Parteinahe Stiftungen: Schluss mit der Scheinheiligkeit
Bei den parteinahen Stiftungen sind radikale Kürzungen nötig. So ist auch ein bisschen Geld für die Erasmus-Stiftung der AfD verkraftbar.
M an muss der AfD fast dankbar sein. Ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, mit der sie Staatsgeld für ihre Desiderius-Erasmus-Stiftung bekommen wollte, hat Aufmerksamkeit auf das undurchschaubare Finanzierungssystem der parteinahen Stiftungen gelenkt. Die Karlsruher RichterInnen verlangen nun ein Stiftungsgesetz, in dem die Geldflüsse klar geregelt sind.
Konrad-Adenauer-, Heinrich-Böll-Stiftung und die anderen sind merkwürdige Konstruktionen. Bis auf die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung sind sie rechtlich gesehen ganz normale eingetragene Vereine, aber sie nennen sich Stiftung, weil es wohl besser klingt. Ihr Budget wird zwischen den Parteien im Haushaltsausschuss des Bundestags ausgehandelt – und die Summen gehen jedes Jahr deutlich nach oben. 2019 bekamen die Stiftungen stolze 660 Millionen Euro, 2011 waren es noch 423 Millionen. Dass sich eine rechtsradikale Partei mit eigener Stiftung etabliert, war im klandestinen Tauschgeschäft nicht vorgesehen.
Die Stiftungsarbeit durchzieht eine große Scheinheiligkeit. Reisen zu internationalen Kongressen, Trainings für den Politiknachwuchs – das steht eigentlich allen Interessierten offen, aber in der Realität landen in den Programmen merkwürdigerweise fast immer nur Funktionäre oder Mitglieder der Mutterpartei.
Die begrifflichen Verrenkungen sind bisweilen bizarr: Der Schlüsselbegriff der Friedrich-Ebert-Stiftung ist „soziale Demokratie“ – nicht Sozialdemokratie. Ein Buchstabe genügt, um sich formal von der SPD abzugrenzen, damit das Bundesverfassungsgericht nicht nervös wird, denn offiziell dürfen die Stiftungen keine Parteiableger sein.
Problematischer Einfluss im Globalen Süden
Offiziell geht es um politische Bildung, in Wahrheit sind die Stiftungen Vorfeldorganisationen der Parteien, informelle Parteischulen und Auffangbecken für PolitikerInnen nach einem Karriereknick. Besonders problematisch ist das Unwesen der internationalen Aktivitäten in den zahlreichen Auslandsbüros. Mit dem vielen Geld, das sie in „Projekte“ stecken, können die Stiftungen in finanzschwachen und fragilen Ländern gehörigen Einfluss nehmen. Woher nehmen sich mit Staatsgeld gepamperte deutsche Vereine, pardon: Stiftungen, eigentlich das Recht, im Globalen Süden zu sagen, wo es langgehen soll?
Hier ein Lösungsvorschlag: Das Geld sollte radikal zusammengestrichen werden, 10 Prozent der bisherigen Mittel reichen völlig aus. Das frei gewordene Geld sollte dahin umgelenkt werden, wo es der politischen Bildung wirklich nützt: in Schulen in benachteiligten Vierteln. Dann wird das Stück vom Kuchen, das die Erasmus-Stiftung womöglich bekommt, nicht der Rede wert sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom