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Plattenfirma auf Distanz zu RammsteinKeine Werbung mehr für die Cashcow

Nun kündigt auch Musikkonzern Universal Konsequenzen aus den Vorwürfen gegen die bei ihm unter Vertrag stehende Band Rammstein an – und zeigt sich "schockiert".

Rammstein-Fans vor dem Konzertbesuch am 8. Juni in München Foto: Anna Szilagyi/epa

Zuletzt interessiert sich sogar das Kanzleramt für die Causa Rammstein. Nach Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen, die junge weibliche Fans dem Sänger der Berliner Schockrockband, Till Lindemann, während der laufenden Europa-Tournee gemacht hatten, ist die Empörung groß. Demnach soll es bei Aftershowparties der Band zu nicht einvernehmlichen Sex mit Frauen gekommen sein, teils möglicherweise unter Verabreichung von KO-Tropfen.

Die Frauen sollen von Vertrauten der Band regelrecht gecastet worden sein, allerdings wurden sie nicht über den Grund des Castings ins Bild gesetzt. Till Lindemann selbst leugnet die Vorgänge weiterhin und hat nun eine Anwaltskanzlei beauftragt, um gegen die „ausnahmslos unwahren“ Vorwürfe juristisch vorzugehen.

Nicht bekannt ist weiterhin, ob und inwieweit auch andere Bandmitglieder und Mit­ar­bei­te­r:In­nen von Rammstein von den Vorgängen wussten oder, ob sie möglicherweise daran beteiligt waren.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch Ermittlungen zu den Vorwürfen aufgenommen. Es lägen Tatvorwürfe „aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln“ vor. Weitere Angaben machte die Staatsanwaltschaft mit Bezug auf die Persönlichkeitsrechte der potenziell Geschädigten und des Beschuldigten nicht.

Anfang Juli sollen drei Rammstein-Konzerte im Berliner Olympiastadion stattfinden, vergangene Woche spielte die Band an vier Abenden hintereinander in München.

Wie am Mittwoch ebenfalls bekannt wurde, hat der Radiosender RBB den Podcast mit Rammstein-Keyboarder Flake vorläufig auf Eis gelegt. Denn der selbsternannte „Tastenficker“ wollte sich im Podcast trotz Bitten des Öffentlich-Rechtlichen Senders nicht zu den aktuellen Vorgängen äußern.

Auch das Majorlabel Universal Music zieht Konsequenzen. „Die Vorwürfe gegen Till Lindemann haben uns schockiert und wir haben den größten Respekt vor den Frauen, die sich in diesem Fall so mutig öffentlich geäußert haben“, teilte eine Sprecherin der Plattenfirma am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung mit.

„Wir sind davon überzeugt, dass eine vollumfängliche Aufklärung der Anschuldigungen, auch durch die Behörden, unbedingt erforderlich ist und ebenfalls im Interesse der gesamten Band liegen muss. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Recordings der Band bis auf Weiteres ausgesetzt.“

Auf der Universal-Website ist diese Meldung allerdings noch nicht verzeichnet. Nun aber will das Label die Alben der Band nicht mehr bewerben. Rammstein war eine Cashcow. Mehr als 20 Millionen Einheiten wurde von ihren Alben weltweit verkauft – davon allein in Deutschland 9,9 Millionen Exemplare.

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22 Kommentare

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  • Man könnte mir ein Ticket schenken - ich würde nicht hingehen. Abartig!

  • Zum Thema "Deutschland" von Rammstein:

    "Wer den Holocaust zu Marketingzwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch"

    Zitat: Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

    Ich finde, hier sollte die Plattenfirma endlich mal mehr Distanz zeigen, als nur die Vergewaltigungsvorwürfe.

  • Gegenwärtig braucht Rammstein doch gar keine zusätzliche PR. Zumindest den Namen dürften ja nun die meisten Bewohner Deutschlands kennen.



    Da würde ich als Plattenfirma auch nicht unnötig Geld ausgeben. ;-)

  • Das ist sicherlich ein guter erster Schritt, aber er darf auch nicht der letzte sein. Den »größten Respekt vor den Frauen, die sich in diesem Fall so mutig öffentlich geäußert (zu) haben« reicht nicht. »Universal« muss jetzt soziale Verantwortung übernehmen und den Opfern schnelle, unkomplizierte Hilfe anbieten. Einfach nur aussetzen und aussitzen reicht nicht.

    • @Tim Klabim:

      Mehr als verbale Solidarität und eine eigene Distanzierung von der Band würde ich nicht erwarten.

      Zum Einen halte ich es für gewagt, aus einem Plattenvertrag so einen "Eltern haften für ihre Kinder"-mäßigen Moralanspruch zu ziehen. Lindemann & Co. sind erwachsene, eigenverantwortlich handelnde Menschen, und wer gewerbsmäßig mit der Risikogruppe "Rockstars" zusammenarbeitet, wird sich dreimal überlegen, ob er da freiwillig einen Präzedenzfall schaffen möchte, der ihn auch zukünftig in die "Mithaftung" bringt.

      Zum Zweiten sind die vorgeworfenen Taten ja wenn dann auf After-SHOW-Parties (und nicht auf After-Recording-Parties oder Promotion-Aktionen für Platten) begangen worden. Die Zeiten, wo das Label im Musikgeschäft wie die Spinne in der Mitte des Netztes saß und Tourneen eigentlich nur dazu dienten, die aktuelle Platte zu bewerben, sind vorbei. Heute ist es eher andersherum. Live-Auftritte laufen in der Regel am Label vorbei und bringen auch mehr Gewinn als der Plattenverkauf. Warum also derart Verantwortung für etwas übernehmen, worauf man keinen Einfluss hat und woran man auch nichts verdient?

      Wenn überhaupt wäre aus meiner Sicht die Agentur in der Pflicht zu sehen, die die Tournee leitet.

  • "Nun aber will das Label die Alben der Band nicht mehr bewerben."

    Nicht das die Band momentan Werbung bräuchte. Selbst der letzte, der die Band noch nicht kannte, kann jetzt mal reinhören.

    Und wenn ich in der Stadt junge Frauen mit Rammstein-T-Shirts rumlaufen sehe ...

  • Nicht einvernehmlichen Sex nennt mensch übrigens Vergewaltigung.

    • @Brat:

      Und die 'Abgabe' von Betäubungsmitteln war vorgeblich eine verschwiegene Verabreichung, was Körperverletzung bedeutet.

  • "Denn der selbsternannte „Tastenficker“ wollte sich im Podcast trotz Bitten des Öffentlich-Rechtlichen Senders nicht zu den aktuellen Vorgängen äußern." - - > Beim RBB muss man sich mittlerweile echt fragen, ob die gerade diejenigen sind, die mit Steinen werfen sollten. Der Skandal um Frau Schlesinger ist kaum 3 Monate her und der RBB mauert bis heute.

    Ungeachtet dessen, ob sich die Vorwürfe als wahr oder unwahr herausstellen und ob Flake darin involviert war oder davon wusste, ist es sein gutes Recht zu laufenden (seit heute sogar strafrechtlichen) Verfahren zu schweigen.

    Natürlich ist es das gute Recht des RBB, laufende Produktionen einzustellen. Man wird den Eindruck aber nicht los, dass beim ÖRR wieder mal Wasser predigen, Wein saufen gilt. Von allen anderen fordert man maximale Transparenz, wo man selbst maximal mauert.

    • 0G
      09399 (Profil gelöscht)
      @Kriebs:

      Das ist Whataboutism. Du kannst mit dem Finger auf tausend Leute zeigen die auch schlimme Dinge machen. Das ändert nichts an den glaubwürdigen Vorwürfen gegen die Band (sie haben den Mist geduldet). Gut dass ein Typ, der die Gewalt jahrelang mindestens ignoriert hat, nicht mehr on air ist.

      • @09399 (Profil gelöscht):

        Nein das ist kein Whataboutism. Es geht konkret um den RBB und dessen double-standards bzw. dessen Doppelzüngigkeit.

        Es geht nicht darum, dass ihm seitens des RBB etwas vorgeworfen wird, man hat den Podcast abgesetzt weil er sich "trotz Bitten des Öffentlich-Rechtlichen Senders nicht zu den aktuellen Vorgängen äußern" wollte. Das ist der Vorwurf, die Nichtäußerung zu einem laufenden Verfahren. Nicht das, was Sie hierein orakeln.

        Ein auf Eis legen, mit der Begründung "Es gibt schwerwiegende und übereinstimmende Gerüchte über die Band und ihren Umgang mit Frauen, deshalb setzen wir den Podcast bis zur Sachaufklärung aus" wäre absolut berechtigt und nicht im Ansatz kritikwürdig. Es ist nur eben nicht die Begründung des Senders.

        Die Begründung des Senders ist das Anlegen eines Standards, den man selbst, im eigenen, noch laufenden Skandal nicht im Ansatz erfüllt. Und das Aufzeigen dieser Doppelzüngigkeit ist kein Whataboutism.

        Davon mal abgesehen, dass derzeit nicht klar ist, ob es Gewalt gab (zugegebnermaßen sehr wahrscheinlich), wissen wir ganz sicher nicht, dass Flake "der die Gewalt jahrelang mindestens ignoriert hat". Woher nehmen Sie diesen Level der Gewissheit?

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Gibt es eigentlich noch jemanden der Abwartet ob Vorwürfe bestätigt werden und ein Gericht jemanden verurteilt? Oder reichen im Jahre 2023 nur noch Anschuldigungen?

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Nachdem es sich hier weder um eine Frage der Geschmackssache wie bei der Fliege und dem Haufen oder dem Affen un der Seife handelt, da hier jeweils mindestens 2 Menschen beteiligt waren und das Ganze nun ja auch noch hinreichend im Internet (VK: Platz eins...till the end) selbstbelegt ist, sollte sich jeder (unabhängig von Gerichten und Geschmacksfragen) entscheiden, bevor er/sie dann hinterher angelaufen kommt: ich hab nix gewusst, oder noch schlimmer: es gab aber gar kein Urteil

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Ja, ich warte auch erstmal ab…

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Hier, ich

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Das Ganze ist keine juristische Debatte, es ist eine gesellschaftliche, eine zwischenmenschliche. Es sollte wirklich niemandem schwer fallen, das was da passiert ist, hochgradig widerlich und abstossend zu finden —— vollkommen egal ob und wie ein Gericht das eventuell später mal juristisch beurteilt.

      Um mit den jungen Frauen und Mädchen zu fühlen, die das durchmachen mussten sollte niemand zuerst noch eine richterliche Vorladung brauchen. Dafür reicht es im Zweifel auch einfach nur das Herz an der richtigen Stelle zu haben.

      Es geht hier auch gar nicht nur um Lindemann sondern um den Umgang seiner gesamten Entourage mit diesen Exzessen. Das war (ist?) hochgradig frauenfeindlich und ganz generell menschenverachtend. Von allen. Und alle sind dafür verantwortlich. Die Band, die ihn machen lässt, weil sie ohne ihn nichts wäre. Die »Agentin«, die ihm junge Frauen und Mädchen in die Umkleide geschubst hat. Die Securityfirma die weggeschaut hat, was da Backstage so passiert. Das Plattenlabel das mit ihm viel Geld verdient hat und deswegen nicht eingeschritten ist. Die Anwaltskanzlei die jetzt aggressiv gegen alles und jede*n vorgeht um Opfer einzuschüchtern und potenzielle Whistleblower*innen abzuschrecken. Dieses ganze Supportsystem das ihn auch jetzt noch schützt anstatt Verantwortung zu übernehmen.

      Um das alles Scheisse zu finden sollte niemand eine richterliche Anordnung brauchen, oder zuerst die Urteilsbegründung lesen wollen. Dafür braucht es nur Empathie, gesunden Menschenverstand und -- wenn man Rammstein-Fan oder sonst wie mit der Band involviert ist -- ein bisschen Courage.

      • @Tim Klabim:

        Die Unschuldsvermutung hat einen Sinn, der über die rein juristische Wertung hinausgeht: EGAL welchen Schluss man aus diesen Taten zieht - er ist verfrüht, wenn man gar nicht sicher sein kann, dass sie überhaupt so stattgefunden haben. Die Ausrede "Wir sind ja hier nicht vor Gericht." reicht nicht, um den "Soforturteilenden" davor zu bewahren, dem Beschuldigten unrecht zu tun. Der erste Eindruck - auch wenn die Juristen dafür natürlich wieder einen schnieken Latein-Begriff haben - ist auch im ganz normalen Leben NUR der erste Eindruck.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Im persönlichen Umfeld würde bei Vorwürfen dieser Art niemand behaupten: „juristisch gilt die Unschuldsvermutung, deshalb halte ich mich da raus bis das gerichtlich geklärt ist“. Dass das hier gefordert wird, liegt doch allein an der Idealisierung durch die Fans. Ich persönlich finde es wichtig, hier Position zu beziehen, gerade bei der Menge an Personen die die Anschuldigungen eidesstattlich decken. Ich habe tatsächlich eher Angst, dass die Band und Management sich mit Geld und Abmahnungen da irgendwie rauswinden kann. Sollte am Ende rauskommen, das alles Blasphemie ist, entschuldige ich mich gerne. Keinen Falls will ich mich aber bei den Frauen entschuldigen müssen, dass ich ihren Erzählungen nicht glauben wollte, nur weil ich mir nicht eingestanden habe, dass das zur Schau gestellte Chaos der Band doch keine Fiktion ist.

      Hinsichtlich der Pauschalisierung des RBB, das jeder versucht seinen Arsch zu retten ist verständlich. Das keine involvierte Person auspackt ist traurig. Wenn jetzt aber jeder Person die Dreck am Stecken hat (und wenns nur Spritzer sind), sich grundsätzlich nicht mehr äußert, dann gute Nacht!

      • @Jugend:

        "Im persönlichen Umfeld würde bei Vorwürfen dieser Art niemand behaupten:..."

        Der Vergleich hinkt. Im privaten Umfeld hat man im Zweifel viel besseren Zugriff auf die Fakten und die Beteiligten - und die wieder den Schutz ihrer Privatsphäre vor den Einmischungen, Urteilen und Mutmaßungen irgendwelcher Außenstehender.

        "Personen des öffentlichen Lebens" wie Till Leindemann genießen diesen Schutz nicht. Das ändert aber nichts daran, dass Sie und ich und alle Anderen hier nur Außenstehende sind, die VIEL weiter weg vom konkreten Sachverhalt sind als das private Umfeld der Beteiligen oder eben auch ein Gericht, das den Fall behandelt. Wir aben nur das Hörensagen von Leuten, die wir nicht wirklich einschätzen können (bzw. von denen unsere Einschätzungen zu erheblichen Teilen zwangsläufig von Vorurteilen geformte Mutmaßungen sind). Das reicht aus meiner Sicht NICHT, um sich ein Urteil anzumaßen.

        (Das gilt natürlich umgekehrt auch für Alle, die Lindemann & Co. per se für unschuldig halten, weil sie auf Rammstein als Musikgruppe stehen.)

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Nee. Jetzt rettet sich, wer kann, um ja auf der sicheren Seite zu sein. Aber ehrlich gesagt, mochte ich nie (sexuell) gewaltverherrlichende Musik, auch beim Rap. Da klingelts doch direkt.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      "Gibt es eigentlich noch jemanden der Abwartet ob Vorwürfe bestätigt werden und ein Gericht jemanden verurteilt?"



      Ja, z.B. ich. :)



      Ich bin aber weder Politiker, Jurist, Influencer oder sonst jemanden, der irgendwie Einfluß hat. Daher ist es wurscht.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Sie reichen vorerst👍