Plan für Graben um Reichstag: Sumpf mit Bachblüten
Zur Sicherheit soll nun ein Graben vor den Reichstag. Eine gute Idee – zumindest zur Renaturierung, mit Wasser und Seerosen. Aber gegen Nazis?
Eine Bachblüten- und Metalltherapeutin hat also eine krude Versammlung aus Nazis, Reichsbürgern, Trump- und Putin-Fans sowie vermutlich Globuliabhängigen und Echsenmenschenkritikern dazu gebracht, den Reichstag zu stürmen. Genauer: Sie hat diese paar hundert Volkskörper motiviert, einige Treppenstufen zu erklimmen, um sich dann von beherzten Polizisten zurückdrängen zu lassen. Das also sollte der „Sturm auf den Reichstag“ sein? Angepfiffen von einer „undeutsch“ frisierten Frau, mit bloßen Händen von drei Wachtmeistern abgewehrt? Wenn das der Führer wüsste!
Trotzdem ist das Entsetzen groß. Das darf nie wieder passieren, heißt es allerorten. Weshalb ein schon seit Jahren geplantes, aber im üblichen Berliner Verwaltungstrott bislang versumpftes Sicherheitskonzept rasch verwirklicht werden soll – ein zehn Meter breiter und 2,5 Meter tiefer Graben, der das Volk zuverlässig abtrennt von „Dem Deutschen Volke“.
Die Idee hat Charme. Den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlagen! Bislang waren es eher die Reichsbürger selbst, die um irgendwelche Baracken in von wieder heimisch werdenden Wölfen bevorzugten Ödländern pompöse Wehranlagen errichtet haben, auf dass kein Mitglied der BRD GmbH ihnen in den maroden Hühnerstall blicke.
Und es ist doch der Held der unsicheren QAntonisten, the Real Donald Trump, der stets die Errichtung massiver Grenzen verlangt. Berlin habe schlechte Erfahrungen mit Mauern gemacht, schrieb der Regierende Bürgermeister dem amerikanischen Präsidenten deshalb einst – und hat daraus jetzt etwas überraschend den Schluss gezogen, dass man dann beim nächsten Mal halt einen Graben nimmt. Wegen der Aussicht, vermutlich.
Wie eine Horde Nacktmulle
Was denn das für eine Symbolik sei, jammern nun die ewigen Bedenkenträger, den Sitz der Repräsentanten des deutschen Volkes vor den anderen Repräsentanten des deutschen Volkes mit mitteralterlichen Befestigungsanlagen abzugrenzen? Wozu habe man einst eine für Offenheit stehende gläserne Kuppel auf den ollen Angeberbau geflanscht, wenn man die Leute jetzt laut eben jenem neuen Sicherheitskonzept allen Ernstes wie eine Horde Nacktmulle durch unterirdische Gänge zum Hohen Haus krabbeln lassen will?
Andererseits bietet sich symbolisch einiger Gestaltungsspielraum. Der Graben ließe sich mit Wasser füllen, wodurch ein schönes renaturiertes Feuchtgebiet entstehen könnte – ein erstes schwarz-grünes Vorzeigeprojekt auf Bundesebene! Wenn der Reichstag über der Wasserfläche aufragt, erinnert er ohnehin an eine prächtige Seerose, da könnte man ergänzend noch ein paar Bachblüten drauf herumtreiben lassen, und schon würde die nächste Reichstagsstürmerfraktion sich im Lotussitz zum Sonnengruß vor dem Parlament versammeln, statt auf den Stufen Krach zu schlagen.
Aber wenn das jetzt die neue Taktik gegen Rechtsextreme ist – bekommt dann jeder Vertreter der Lügenpresse auch so einen Graben vors Haus? Stellen wir jedem von rassistischen Cops gebeutelten, irgendwie „undeutsch“ aussehenden Bürger zum Ausgleich einen Ordnungshüter aus der Bauserie der guten Polizisten von der Bundestagstreppe vor die Tür?
Das Problem mit Nazis, Reichsbürgern und Wissenschaftsleugnern ist aber ja nicht, dass sie an prominenter Stelle plötzlich sichtbar werden. Das Problem mit ihnen ist, dass es sie gibt. Und dass sie das tun, was sie normalerweise tun, wenn sie mal nicht gerade für Pressefotos vor symbolischer Kulisse posieren: nämlich Andersdenkende, Andersaussehende und Schwächere diskriminieren, verprügeln und ermorden, sie zu infizieren oder ihnen die Lebensgrundlage zu zerstören.
Dagegen hilft kein Graben vor einem Gebäude, dagegen hilft nur die Befestigung des gesellschaftlichen Bollwerks durch Bildung, Aufklärung und Sozialarbeit einerseits sowie konsequente Strafverfolgung andererseits.
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