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Polen ist Corona-HochinzidenzgebietDie Intensivbetten werden knapp

Die Neuinfektionen steigen rasant, ein Stadion dient als Covid-Noteinrichtung. Die Einreise nach Deutschland ist nur noch mit Negativtest möglich.

Auch in Warschau, Polen, marschierten Hunderte gegen Coronamaßnahmen auf Foto: Aleksander Kalka/zuma wire/dpa

Warschau taz | Die Zahl der Corona-Neuinfizierten wächst in Polen dramatisch an – zuletzt auf 21.849 innerhalb eines Tages. Krankenwagen fahren oft von einem Spital zum nächsten – auf der Suche nach einem freien Bett.

Am schlimmsten betroffen ist die Region Masowien mit ihrer Hauptstadt Warschau. Um hier neue Betten und qualifiziertes medizinisches Personal für die Intensivstationen zu gewinnen, wurde im Nationalstadion eine gigantische Noteinrichtung für Coviderkrankte eingerichtet. Außerdem gab der Verwaltungschef von Warschau Anweisung, das Institut für Tuberkulose und Lungenkrankheiten in die Notfallversorgung miteinzubeziehen. Doch dort ringt nun Prof. Tadeusz Orłowski die Hände: „Ich muss jetzt bei 90 unserer Patienten die längst geplanten Operationen bei uns absagen“, klagt er. „In ganz Masowien gibt es keine andere Klinik, in der diese Operationen durchgeführt werden.“

Das Robert Koch-Institut in Berlin hat Polen nun vom Risiko- zum Hochinzidenz-Gebiet hochgestuft. Dies hat Folgen für die Ausreise aus Polen nach Deutschland: jeder muss bereits an der Grenze einen Negativ-Test vorweisen können, der nicht älter als 48 Stunden ist. Für PendlerInnen, die im Nachbarland arbeiten, wohnen, studieren oder eine Ausbildung machen, gelten Ausnahmeregeln.

Doch auch sie müssen alle paar Tage einen aktuellen und negativen Test nachweisen können. Inzwischen forderte die Stettiner Pendler-Bürgerinitiative „Freie Grenzen – Wolne Granice“ Deutschland auf, die Kosten für die Tests zwischen 10 und 20 Euro pro Test ganz oder teilweise zu übernehmen, da diese mit der Zeit doch zu einem erheblichen Kostenfaktor würden.

Britische Mutante außer Kontrolle

Dass die Lage in Polen so sehr eskalieren konnte, hat mit der britischen Virusvariante zu tun. Als andere Staaten an Weihnachten bereits die Grenze für Reisende aus Großbritannien weitgehend dicht machten oder noch am Flughafen Massentests durchführten, ließ Polen die RückkehrerInnen aus Großbritannien einfach so ins Land. Rund um die Feiertage landeten in Polen zum Teil 200 Flieger pro Tag aus Großbritannien. Heute macht die hochansteckende britische Virusvariante rund 70 bis 80 Prozent aller Covid-19-Krankheitsfälle in Polen aus.

Mit einem erneuten landesweiten Lockdown will Polens Regierung die schwierige Lage in den Griff bekommen. Der Einzelhandel ist wieder geschlossen, geöffnet sind nur Apotheken, Drogerien und Lebensmittelläden. Auch Kinos und Theater sind wieder zu, ebenso Galerien, Museen, Schwimmbäder und Fitnessstudios. Kinder der Klassen 1 bis 3 können nicht mehr in die Schulen gehen und müssen wie die älteren Jahrgänge auf Fernunterricht umstellen.

Doch der Protest gegen die erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wird lauter. Denn die meisten kleinen und mittelgroßen Unternehmer haben von der versprochenen Staatshilfe noch nichts oder kaum etwas gesehen. Während manche trotz Verbot wieder ihre Betriebe öffnen und bereit sind, die Strafen zu zahlen, wollen andere noch bis zur Frühlingssaison warten, wenn auf Gärten und Bürgersteigen wieder serviert werden darf.

Wie schön das Leben ohne Covid-19 sein kann, machte den PolInnen ausgerechnet ihr Präsident Andrzej Duda vor, der seine Genesung mit einem ausgiebigen Skiurlaub in der Tatra feierte und immer wieder in fröhlicher Runde die Skipisten hinunterwedelte. Dies löste einen Massenansturm auf den Wintersportort Zakopane aus. Und jetzt – wieder zuhause – sind viele krank.

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