtsextremen Aktivitäten des mutmaßlichen Helfers beim Lübcke-Mord nicht weitergeleitet. Eine Panne? Oder hat der Geheimdienst nicht doch eher ein Rechtsextremismusproblem?
„Von Panne mag man längst nicht mehr reden“ – „Man kann es nicht mehr hören“: Irgendwie hat sich die FAZ vom Schrecken des Rezo-Videos aber echt was angenommen. Was wollen die Nationalkonservativen? „FAZ – taz von neulich“? Ich erwäge ein Soli-Abo.
Und was machen die Borussen?
Siegtor in der 95ten Minute gegen den Vorletzten der Tabelle. Ja, dufte, Haaland, aber mal unter uns: Das ist schon irgendwie ziemlich Bayern.
Fragen: Erica Zingher, Carolina Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag