Die Adventskalender werden immer dicker: Jedem Türchen sein Pläsürchen

Schokolade war gestern. Längst gibt es Adventskalender in allen Ausführungen. Vom Craft-Beer über Angelzubehör und Würste bis zum Katzenfutter.

Ein leerer Adventskalender

Adventskalender früher: Flache Gebilde, hinter deren Türen Schokoladentäfelchen befinden Foto: Lucas Bäuml/dpa/picture alliance

Und, was war bei Ihnen hinter dem ersten Türchen? Bei mir waren es kleine Häuser. Oder so was Ähnliches, denn ich habe einen Postkarten-Adventskalender in Hundertwasser-Lookalike-Optik und die Türchen sind nur fingernagelgroß. Meine Mutter hat ihn mir mit der Briefpost geschickt, sie macht das seit mehr als zwanzig Jahren, eine schöne Tradition.

Derart traditionell aufgestellt, denke ich bei nicht selbst gebastelten Adventskalendern bis heute an flache Gebilde, hinter deren Türen sich Bilder oder Schokoladentäfelchen befinden. Dabei sind die Kalender längst fett geworden. Wann? Keine Ahnung, vielleicht zur gleichen Zeit, als sich die Kindermagazine am ­Kiosk von zweidimensional (ein buntes Heft aus Papier) zu dreidimensional (ein buntes Heft, darauf ein Plastikspielzeug) aufblähten. Vielleicht schon früher. Unzweifelhaft aber sind sie es, koffergroß stapeln sich die Kalender im Supermarkt, gefüllt mit Überraschungseiern, Haribo-Tütchen oder Marzipanbroten.

Bei Süßigkeiten bleibt es natürlich nicht. So gibt es zum Beispiel, passend fürs taz-Milieu, auch Tee-Adventskalender, jeden Tag ein Beutel. Durst bekommen? Dann ist der Craft-Beer-Adventskalender vielleicht das Richtige, mit 24 Flaschen und einem Glas, oder vielleicht lieber gleich die Whisky-Variante für den guten Start in den Tag.

Andere Kalender sind gefüllt mit Gewürzmischungen, Legofiguren, Wurstsorten, Angelzubehör, Knete, Porridge, Fisherman’s Friends, Pringles, CBD-Produkten und, und, und, dazu kommen die drölftausend Varianten mit Kosmetika und Pflegeprodukten. Es gibt auch Kalender für Heim­wer­ke­r:in­nen (hinter jedem Türchen ein Akkuschrauber-Bitaufsatz), für Katzen (jeden Tag ein Leckerli), ja sogar für Männer (Sekundenkleber, Mini-Wasserwaage, Rasiergel usw.).

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Die Preise für diese XXL-Kalender sind dabei gern mal dreistellig, aber: Man spart ja noch viel mehr! An zahlreichen Stellen im Internet wird schnäppchengeilen Kunden vorgerechnet, wie hoch bei einzelnen Kalendern die Differenz vom Preis zum Einzelwarenwert der 24 Inhalte ist. Für die Hersteller rentiert es sich natürlich trotzdem. Denn so ein Adventskalender ist als Abwurfstation für Produktsamples ein ganz hervorragendes Kundenbindungs- und Bedürfnisweckungstool.

War das jetzt zu viel turbokapitalistischer ­Firlefanz? Fehlt Ihnen irgendwie die Besinnlichkeit? Kein Problem. Da empfiehlt sich, je nach Typ, ein Erotik-Adventskalender („Toys, Stimulierendes, Body & Care & Soft-­Bondage“) oder der Kalender „Achtsamkeit im Advent“ („24 kleine Impulse und Übungen“). Ich ­wünsche eine gnadenbringende Vor­weihnachtszeit!

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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