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Plädoyer für billige SchokoladeSchluss mit Advents­kalendern voller unnützer Dinge!

Adventskalender für Erwachsene, vollgestopft mit Lippenstiften, Gewürzen oder Sextoys, boomen. Profitieren tut davon vor allem die Industrie.

Das waren noch Zeiten, als der Adventskalender nur aus Bildern bestand Foto: Frye/dpa

A dventskalender sind ein wahres Fest – für diejenigen, die sie vertreiben. Wer sich derzeit in Geschäften und Onlineshops umschaut, stellt fest: Fast jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, bietet einen Adventskalender an. Von Red Bull über Kosmetikmarken bis zu Erotikshops: Alle preisen sie „ihre“ Adventskalender an. Amazon spuckt mehr als 20.000 Suchergebnisse aus, wenn man nach einem sucht.

Wer tiefer in das Rabbithole der Adventskalender eintaucht, erkennt schnell, dass es wirklich alles gibt: Kerzen, Gewürze, Wein, Parfüm, Bier, Getränke, die nicht Bier sind, Sexspielzeug, Nagellack, Sudoku, Proteinriegel. Für die lieben Vierbeiner Leckerlies oder Spielzeug. Ein Erotikversandhandel bietet sogar gleich drei Optionen an: einen Kalender für erfahrene Paare, einen für unerfahrene und einen für alle – Preisspanne zwischen 70 und 210 Euro.

Waren Adventskalender nicht mal was für Kinder? Seit wann öffnen Erwachsene eigentlich Türchen, um sich das Warten auf Weihnachten zu vertreiben? War die Frage damals nicht, ob man sich für die Billigvariante des Discounters entscheidet, mit kleinen Schokofiguren, für die Mittelklassevariante von Milka oder doch für die Luxusvariante von Lindt, kennt die Auswahl von Adventskalendern im Jahr 2025 schier keine Grenzen mehr.

Vor ein, zwei Jahrzehnten schien sich die Zielgruppe von Adventskalendern noch auf die lieben Kleinen beschränkt zu haben

Spielehersteller haben die Lücke schon länger erkannt und Lego- oder Playmobil-Adventskalender auf Kinderkanälen beworben. Doch vor ein, zwei Jahrzehnten schien sich die Zielgruppe von Adventskalendern noch auf die lieben Kleinen beschränkt zu haben, heute hingegen gibt es auch einen von Porsche, bei dem man sich eine Miniatur des Modell Turbo 911 während der Weihnachtszeit zusammenbauen kann.

15 Euro für 24 Teebeutel

Es gibt Kosmetikadventskalender, bei denen man hoffen kann, dass die Produkte, die nicht zum individuellen Hauttyp passen, wenigstens bei der nächsten Weihnachtsfeier im Betrieb oder Freundeskreis verwichtelt und nicht unbenutzt weggeschmissen werden. Von der Vogue gibt es 24 Türchen mit Cremes und Masken, für 425 Euro – Warenwert laut Angaben des Herausgebers: 1.850 Euro! Hat mal einer nachgerechnet, ob das stimmt? Was nicht stimmen kann: 15 Euro für 24 Teebeutel.

Nehmen wir mal an, dass die Angaben zu den „Ersparnissen“ stimmen und man der Logik folgt, dass man echt spart, wenn man sich das Zeug nicht einzeln gekauft hat – dann sollte man sich immer noch fragen, ob man die 24 Türcheninhalte wirklich alle gekauft und gebraucht hätte.

Und wenn dann der Kalender einer bestimmten Marke knapp einen Monat im Wohnzimmer oder auf dem Küchentresen steht, profitieren die Unternehmen doppelt: durch Umsatz und von der kostenlosen Werbung in den vier Wänden des Käufers.

Weihnachten als Stressfest

Wer noch vom Kalender-Hype profitiert, sind Influencer; mit ihrem Unboxing von Adventskalendern auf Social Media (apropos Social Media: Einen Kalender mit Dubai-Schokolade gibt es mittlerweile auch). Und die schier unendliche Auswahl an Adventskalendern macht Weihnachten noch stärker zum Stressfest für alle, die in der Weihnachtszeit nicht sowieso schon jeden Euro umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen.

Wer der metaphorischen Konsumtanne die Spitze aufsetzen möchte, kauft während dem seit einiger Zeit zur Black Week ausgerufenen Black Friday den Adventskalender der Wahl im Sonderangebot. Neben all dem anderen Zeug, das kein Mensch je wirklich braucht.

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Klaudia Lagozinski
Nachrichtenchefin & CvD
Immer unterwegs. Schreibt meistens über Kultur, Reisen, Wirtschaft und Skandinavien. Meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch und Schwedisch. Seit 2020 bei der taz. Master in Kulturjournalismus, in Berlin und Uppsala studiert. IJP (2023) bei Dagens ETC in Stockholm.
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13 Kommentare

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  • Allerdings ist es so, wie eine Marktcheck-Sendung ergab, dass gerade die Schokoladenkalender im Vergleich zu normaler Schoki viel zu teuer sind, während ausgerechnet die Kosmetikkalender die größten Ersparnisse im Vergleich zum Einzelkauf bieten.

    Die Hersteller nutzen das, um Überproduktion los zu werden.

  • Nicht zu vergessen ist der Adventskalender, wo man sich über 24 Tage ein Taschenmesser zusammenfriemeln kann. Das hat zumindest noch den Nutzen, daß man seine Weihnachtsgeschenke aufschlitzen kann. 😁



    Aber mal ehrlich, in einer Welt des Kommerzes ist es doch nicht verwunderlich, wenn alles nur noch als Geldquelle genutzt wird. Da wird halt auch vor Feiertagen nicht halt gemacht.

  • In meiner Kindheit, die schon eine Weile her ist, dominierte noch der Adventskalender in seiner Urform: Jeden Tag hinter dem Türchen ein Bibelspruch. Das mag jetzt bigott klingen, aber für mich als Kind war das interessanter als die Adventskalender mit Schokolade, die es damals auch schon gab. Vielleicht sollte man sich wieder daran orientieren; es müssen ja nicht nur Bibelsprüche sein.

  • Der geneigte Leser fragt sich jetzt ob die Toys für erfahrene Paare jetzt teurer sind oder die für die Anfänger?

  • Das ist nicht das Ende.



    Gibt schon den AfterXmas Kalender (Weleda).



    Bisher nur fünf Tage.



    Das ist noch ausbaufähig.



    Nach Weihnachten ist vor Weihnachten.



    Warum nicht den 362 Tage Kalender?



    Gerne auch von der Pharmaindustrie, abwechselnd Nahrungsergänzung und Abnehmspritze.

    • @fly:

      Lol

  • Also ich finde das zum Kniffeln für meine Frau und mich gut. 🙂 Da muss man wirklich mal ruhig bleiben und die Menschen machen lassen was sie wollen denke ich.

  • Diese Adventskalender sind der größte Unsinn.

  • Wie immer:



    Unnützer tand ist überall. Und kaufen um des Laufens willen ist Mist.



    Aber ich als Erwachser darf und WILL meine Spaß habe.

    Gerade in der Adventszeit ist es doch schön, sich miteinander zu befassen. Und wenn ich da jeden Tag das Modell weiterbaue, hat das was schönes und motivierendes, wenn jeden Tag Teile dazukommen.

    Wenn ich mich als Neuling und Experimentierfreudiger auf einen toy-Kalender einlasse , kann ich neue Seiten entdecken, meine Grenze testen

    Genauso der Kosmetik-Kalender. Gibt’s für 16-20 Euro, praktische Reisegrösse . Davon bin ich seit 2 Jahren an den Wochenende mit leichtem Gepäck unterwegs. Hat sich also bei mir rentiert.

    Übrigens gibt’s den Teekanne schon für 3-4 Euro 🥰 sehr cool wenn man viele verschieden Sorten einfach mal testen will.

    Wichtig ist eigentlich doch nur eins, und das will doch eigentlich derartigem sagen: nicht unnötig einfach kaufen. Schauen was passt, was man gebrauchen kann. Was man auch nutzt, was einen dauerhaften Mehrwert hat für einen persönlich und was keine kurzfristige Befriedigung gibt und dann in der Ecke liegt. kann man nachsehen, was enthalte ist,

    Also ein Plädoyer für den bewussten Konsum!

  • Wenn ich die Eigenschaft der Konsumenten, durch die die Industrie am meisten profitiert, beim Namen nennen würde, wäre die Nettiquette wahrscheinlich nicht einverstanden.

    • @Erfahrungssammler:

      Indem Sie die Eigenschaften der Konsumenten, durch die die Industrie am meisten profitiert, nicht genannt haben, haben Sie ein breites Gratisgrinsen verschenkt, Dankeschön! :)



      Das innere Giggeln hält mich jetzt schön warm, jeden Tag irgend so etwas Schönes und es wird ein guter Advent!

  • Genau. Ich bin noch mit Adventsketten aufgewachsen, nicht Konsumware von der Stange, sondern 24 kleine Dinge, zum Spielen, Essen, je nach Alter für die Schule (lustiges Ratzefummel etc) oder Alltag, und so weiter, richtige Überraschungen. Aber das braucht eben Zeit und Einfälle.

    • @Jo Lang:

      Ja, danke für den Kommentar, ewig nicht mehr an Adventsketten gedacht!!!