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Politiker-Daten im Netz veröffentlichtKalt erwischt

Teils seit Wochen waren die geleakten Daten im Netz. Die Cyberabwehr wusste nichts. Die Täter könnten zum rechten Spektrum gehören.

Jede Menge Daten von Bundestagsabgeordneten kursierten im Netz Foto: dpa

Es ist eine Attacke im ganz großen Stil: Persönliche Daten von rund 1.000 Personen aus Politik, Journalismus und Kultur sind von Unbekannten im Internet veröffentlicht worden. In fast allen Fällen wurden private E-Mail-Adressen und Handynummern publik gemacht; bei vielen Betroffenen auch Bankdaten, Wohnadressen und Kopien von Ausweisdokumenten.

In einzelnen Fällen sind darüber hinaus große Mengen E-Mails und private Chat-Nachrichten mit Familienmitgliedern abrufbar, die etwa über den Facebook-Messenger verschickt wurden. Die jüngsten Angaben stammen vom Oktober 2018. Nähere Angaben zu den Betroffenen oder gar Details aus den veröffentlichten Dokumenten veröffentlicht die taz mit Rücksicht auf deren Persönlichkeitsrechte nicht.

Betroffen sind PolitikerInnen von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken und FDP, nicht jedoch der AfD. BundesministerInnen, EU- und Bundestagsabgeordnete sind ebenso vertreten wie Landes- und KommunalpolitikerInnen. Unter den JournalistInnen finden sich vor allem VertreterInnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eigene Dateien gibt es etwa über die Moderatoren Jan Böhmermann, Oliver Welke und Christian Ehring, die sich alle regelmäßig gegen rechts positionieren. Inwieweit die Daten authentisch sind, wird derzeit noch geprüft. Zumindest viele der pu­blizierten Handynummern sind, soweit die taz dies überprüfen konnte, echt.

Veröffentlicht wurden die Daten im Kurznachrichtendienst Twitter über den Account @_0rbit. Dieser verschickte seit dem 1. Dezember in Form eines Adventskalenders täglich eine aufbereitete Liste mit Daten zu einzelnen Personen oder Medien, die neben persönlichen Daten meist Links zu weiteren Dokumenten enthielten. Ab dem 20. Dezember folgten Listen zu den einzelnen Parteien.

Obwohl der Account mehr als 17.000 Follower auswies, erreichte der Vorgang die Öffentlichkeit zunächst kaum. Das änderte sich erst am Donnerstagabend, als Unbekannte offenbar den Twitter-Account des YouTubers Simon Unge übernahmen und die persönlichen Daten der Prominenten an seine rund zwei Millionen Follower verbreiteten.

Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde das Cyberabwehrzentrum des Bundesinnenministeriums aufmerksam. Die Veröffentlichung sei dort „letzte Nacht bekannt geworden“, sagte ein Sprecher von CSU-Innenminister Horst Seehofer am Freitag.

Das ist ein Versuch, unsere Demokratie zu destabilisieren

Britta Haßelmann, Grüne

Das stieß unter anderem bei der FDP auf Verwunderung. Es müsse geklärt werde, „weshalb die Sicherheitsbehörden nicht auf das Datenleck aufmerksam geworden sind, obwohl personenbezogene Daten bereits tagelang im Netz kursierten“, forderte Generalsekretärin Nicola Beer. Das Bundesinnenministerium ließ Fragen, warum die Informationen nicht früher wahrgenommen wurden, am Freitag unbeantwortet.

Der Twitter-Account und der Blog, auf dem die Daten zunächst veröffentlicht worden waren, waren am Freitagmittag gesperrt. Auf anderen Servern konnten die Dateien aber teilweise weiter abgerufen werden. Ob es sich um einen Hackerangriff handele, könne „derzeit weder bestätigt noch dementiert werden“, sagte der Sprecher.

Regierungssprecherin Martina Fietz sagte, die Behörden arbeiteten „mit Hochdruck“ an der Aufklärung des Falls und kontaktierten derzeit alle Betroffenen. In die laufenden Ermittlungen eingebunden sind neben dem Bundesinnenministerium auch das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Innenminister Horst Seehofer erklärte am Nachmittag, nach einer ersten Analyse deute vieles darauf hin, dass Daten durch „die missbräuchliche Nutzung von Zugangsdaten zu Clouddiensten, zu E-Mail-Accounts oder zu sozialen Netzwerken erlangt wurden“. Es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass Systeme des Bundestages oder der Bundesregierung kompromittiert worden seien.

In den Beschreibungen zu den einzelnen Dateien finden sich teils abwertende Äußerungen. So werden einzelne Moderatoren als „sehr nervige ‚Satiriker‘“ oder auch als „GEZ-finanzierte YouTuber“ bezeichnet. ZDF-Moderator Jan Böhmermann, der sich mit seinem Projekt „Reconquista Internet“ explizit gegen rechte Dominanz in sozialen Medien richtet, wird genau dafür angegriffen.

Aus Sicht des Chaos Computer Clubs (CCC), in dem sich Hacker zusammengeschlossen haben, deutet darum vieles auf Urheber aus dem rechten Spektrum hin. „Die Leaks haben eine eindeutige politische Ausrichtung“, sagte CCC-Sprecherin Constanze Kurz am Freitag der taz. „Das sieht man an der Sprache, die in der Aufbereitung der Daten genutzt wird, und auch an den Zielen: Es sind viele Prominente, die sich deutlich gegen rechts positionieren, und andererseits keine Politiker der AfD.“

Böse Bescherung: In Form eines Adventskalenders wurden die Daten täglich veröffentlicht Foto: dpa

Die Daten seien sehr strukturiert aufbereitet. „Da hat sich jemand Zeit genommen“, meint Kurz. „Und offenbar hatten diese Leute auch keine Hemmungen dabei, sehr persönliche und private Informationen zu veröffentlichen.“

Die betroffenen Parteien werteten die Aktion als massiven Angriff auf ihre Arbeit. „Die Veröffentlichung persönlicher Daten ist ein schwerwiegender Angriff auf das Recht auf Privatsphäre und damit einen Grundpfeiler unserer Demokratie“, schrieb Justizministerin Katarina Barley (SPD) auf Twitter. „Die Urheber wollen Vertrauen in unsere Demokratie und ihre Institutionen beschädigen.“ Für die Grünen erklärte die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann: „Wir erleben einen erneuten, sehr ernst zu nehmenden Versuch, unsere Demokratie zu destabilisieren.“ Die Partei wolle sich davon aber „nicht einschüchtern lassen“.

Der Linken-Abgeordnete Jan Korte wertet die Aktion als Einschüchterungsversuch: „Wer private Angaben von Personen veröffentlicht, nimmt deren Gefährdung billigend in Kauf“, sagte er. „Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren.“

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15 Kommentare

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  • "Datensparsamkeit" wäre das Konzept welches Politiker jetzt vielleicht mal kennen lernen müssten: Nur mit den Daten die gesammelt werden kann Missbrauch getrieben werden.

    Da wäre die Politik gefragt: Dafür zu sorgen dass weniger Daten gesammelt werden. In den letzten Jahren hat sich die Politik ja oft genug eher für Datensammlung stark gemacht.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Also von „kalt erwischt“ kann ja nach dem letzten großen IT-Angriff auf die Bundesregierung (Bitte Erinnerung einschalten!) keine Rede sein. Eher wohl von „digital in Sachen Sicherheit weitergeschlampt“. Und damit das Herumgeschlampe auch so etwas wie einen professionellen Anstrich erhält, macht das dann das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik, kurz: BSI. Sozusagen der opperative IT-Arm der politisch Ahnungslosen in der Regierung. Wenn schon der Breitbandausbau nicht klappt, die Digitalisierung der Bildung klemmt - wieso sollte dann die IT-Sicherheit einer Regierung funktionieren?



    Was klappt sind sofortige Statements unserer politischen Führungskaste. Da wechseln sich dann Schlau und Oberschlau inhaltsfrei ab.

  • Von der AfD kann's doch keiner gewesen sein. So blöd ist bei denen niemand «(º¿º)»

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Solange die große und selbsternannte Weltnation USA hinten und vorne nicht weiß, ob und wieviele Hackerangriffe und Ausspähungen ihr von den Russen angetan worden sind, wird auch das kleine deutsche Innenministerium unter bayerischer Leitung keine Ahnung bekommen, wer die Tat getan hat.



      Vielleicht waren es Amerikaner. Die haben doch diese Super-NSA. Und da kommt doch Facebook und Twitter her, oder?

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Gerade die Behörden, die dem Innenministerium bzw. dem Bundeskanzleramt unterstellt sind, haben doch mit Bundestrojaner etc. am ehesten Zugriff auf all diese Daten. Jetzt wird aber mal wieder lang und breit von Hackerangriffen phantasiert. Die sind in diesem speziellen Fall aber das aller Unwahrscheinlichste. Neuland lässt mal wieder grüßen. Schwachmatismus als System war schon immer sehr bequem.

  • Ich erinnere mich da an die Aussagen der Digitalstaatsministerin aus dem Dezember.

    "Wir haben in Deutschland mit die strengsten Datenschutzgesetze weltweit und die höchsten Anforderungen an den Schutz der Privatsphäre. Das blockiert viele Entwicklungen im Gesundheitswesen, deshalb müssen wir da auch an der einen oder anderen Stelle abrüsten, einige Regeln streichen und andere lockern", sagte Bär der Welt am Sonntag. Die Deutschen seien "insgesamt bei allem zu zögerlich und zu sehr von Ängsten getrieben und gehemmt".

    Dann könnte beim nächsten Leak auch die Gesundheitsdaten der Leute gleich mitveröffentlicht werden...

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Und Frau Bär als Digitalspezialistin zeigt auch in ihrer Widersprüchlichkeit, wie unausgereift und mit blindem Vertrauen gesegnet die deutschen Politiker auf diesem Gebiet sind.



      Ich möchte nicht wissen, wann das erste gehackte selbstfahrende Auto (ein Computer mit 4 Rädern) in eine Menschenmenge rast und der Hacker sich zu Hause ein Bier auf macht.

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Und was hat die blöde Bär mit ihren Exotenmeinungen zu unnötigem Datenschutz nun mit anderen z. B. von Linken und Grünen gemein, die sowas überhaupt nicht befürworten?

        Mensch Leute, jetzt lasst doch mal dieses dümmlich-populistische Ausgekotze über "DIE Politiker", man bekommt ja Hirnkrämpfe beim Lesen dieses AfD-Niveaus.

  • "In die laufenden Ermittlungen eingebunden sind neben dem Bundesinnenministerium auch das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz."

    Ob letzteres wohl gegen seinen alten Chef Hans-Georg ermittelt? Würde irgendwie passen, wenn er es gewesen wäre.

  • Die Betroffenen haben wohl zumindest teilweise einfachste Hinweise zum Schutz von Daten nicht beachtet. Selbe Passwörter für unterschiedliche Online-Dienste. Keine 2Fach-Authentifikation.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    Ob die Frau Bär das jetzt immer noch so sieht?

    " „Wir haben in Deutschland mit die strengsten Datenschutzgesetze weltweit […]. Das blockiert viele Entwicklungen im Gesundheitswesen, deshalb müssen wir da auch an der einen oder anderen Stelle abrüsten, einige Regeln streichen und andere lockern“"



    www.taz.de/Dorothe...chutz-an/!5555284/

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die Pressekonferenz am 4.1. war ja ein einmaliger Witz. Erstmal, daß die Daten schon seit 4 Wochen kursieren, dann, daß keine AfDler dabei sind??? Da hat doch jemand den Datenbestand schon ganz genau durchgesehen mit dem AfD-Parteibuch zur Hand. Hat man sonst was festgestellt, ihr Datenbestandsbesichtiger?.



    Vielleicht ob Fleischesser, Bildzeitungsleser oder Amazonbesteller dabei sind?



    Ein grandioses Geschenk für den scheidenden Innenminister Seehofer, der hier nochmal seine volle Inkompetenz unter Beweis gestellt hat.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Natürlich haben die Hacker auch Daten der AfD. Die haben einfach einen breit angelegten Angriff auf eine ganze Cloud gestartet. Sowas macht man nicht zielgerichtet für ein paar hundert ausfewählte Accounts. Aus der Masse an Daten haben sie dann nur einen Teil veröffentlicht, und zwar genau die von Gegnern der AfD.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @91672 (Profil gelöscht):

      Seehofer, Dobrindt, Scheuer ...



      Mehr sag i ned.

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