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Parteien und Pandemie-EindämmungAlle verlieren

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Statt sich auf die Coronabekämpfung zu konzentrieren, verlieren sich Ampelpartner und Union im Parteiengerangel. In der Krise hilft das niemandem.

Qua Amt noch für Corona zuständig: Gesundheitsminister Jens Spahn am Donnerstag im Bundestag Foto: Annegret Hilse/reuters

E rst mal das Positive. Es ist im Prinzip richtig, dass die Parlamente und nicht die Regierungen über die Coronamaßnahmen befinden. In Notstandssituationen geraten die checks and balances aus dem Gleichgewicht – zuungunsten des Parlaments und zugunsten der Exekutive. Das ist keine Stilfrage. Gut also, den epidemischen Notstand durch ein reguläres Gesetz zu ersetzen.

Aber warum jetzt? Warum so hektisch? Die Ampel hätte damit warten müssen, bis sie regiert und Corona unter Kontrolle ist. Doch es musste ganz schnell gehen, die FDP wollte unbedingt einen Erfolg. Nun steigen seit Wochen die Infektionszahlen. Statt sich auf die praktische Corona-Bekämpfung zu fokussieren, die törichte Abschaffung der kostenlosen Tests und die Schließung von Impfzentren schnell wieder rückgängig zu machen, denkt die Ampel seit Wochen darüber nach, welche Anti-Corona-Maßnahmen man abschaffen könnte. Die FDP schwärmt schon vom Freedom Day im März – wenn endgültig alle Corona-Maßnahmen eingemottet werden.

Die Ampel hat dann doch noch gemerkt, wie irre es ist, über das Ende der Pandemie zu schwadronieren, wenn die Intensivbetten knapp werden. Im Infektionsschutzgesetz gibt es nun, im allerletzten Moment noch geändert, einiges von dem, was abgeschafft werden sollte. Wenn das politisches Timing der Ampel immer so glänzend ist wie bei diesem Gesetz, wird sie nicht lange halten.

Bei der Opposition in spe sieht es nicht besser aus. Faktisch enthält das neue Infektionsschutzgesetz jetzt fast so viele Instrumente wie zuvor. Doch die Union kokettiert damit, das Gesetz im Bundesrat zu stoppen. Das würde bedeuten: noch länger Rechtsunsicherheit, dafür Zeitverlust. Dass die Union Lockdown und Schulschließungen gar nicht in Erwägung ziehen will, zeigt: Es geht nur um Taktik. Das Boot rast auf Stromschnellen zu, die Union möchte erstmal einen Vermittlungsauschuss einberufen. Ein Veto des Bundesrats würde die Blamage der politischen Klasse komplettieren.

Die Ampel verdient kein Mitleid

Die Union wirft der Ampel vor, Parteipolitik zu machen. Die Ampel wirft der Union vor, Parteipolitik zu machen. Wer hat Recht? Beide. Es gibt Sternstunden des Parlaments. Die erste Schlacht zwischen Ampel und Union gehört nicht dazu. Denn sie war geprägt von Rechthaberei und einem kleinteiligen blame-game, das in der Krise niemand braucht.

Für die Ampel ist das ein denkbar mieser Start. Aber sie verdient kein Mitleid, denn all das hat sie selbst verschuldet. SPD und Grüne haben sich von der FDP in die erst beste Sackgasse jagen lassen. Wenn dies das Muster der Ampelregierung wird, wird diese selbst ernannten Fortschrittskoalition schnell Geschichte sein. Die Union droht derweil mit Fundamentalopposition per Bundesrat.

Man kann fragen, wer sich da gerade mehr blamiert. Man kann es auch lassen. Es gibt in diesem Spiel keinen Gewinner. Alle verlieren. Die politische Klasse büßt an Ansehen ein, die Pandemiebekämpfung verliert Zeit. Was macht Olaf Scholz eigentlich beruflich?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein schönes Bild für die "Handlungsfähigkeit" dieser und der nachfolgenden Regierung!

  • Wir haben drei Katastrophen (die niemand wahthaben will oder sie wird verharmlost):



    1. Die fortgeschrittene Klimakatastrophe



    2. Die Pandemie



    3. Ein Parteiensystem, das keine fähigen Persönlichkeiten mehr in die Politik bringt.



    In welcher Reihenfolge müssen 'wir' jetzt handeln ? Die Nieten ersetzen oder ist es schon zu spät ?

  • Ja, die Politik hat sich blamiert - alle verlieren, völlig richtig. Ich denke aber, dass es noch übler ist. Nicht nur die Politik, auch die Bürger blamieren sich, zeigen, dass es sinnlos ist auf Vernunft zu setzen. Genau da liegt der Hase im Pfeffer - Politiker wollen wieder gewählt werden - also faseln sie den Leuten nach dem Munde. Das ist genau was geschehen ist. Es gab schlicht wenig Grund anzunehmen, dass die Pandemie durchstanden sei. Es war immer bekannt, dass das Virus sich verändert, dass die Impfung nicht vor Ansteckung sondern vor Krankheitslast schützt und es hätte allen präsent sein können was der eigentlich Grund hinter den Entscheidungen war - nämlich, das Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Es war einfach dummes Zeug von Freedom-Day etc. zu reden, wenn doch klar ist, dass dieser Bereich noch immer zum Zerreißen gespannt ist (auch völlig ohne Corona!).Aber das Schlimmste ist doch folgendes: Nicht mal jetzt wird Klartext geredet (nehmen wir den Montgomery und den Wieler mal aus und vllt den Lauterbach). Wahrscheinlich ist in meinen Augen folgendes: Auch eine 100% Impfung wird die Weltgesellschaft vllt nicht zurück in den Vor-Pandemie-Status bringen. Das Virus verändert sich -wahrscheinlich-, die Intensivstationen werden auch in 12 Monaten mit den selben Dingen zu kämpfen haben. Masken, Testen und Acht-Geben werden zum Alltag dazu gehören -lange!-, es werden internalisierte Kulturtechniken werden. Sind das jetzt Dinge, die man erwachsenen Menschen nicht sagen darf? Kann man das nicht verkraften? Wo sind die Bürger, die von der Politik erwarten das Richtige zu tun, nicht das was "schön" wäre...?

  • Mit dem Begriff der politischen Klasse gehe ich sparsam um, er ist ja doch zweideutig, aber die Prokrastination, die Ignoranz und die Beratungsresistenz kennzeichnen schon eine bestimmte Personengruppen mit Privilegien, deutlich über dem Durchschnitt bei Bildungsabschlüssen, Einkommen und Machtoptionen. "Politik als Beruf(ung)", wir müssen uns ernsthafte Gedanken machen um die Ergebnisse der Wahlen und die Bewertung von Blockaden sowie parteipolitisch instrumentalisierte Incompliace in der Krise. Über inhaltlich entleerte oder ins Gegenteil verkehrte Parteinamen mit "C" kann frau/man sowieso oft nur den Kopf schütteln.



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    taz.de/Harald-Welz...mpf-2021/!5799346/



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  • Ich glaub der Olaf macht gerade noch sein "Ich will Kanzler werden an Stelle der Kanzlerin"-Praktikum bei der Kanzlerin. Ich glaub das Praktikum dauert noch paar Jahre (oder Jahrzehnte). Na ja, egal, solange der Lindner stellvertretend die Geschäfte der Ampel führt, kann man die "Low-Performance" schon nicht der SPD anlasten ... und in vier Jahren ist dann ja endlich BT-Wahl!

  • Äh,wieso wurden die größten Verlierer nicht Mal genannt? Die Menschen die ihr Leben verlieren? Weil es kein Intensivbett gibt und sie ne Stunde durch die Gegend gurken müssen um eins zu finden, was bei so Sachen wie Autounfall, Schlaganfall oder so nicht unbedingt ne gute Sache ist?



    Meschen die sich anstecken trotz social Distanzing und allem weil das Virus Mal wieder überall lauert? Was ist mit diesen Menschen?

  • beruflich kam mal von berufen. kam. mal.



    läuft n rotes männlein, aufm arm zwei grüne kätzchen, und vorn zerrt n gelber hund an der leine. ain't the dog deciding the walk. or is ist ?