piwik no script img

Philosophie und KlimaschutzKants kategorisches Klimagesetz

Das Klimaschutzgesetz von 2019 war ja brutaler Öko-Stalinismus der Ex-DDRlerin Merkel. Gut, dass das neue Gesetz Menschen vom Zwang zum Klimaschutz befreit.

Stell dir vor, es geht um Klimaschutz, und Keiner hört hin Foto: Christoph Hardt/imago

I ch würde mich jetzt gern auch mal auf Immanuel Kant berufen, wie es derzeit alle machen. Aber dafür reicht es bei mir normalerweise nicht, ich bin nicht besonders sattelfest, was abendländische Philosophie angeht. Bei mir klopft die Aufklärung eher ungefragt und ungewaschen an. So wie diese Woche, als ich feststellte: Diese Regierung und ich, wir machen völlig andere Erfahrungen mit unseren Mitmenschen.

Bei mir sah das so aus: Ich war lange unterwegs, kam abends hungrig und müde nach Hause. Da lebe ich mit vier erwachsenen Menschen. Und es gab zu Hause: kein Brot. Keine Milch. Niemand hatte etwas eingekauft, keiner eine Idee zum Kochen. Alle haben sich so gern, dass sie sich auf die anderen verlassen. Erfolg bei der Lebensmittelversorgung: so mäßig.

In der Ampel-WG würde so etwas nie passieren. Da hätte der Robert für den Volker ungefragt dessen Lieblingsmohnbrötchen besorgt. Olaf hätte für Lisa vorgekocht, Annalena für Christian nicht nur die gewünschten sechs, sondern sogar neun Milliarden Kekse gebacken. Dann ist es eben auch kein Problem, ein Klimaschutzgesetz so zu verändern, wie es die regierende Fortschritts-WG diese Woche im Bundestag verabschieden will: Alle wollen das Ziel erreichen, jeder hilft dem anderen, keinem tut es weh.

Denn das Gesetz von 2019 war ja schon brutaler Öko-Stalinismus der Ex-DDR-Bürgerin Angela Merkel: Jahresziele für jeden Sektor, Sofortprogramme bei Nichterfüllung; wer den Einjahresplan nicht erfüllt, wird öffentlich ausgepeitscht und muss seine Versäumnisse aufholen. Das ganze Klimaschutzgesetz, entworfen von der Klima-Stasi SPD unter tätiger Beihilfe der Christdemokraten, die willenlos den Befehlen ihres Öko-Papstes Franziskus folgen, atmete diesen Ungeist der Unfreiheit: Jeder und jede muss handeln! Und zwar sofort! Sonst setzt es was!

Druck weg, die Ziele des Gesetzes zu erreichen

Das war vielleicht im finsteren Mittelalter der schwarz-roten Klimaideologen durchzusetzen. Aber nicht mit der Aufklärungskoalition aus SPD, Grünen und FDP. Denn der liberale Geist siegt. Er weiß: Menschen brauchen Freiheit, keine Gängelung. Sektorziele, etwa im Verkehr, erreichen wir besser, wenn keiner genau hinschaut. Und: Menschen helfen sich gegenseitig, auch wenn es gar nicht geht. Andere Sektoren geben ihre hart erarbeiteten und teuren CO2-Reduktionen gern an den Verkehr ab, der sich gar nicht erst anstrengt, seine Emissionen zu senken. Er hatte ja auch eine echt schwere Kindheit.

So erreichen wir das Ziel des Gesetzes. Und wenn nicht – auch nicht schlimm, aber wir haben es wenigstens nicht ernsthaft probiert. Die Freiheit vom Zwang zum Klimaschutz ist uns allemal mehr wert als die Freiheit der verwöhnten allerletzten Generation, sich in Europa vor Dürre und Hochwasser sicher zu fühlen.

Huch, jetzt sind wir doch bei Kant und seinem kategorischen Imperativ gelandet. Das bedeutet ja wohl: nur nach der Maxime zu handeln, von der man will, dass sie „ein allgemeines Gesetz werde“. Also hier: jeglichen Druck wegzunehmen, die gesetzlichen Ziele zu erreichen. Zu akzeptieren, wenn sich einer für das Ziel des Gesetzes nicht interessiert. Die eskalierende Klimakrise nur ernst zu nehmen, wenn gerade nichts anderes zu tun ist. Blind dem Minister neben mir zu vertrauen, auch wenn der dafür seit zwei Jahren und trotz Mohnbrötchen keinen Anlass liefert. Und dann auf diese Weise ein gemeines, äähhh, allgemeines Gesetz zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Interessant wäre es schon, die Nestoren und Protagonisten des Deutschen Idealismus zu aktuellen Themen befragen zu können.



    Ich denke, dass es eine Kategorie "kongeniales Duo" gibt, das beachtenswerte Beiträge geleistet hat für die Rechtsphilosophie. In der Wirkung: Hegel ohne Kant zu verstehen ist vice versa gar nicht möglich für viele Zusammenhänge heutiger Auffassungen.



    Dazu fand ich passend im Netz:



    "Hegel schreibt sich zu, eine Philosophie der spekulativen Vernunft aufgestellt zu haben, während Kant beim Verstandesdenken stehen geblieben sei. Die Forschung ist sich uneins, ob in der Gegenwart eher Kant oder Hegel gelte. Das ist auch gut so. Aus heutiger Perspektive sind Kant wie Hegel herausragende Zeugen der Philosophiegeschichte, deren Werke bedeutende systematische Potenzen in sich bergen. Hegels Philosophie beruft sich implizit und explizit vielfach auf Kant. Zahlreiche Kontexte von Hegels Denken werden erst dann leichter zugänglich und verständlicher, wenn man den Kantischen Subtext freilegt."



    Quelle



    medienportal.univi...-antwort-auf-kant/

  • Ich bin also nicht der Einzige, der in letzter Zeit morgends WDR3 hört :)

  • Es gibt keinen Öko-Stalinismus!

    • @Wolfgang Dr. Dahlke:

      Einfach mal bei Wikipedia "Sarkasmus" eingeben...!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Menschen helfen sich gegenseitig, auch wenn es gar nicht geht."



    Ja. „Fabian beugte sich über das breite Geländer. Er sah den Kopf des Kindes und die Hände, die das Wasser schlugen. [….] Da zog er die Jacke aus und sprang, das Kind zu retten, hinterher. [….] Am Ufer rannten aufgeregte Leute hin und wider. Der kleine Junge [Volker] schwamm heulend ans Ufer. Fabian [Olaf/Robert - nach Wahl einsetzen] ertrank. Er konnte leider nicht schwimmen.“ (Erich Kästner) -

  • Die Sektorziele waren von vornherein Unsinn. Es muss grundsätzlich mit Priorität dort an Emissionen gespart werden, wo dies am effizientesten möglich ist, nicht mit der Gießkanne.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @PeterArt:

      Sparen mit der Gießkanne... 😄



      Kann es sein, dass Sie Gießkanne und Rasenmäher verwechseln? Oder beschreiben Sie die Arbeitsweise des „Gärtners" Wissing?

    • @PeterArt:

      Da bin ich ganz anderer Meinung: durch die Allgemeinheit ist wieder keiner verantwortlich, die Klimaziele einzuhalten. Und noch dazu kommt: nicht der Sektor, welcher am einfachsten und effizientesten sparen könnte, muss einsparen, sondern der, wessen Minister*in sich nicht stark genug durchsetzt. Es lebe Darwin in der Politik... Leider hilft das der Menschheit zur weiteren guten Existenz nicht weiter, denn da kickt Darwin leider auch rein - und das wird die Politik dann auch nicht mehr lösen können...

      • @froggela:

        Häng ein hinreichend hohes Preisschild an die Tonne CO2, dann funktioniert die Steuerung nach Effizienz ganz automatisch.

  • Wissing hat nicht nur nicht den Kühlschrank mitbefüllt, sondern sogar geplündert, ohne Scham, obwohl der Penny um die Ecke gewesen wäre.

    Die Leistung der Lindner-FDP im Kabinett ist erschreckend, auch wenn die FDP darin leider rechnerisch nötig ist und bleibt.

  • Man kann die Regierung aber auch verstehen. Wenn sie das Gesetz jetzt nicht ändern würden, dann müsste Wissing ja ein Sofortprogramm auflegen. Also nicht im Sinne von was machen, aber echte Vorschläge für echte Maßnahmen die echt kommen werden verkünden.



    Und nichts ist für Politiker schlimmer, als zu sagen, was man machen will. Speziell vor Wahlen ist der genau falsche Zeitpunkt dafür.



    Niemand hat die Absicht der Bildzeitung eine Grundlage für Schlagzeilen wie DER A U T O H A M M E R zu geben.



    Der Wähler ist halt konsequent genug, sich über Politiker zu beschweren, die nichts sagen oder nichts machen, aber zum Ausgleich, Politiker, die was sagen oder machen nicht mehr zu wählen.

  • Hey Mister Fatalist, look at Anton Hofreiter...



    Ansonsten ziemlich treffend