Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke: Waffenbesitz dank Verfassungsschutz
Der Verfassungsschutz Hessen gab Informationen über einen mutmaßlichen Helfer des Lübcke-Mörders nicht weiter. Das hat der Geheimdienst eingeräumt.
Hamburg/Kassel dpa/afp | Der hessische Verfassungsschutz soll laut einem Medienbericht Informationen über den mutmaßlichen Helfer im Mordfall Walter Lübcke nicht weitergegeben und somit vielleicht ermöglicht haben, dass der Mann Waffen besaß. Nach Recherchen des NDR hatte die Waffenbehörde der Stadt Kassel Markus H. wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten zunächst keine Waffenbesitzkarte erlaubt. 2015 habe er sich diese vor dem Verwaltungsgericht erstritten. Der Verfassungsschutz soll damals nur über ältere Aktivitäten von H. informiert haben.
Laut dem Waffenrecht gilt eine Person unter anderem als unzuverlässig, wenn sie innerhalb der letzten fünf Jahre verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt hat. In dem Prozess 2015 soll der Verfassungsschutz nur über Handlungen von H. bis 2009 berichtet haben, obwohl ihm nach Recherchen des NDR ein Eintrag aus dem Jahr 2011 vorlag. Für den fraglichen Zeitraum von 2010 bis 2015 lagen dem Gericht demnach keine Informationen vor. Es erlaubte H. folglich den Waffenbesitz.
Der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz in Hessen, Robert Schäfer, sagte dem NDR laut dem Bericht, dass er keine Erklärung habe, warum die Erkenntnisse zu Markus H. aus dem Jahr 2011 nicht übermittelt wurden. Ob es ein Fehler war, könne er heute nicht beurteilen, sagt Schäfer. „Richtig ist, dass wir das heute anders machen würden.“
Am Dienstag beginnt vor dem hessischen Oberlandesgericht in Frankfurt am Main der Prozess gegen Lübckes mutmaßlichen Mörder Stephan E. wie auch gegen dessen mutmaßlichen Komplizen H. E. soll den CDU-Politiker Lübcke am 2. Juni 2019 auf dessen Terrasse getötet haben. Laut Obduktion wurde der 65-Jährige mit einer Kurzwaffe aus nächster Nähe erschossen. Die Ermittler gingen bald von einem rechtsextremistischen Hintergrund der Tat aus.
H. soll den mutmaßlichen Attentäter Stephan E. an der Waffe ausgebildet und ein Gewehr für ihn auf seiner Waffenkarte eingetragen haben. Ihm wird Beihilfe zum Mord und ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen.
Leser*innenkommentare
Thomas Brunst
Es ist schon auffällig wie viele Parallelen es zwischen den Hessischen Rechtsextremen im Umfeld von Stephan Ernst und den Rechtsextremen der Prepper Gruppe-Nordkreuz, welche sich lange Zeit im Umfeld des Schießplatzes in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) bewegten, existieren.
Rechtsextreme Waffennarren bekommen – auch über Schützenvereine – Zugang zu einem Schließplatz und können dort mit scharfen Waffen trainieren. Über die Schützenbrüder werden Waffen und Munition besorgt – mal legal mal illegal, wer will dies kontrollieren.
Stephan Ernst hat in Nordhessen im Schützenverein Sandershausen legal mit dem Bogen geschossen und zusammen mit Markus H. bei der Schützengesellschaft zu Grebenstein wohl auch illegal mit scharfen Waffen; in Grebenstein sollen die Beiden Gäste der Reservistenkameradschaft Germania gewesen sein.
Die rechtsextremen Waffennarren legen Feindeslisten an und Morde z. B. in Kassel, Wolfhagen-Istha, Halle und Hanau zeigen, dass diese bewaffneten Neonazis bereit sind zu töten.
apfelkern
Was ist da los in Hessen? Sind die alle sediert beim Verfassungsschutz? Ich erinnere an die hoch dubiose, mich erschreckende, niemals restlos aufgeklärte Rolle von Verfassungsschutzmitarbeiter Temme, der am Tatort eines NSU-Mordes in Kassel (!) war. Zur gleichen Zeit, als der Terroranschag geschah! Das ist bis heute für mich eines der härtesten Vorkommnisse die ich kenne.
Martinxyz
Ich bin es leid. Ich bin es müde. Wir sollten es alle leid, sollten müde sein.
Ich empfinde es als Beleidigung.
Noch eine Geschichte, noch eine, und noch eine, von einer Behörde - ist man ehrlich und machen Gesamtschau - die Verfassung niemals geschützt hat.
Das macht die Situation so kritisch. Behauptet nun der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus...der Verfassungsschutz würde instrumentalisiert. Während es der VS war, der allein in den letzten drei Jahrzehnten, mit erheblichen Summen über das V-Mannsystem kaum aufzuklärende Netzwerke signifikant finanzierte...und damit schlicht vielfach erst schuf.
In der NPD seit Jahrzehnten so vertreten, das das Verfassungsgericht sagen musste: Kann man gar nicht unterscheiden. Wer NPD und wer Angestellter des Verfassungsschutzes ist.
Das ist so tief und vielschichtig und gewachsen, und Gründungsgeschichte und und und -
Das man einfach sagen muss: Auflösen.
Schlussstrich machen. Auch damit die vielen Leichen im Keller aufgeklärt werden können, ohne das sich dieselbe Behörde gleichzeitig zur Staatsräson erklären muss. Für die bekanntlich die Fünfen auch mal gerade sein können.
Geht eben nicht. Will man als Bürger wissen wie das mit NSU war. Und Hunderttausende für "Thüringer Heimatschutz" Wie Maaßen Chef sein konnte. Während er im Ausland vor ausländischen Geheimdienstchefs referierte, in eine linksextremistisch besetzte Regierungskoalition gezwungen zu sein.
Es steht uns frei zu diskutieren wofür und ob und wie organisiert wir einen Verfassungsschutz brauchen. Was der soll, was nicht Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte und der öffentliche Diskurs behandeln kann?
Wo ist die Geheimorganisation MLPD? Wer die sind, was die denken kann ich offen lesen. Was ist an "Interventionstische Linke" geheimdienst-umwittert? Das die den Kapitalismus überwinden wollen? Na und? Das wäre sogar verfassungsgemäss. Brauche ich Maaßen oder Haldenwang, die zu 99% bloss lesen lassen was ich, was alle auch lesen können?
TRG
Jo bin wirklich überraschte, sagte keiner.
Hätte ich so viele „Pannen“ in meiner Arbeit gehabt, wäre ich längst gefeuert.
Aber nicht der Verfassungsschutz, der ist besonders.
Er darf keine Verantwortung für seine Pannen übernehmen.
Kann man so eine Behörde überhaupt reformieren ?
Sonnenhaus
@TRG Korrekt eingeschätzt. Wobei einzuschränken gilt, das dies regelmäßig dem höheren Verwaltungsdienst zu zuordnen ist. Hier wird sich regelmäßig weggeduckt.
Eine bekannte und regelmäßig genutzte Formulierung aus der öffentlichen Verwaltung "Wenn ich das so gesagt habe, habe ich das so nicht gemeint", zeigt in sich die strukturelle Verantwortungslosigkeit. Sicherlich nicht bei allen und nicht in der Mehrzahl der Tätigen in der öffentlichen Verwaltung, aber bei wesentlichen Akteuren.
96177 (Profil gelöscht)
Gast
"Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen, Robert Schäfer, sagte dem NDR laut dem Bericht, dass er keine Erklärung habe, warum die Erkenntnisse zu Markus H. aus dem Jahr 2011 nicht übermittelt wurden. Ob es ein Fehler war, könne er heute nicht beurteilen, sagt Schäfer."
sprachlos