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Patentfreigabe von Corona-ImpfstoffenAnhörung im Gesundheitsausschuss

Was für und was gegen die Patentfreigabe bei Corona-Impfstoffen spricht, dazu äußern sich am Mittwoch Sachverständige im Bundestag.

Impfstoffproduktion bei Biontech in Marburg Foto: Boris Roessler/dpa

Während Ex­per­t*in­nen in Deutschland bei rund 75 Prozent geimpfter Bevölkerung von hohen Impflücken sprechen, haben in Ländern mit geringem Einkommen erst etwa 10 Prozent zumindest eine Impfdosis bekommen. Das berechnete die Datenplattform „Our World in Data“.

Ein heiß diskutierter Ansatz, um die Impfquote auch in diesen Ländern zu erhöhen, lautet: Den Patentschutz für die Corona-Impfstoffherstellung zeitlich begrenzt aufzuheben. Darüber sprechen am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags mehrere Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung. Die Fraktion der Linken hatte beantragt, dass die Bundesregierung eine Freigabe des geistigen Eigentums an der Impfstoffproduktion, Coronatests und Therapiemitteln bei der Welthandelsorganisation (WTO) unterstützt.

Das haben „schon vor über einem Jahr Indien und Südafrika bei der WTO beantragt“, erklärt Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken. Ohne Patentschutz könnten Hersteller die Impfstoffe weltweit produzieren, sagt sie. Doch die Bundesregierung lehnt eine Patentfreigabe bisher ab.

Wenn der Antrag bei der WTO angenommen wird, müssten Pa­tent­in­ha­be­r*in­nen in Deutschland voraussichtlich dulden, dass Dritte ihre Erfindungen nutzen. Doch zukünftig könnte beim Entwickeln von Medikamenten das Geld fehlen, weil die Gewinnaussichten von In­ves­to­r*in­nen gefährdet wären, hieß es im Januar aus dem FDP-geführten Justizministerium auf eine schriftliche Anfrage der Linksfraktion.

Die Rolle der Bezahlbarkeit

Die Grünen hatten im vergangenen Mai, als sie noch in der Opposition saßen, ebenfalls gefordert, dass die Bundesregierung sich für eine Patentfreigabe positionieren soll. Damals hatte sich US-Präsident Joe Biden dazu entschlossen, eine Lockerung des Patentschutzes zu unterstützen. Doch mittlerweile hat sich die Position der Grünen geändert und sie haben Bedenken.

Deutliche Bedenken gegen eine Freigabe der Patente äußert auch der Sachverständige Axel Metzger, Rechtsprofessor der Berliner Humboldt-Universität, vor der Anhörung. Eine Freigabe allein versetze „noch niemand in die Lage, technisch komplexe Impfstoffe herzustellen“, so Metzger in seinem Statement. Aktuell wäre die Patentfreigabe daher keine schnelle Hilfe. Zudem sei die Impfstoff- und Medikamentenherstellung nicht durch Patente blockiert, schätzt Metzger.

Anders klingt das im Statement der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die ebenfalls zur Anhörung geladen wurde. Patente seien potenzielle rechtliche Risiken für Unternehmen, die in Südafrika mRNA-Impfstoffe produzieren.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller führt an, nicht die Produktion sei das Problem, sondern die Verteilung. Das Verimpfen in armen Ländern laufe schleppend, viel liege auf Lager. Teils würde Produktion halbiert „mangels Bestellungen“. Doch dabei spiele die Bezahlbarkeit eine Rolle, führt Ärzte ohne Grenzen an. Nicht nur bei Impfstoffen, sondern auch bei Medikamenten oder Diagnostika. Es sei inakzeptabel, dass „zur Verfügung stehende Mengen künstlich verknappt werden“.

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5 Kommentare

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  • Indien, USA, Südafrika haben nicht bei WHO sondern WTO beantragt, Corona Impfstoff Patentrechte auszusetzen während WHO definiert pandemischer Lage globaler Tragweite. Ampel Regierung hat sich Dezember 2021, entgegen WHO Rat, unabgestimmt mit EU aus epidemischer Lage nationaler Tragweite verabschiedet. WHO unterstützt WTO Antrag, entgegen EU, Schweiz, Deutschland, das mit 560 Millionen € Steuergeldern Anteilseigner mRNA Technologie aus der Krebsforschung Corona Impfstoffproduzent BionTech ist, beteiligt an dessen Gewinn in 2021 von 13 Milliarden €/anno, was 20 % deutsches Wirtschaftwachstum in 2021 abbildet.

    Es geht darum, dass sich Politik, Pharmaindustrie, RKI, Gesundheitsminister*nnen, bei uns seit Dezember 2021 SPD Karl Lauterbach, mit lange seit 2012 nach Sars Endemie in Saudi Arabien 2002, die glückhaft nicht zur Pandemie wurde, vorliegender Expertise ehrlich machen, nicht nur auf gegenwärtige Corona Pandemie und deren Abklingen reflektieren, sondern wahrnehmen, dass die Welt sich in Zeiten unaufhaltsamen Klimawandels durch Menschenhand, egal, ob wir Pariser Klimaabkommen Ziele erreichen oder nicht, durch Aufheizen der Erdatmosphäre Viren aus angestammten Lebensräumen in Lebensräume von Menschen drängen, mit absehbar gesundheitlich, ökonomisch weit verheerend pandemischen Folgen unerforschter Viren, deren Varianten, Ansteigen globaler Übersterblichkeit, politisch international aufgestellt, in globaler Verantwortungsgemeinschaft Instrumente wie befristetes Aussetzen von Kampfhandlungen auf allen Kriegsschauplätzen, Aussetzen von Impfstoff Patentrechten bereit halten, vorsorglich in vielen Ländern aller Erdteile Personal, Finanzen, Material, Beatmungsgeräte, Intensivbetten, mobile, stationäre Impfzentren, Impfstoffproduktion Kapazitäten, Impfstoff Lieferketten vorhält, Weltbeewvölkerung ausreichend mit Impfstoff zu versorgen, statt wie geschehen, Impfstoff aus Deutschland, EU, Great Britain, USA kurz von Verfallsdatum in Pose Erbarmen mit den Armen spenden

  • @DIMA

    Sie haben sich offensichtlich nicht mit Patentrecht herumgeschlagen. Sie haben keine Ahnung, wieviel Rechtsunsicherheit darin steckt.

    Und was für ein Zusatzaufwand es bedeutet, bei einer technischen Neuentwicklung mögliche Patentverletzungen zu umschiffen.

    Die Leute aus Südafrika würden nicht behaupten "wir haben keine Ahnung, ob wir Patente verletzen, aber wir versuchen es trotzdem". Die Unternehmenskommunikation würde ihnen etwas husten...

  • Hmm. Vor ca. zwei Wochen gab es im Deutschlandradio ein Interview mit den Entwicklern des mRNA Impfstoffes. Darin hieß es, dass die Enwicklung ohne jede Patentverletzung veraufe und man auf einem guten Weg sei. Dies widerspricht den Auskünften von Ärzte ohne Grenzen.

    Neuraligisch wäre demnach lediglich der Aufbau von Produktionskapazitäten und Lieferstrukturen.

  • Warum nur vertraue ich da der Aussage von "Arzte ohne Grenzen" ungleich mehr als der Axel Metzgers? Oder... erst recht der Gebetsmühle der FDP?

  • Nicht allein die Patentfreigabe hat für Probleme gesorgt. Während der Vertragsverhandlungen mit Herstellern, wurde seitens Ländern wie z.B. Peru, Albanien und Süd-Afrika ein Passus im Vertrag bemängelt, der sämtliche Haftbarmachung seitens des Herstellers ausschloss. www.thebureauinves...frica-vaccine-deal



    Auszüge aus dem Bericht: "Unredacted draft contracts between Pfizer and the Dominican Republic, Albania and Peru show that the company sought to be indemnified against problems at any step of the supply chain – including packaging, manufacturing and storage. Experts told the Bureau it was “unreasonable” to require governments to pick up the bill for any negligence by Pfizer." [...] "Mkhize wrote that the government was “relieved” when Pfizer eventually conceded and removed the “problematic term”. He added: “As government we found ourselves in a precarious position of having to choose between saving our citizens’ lives and risking putting the country’s assets into private companies’ hands.” "