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Polen und DeutschlandStreitfrage Reparationen

Beide Seiten haben gute Gründe für ihre jeweiligen Argumente. Die Herausforderung ist groß – aber es geht um grundlegende Versöhnung.

Baerbock besuchte während ihres Aufenthalts auch den Friedhof für die Aufständischen Warschaus Foto: Christoph Soeder/dpa

W issen Sie, wo sich das riesige „Sächsische Palais“ befand? Es stand im Herzen Warschaus. Der Barockpalast wurde einst vom polnischen König und sächsischen Kurfürsten August II. gekauft. 1944 sprengten ihn deutsche Soldaten in die Luft.

Die PiS-Regierung, die für ihre antideutsche Rhetorik bekannt ist, macht sich nun daran, das Palais wieder aufzubauen – gleichzeitig befinden sich aber die deutsch-polnischen Beziehungen in ihrer größten Krise seit Jahren. Die PiS fordert von Deutschland umgerechnet 1,3 Billionen Euro an Kriegsreparationen.

Warum diese kolossalen Zahlen? Nach 1939 wollte das nationalsozialistische Deutschland nicht nur Polen übernehmen, sondern das Land auch vollständig zerstören, was großenteils auch gelang. Nach dem Krieg erhielt der polnische Staat nie eine nennenswerte finanzielle Entschädigung für die Zerstörung.

Das lag zum Teil daran, dass Polen aufgrund der politischen Situation keine solchen Reparationen verlangen konnte. Moskau, das die wichtigsten Entscheidungen Polens nach dem Krieg kontrollierte, verlangte zunächst die Ablehnung des Marshallplans und dann – 1953 – auch den Verzicht auf Reparationen von Deutschland, im Gegenzug für die Übernahme der ehemaligen deutschen Ostgebiete durch Warschau. Die Entscheidung, die polnischen Grenzen von Osten nach Westen zu verlegen, wurde jedoch in Jalta ohne polnische Beteiligung getroffen.

Heute haben die deutsche und die polnische Seite ihre jeweils eigene Rechtfertigung für ihr Handeln: Die polnische Seite argumentiert, dass die beiden Länder nie einen Friedensvertrag geschlossen und die Folgen des Krieges nicht bilateral geklärt haben und dass der Verzicht von 1953 von der Sowjetunion diktiert wurde. Die deutsche Seite argumentiert, dass bisher keine demokratische polnische Regierung nach 1989 dieses Thema angesprochen habe und dass Deutschland die Reparationsfrage als abgeschlossen betrachtet.

Negative Stereotype

Wie könnte die ganze Angelegenheit enden? Ist der Vorschlag der rechtsnationalen PiS-Regierung nur das Ergebnis populistischer Rhetorik und wird er schnell wieder vergessen sein? Nicht unbedingt. Erstens sind die gegenseitigen negativen Stereotype in beiden Gesellschaften weiterhin groß. Polen und Deutsche haben einen sehr erfolgreichen Versöhnungsprozess auf der politischen Ebene hinter sich, aber das hat sich nicht in ein gegenseitiges Verstehen beider Gesellschaften niedergeschlagen.

Zweitens hat die Unentschlossenheit der Bundesregierung in den vergangenen Monaten in der Ukraine-Frage die moralische Autorität Deutschlands für viele Gesellschaften in der osteuropäischen Region, einschließlich Polens, untergraben. Das macht es viel leichter, die aktuellen finanziellen Forderungen zu akzeptieren – und so ist es auch zu erklären, dass der Reparationsvorschlag von der polnischen Mitte-links-Opposition nicht abgelehnt wird.

Drittens finden in Polen bald Wahlen statt, und so wird das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen, mit der moralischen Verantwortung der Letzteren für den Krieg und der scheinbaren Leichtigkeit, diese moralische Verantwortung in finanzielle Verpflichtungen umzuwandeln, in den kommenden Monaten für weitere Spannungen zwischen Deutschland und Polen sorgen.

Beide Länder stehen also vor ernsten Herausforderungen. Es geht um Versöhnung – aber dieses Mal eben auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Wir hoffen, dass die derzeitige Situation zu einem Neubeginn führen wird. Schließlich haben die beiden Länder nicht nur eine sehr schöne gemeinsame Geschichte, sondern sie könnten auch so viel gemeinsam politisch bewegen.

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7 Kommentare

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  • "Die Entscheidung, die polnischen Grenzen von Osten nach Westen zu verlegen, wurde jedoch in Jalta ohne polnische Beteiligung getroffen."



    Irre ich mich, oder waren die Deutschen da ebenfalls nicht beteiligt?



    Das jetzt bilateral auf's Tapet zu bringen, wirkt deshalb ein wenig eigen, oder?

  • Man könnte der polnischen Regierung ja anbieten sich ihrer Argumentation anzuschließen und ihren Forderungen nachzukommen. Dann werden sich auch die PiS-er nochmal überlegen ob ein solcher Transfer an Werten, der mangels liquider Mittel wohl nur mit der Übereignung oder Demontage von Sachwerten leistbar wäre und die deutsche Wirtschaft augenblicklich vaporisieren würde, womit Deutschland nicht nur als mit Abstand größter Handelspartner Polens, sondern auch als EU- und NATO-Mitglied erledigt wäre tatsächlich in polnischem Interesse wäre und wie sie wohl auf das zukünftige Verhältnis der Länder auswirken würde. Und was es für Polen und seine Grenzen im Osten wie Westen bedeutet wenn es heute erklärt sich an die Ergebnisse von Jalta nicht mehr gebunden zu sehen. Was dürften wohl Lukaschenko oder auch die baltischen Staaten von dieser Sichtweise halten?

    • @Ingo Bernable:

      Deutschland könnte die Reparationen auch als Sondervermögen über Schulden finanzieren.



      Das sind nur 1,3 Billionen zusätzlich zu den 2,3 Billionen Euro Staatsverschuldung die die BRD jetzt schon hat.



      Zwar würde damit der Schuldenstand auf 92% des Bruttoinlandsproduktes steigen, aber auch andere Länder in der Eurozone - z.B. Frankreich - haben hohe Schuldenstände.

      • @Alreech:

        Wenn das so einfach und problemlos ist sollte man das wohl machen. Am Besten wird wohl sein man legt noch ein paar weitere Billionen drauf um auch die griechischen Forderungen zu begleichen oder die des globalen Südens für 200 Jahre Klimaschädigung.

  • Wir müssen reden.

    Deutschland gilt in der Europäischen Union als halbherziger Bündnispartner. Die Regierung Scholz hat das sogar noch verschlechtert. Dass Deutschland sich berechtigten Forderungen nach Reparation wiedersetzt passt gut ins Bild. Ich bitte aber unbedingt daran zu denken, dass es nicht nur um Polen oder die Völker Osteuropas geht, die endlich entschädigt werden müssen. Auch Länder wie Griechenland drängen darauf, dass Deutschland endlich seine Schulden bezahlt.

    • @V M:

      Wie stellen Sie sich das vor? Rückabwicklung der Gebietsübergaben für Reparationen? Ich glaube das würde sich weder rechnen, noch irgendwen glücklich machen.

    • @V M:

      Deutschland könnte morgen das doppelte nach Warschau überweisen und diese Regierung würde Deutschland trotzdem noch bei jeder Gelegenheit angehen. Sie braucht dieses Bild eines Nazideutschlands, das immer nur danach trachtet Polen zu schaden aus innenpolitischen Gründen. Nun, wenn man sie schon nicht daran hindern kann, dann sollte man sie diesbezüglich freundlich aber bestimmt abweisen und gut ist.