Personalwerbung für die Bundeswehr: Gefährlich verengter Blick
Die Bundeswehr soll an Schulen mehr Präsenz zeigen, geht es nach Eva Högl. Das ist problematisch - Soldat:in sein ist eben kein normaler Job.
E s herrscht Krieg in Europa. Die Bundesregierung pumpt ganz selbstverständlich Milliarden in die Landesverteidigung. Aber gehört zur Zeitenwende auch die Normalisierung der Einsätze der Bundeswehr? Die Tätigkeit als Soldat:in als gewöhnliche Berufsoption? Geht es nach Verteidigungsminister Boris Pistorius oder der Wehrbeauftragten Eva Högl, dann lautet die Antwort: Ja. Pistorius will für die Nachwuchsgewinnung Praktika bei der Truppe für junge Menschen anbieten. Högl will, dass die Arbeit der Bundeswehr stärker in den Schullehrplan einfließt. Werbeverbote für die Bundeswehr an Schulen sehen beide kritisch.
Ihre Haltungen sind bitter. Junge Menschen, Berufsanfänger:innen, brauchen Orientierung für die Berufswahl und ein breites Spektrum an Ausbildungsangeboten. Kommen mit den Werbekampagnen für die Bundeswehr auch die Kampagnen für eine Ausbildung bei Friedensinitiativen, beim THW, für den Katastrophenschutz – also für die Bereiche, die ebenso für die viel beschworene Resilienz des Landes sorgen? Sicher nicht.
Und ob bei der Verherrlichung von Technik, von Disziplin und Ordnung tatsächlich gleichermaßen diskutiert wird, dass Tod und Überleben fundamentaler Bestandteil des Jobs sind? Zweifelhaft. Der Fokus auf militärische Aufrüstung blickt gefährlich verengt auf die geopolitischen Veränderungen unserer Zeit.
Die Personalnot in der Bundeswehr ist unbestritten. Bis 2031 sollen 20.000 neue Soldat:innen gefunden werden. International hat die Bundesregierung Zusagen gemacht. Die Zeit läuft also, um neues Personal zu gewinnen. Auch deshalb läuft in diesen Tagen die PR-Maschinerie der Bundeswehr auf Hochtouren; soziale Medien werden mit markigen Botschaften vom Air-Defender-Manöver geflutet.
Der Tag der Bundeswehr am vergangenen Samstag an bundesweit zehn Standorten wurde zum Volksfest mit Truppenschau. Ja, es herrschen andere Zeiten als noch vor dem 24. Februar 2022, also vor dem brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Normalisierung der Bundeswehr schreitet voran, deren kritische Beleuchtung und Alternativen allerdings nicht.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Verhandlungen mit den Grünen
Und was ist mit dem Klima?
Sondierung und Klima
Ein Kapitel aus dem Märchenbuch
Grünen-Realo Sergey Lagodinsky
„Vollgas in die Sackgasse tragen wir nicht mit“