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Parteien diskutieren über ISMit Waffen Tragödien beenden?

Die Bundesregierung hält sich zu Kobani zurück. Die Linkspartei streitet, ob man den Kurden militärisch helfen soll.

Wer einen UN-Militäreinsatz fordere, gehe damit „naiv den Lügen der US-Propaganda auf den Leim“, so Sahra Wagenknecht (Linke) Bild: dpa

BERLIN taz | In der Angelegenheit Kobani gibt sich die Bundesregierung derzeit betont wortkarg. Denkt man über Waffenlieferungen an die syrische Kurdenorganisation YPG nach, die vom IS-Terror bedrängt wird? Da sei „nichts geplant“, beschied Frank-Walter Steinmeiers Pressesprecher knapp. Und Druck auf die Türkei? Bloß nicht.

Es sei „wohlfeil, von hier aus der Türkei Ratschläge zu erteilen“, so die Version des Außenministeriums. Will sagen: Dass Ankara die Terrormiliz IS und die kurdische Miliz YPG, den syrischen Ableger der PKK, gleichermaßen als Feinde behandelt, stößt in Berlin derzeit auf eine gewisse Nachsicht.

In den Oppositionsparteien sind indes hektische Debatten ausgebrochen – auch, vielleicht gerade weil man dort so gar nichts tun kann. In der Linkspartei gab es bei der Fraktionssitzung am Dienstag Krach. Ein Dutzend Realos forderten in einem in sperrigem Linksparteijargon verfassten Aufruf einen Militäreinsatz zur Rettung der Kurden in Nordsyrien, mandatiert vom UN-Sicherheitsrat. Realistisch ist das kaum. Dass Russland einer Militärmission in Syrien mit US-Beteiligung zustimmt, ist schwer vorstellbar.

Praktikabel oder nicht – in der Fraktion ging es am Dienstag so laut her wie lange nicht. Fraktionsvize Dietmar Bartsch, der den Aufruf unterzeichnete, sagte der taz am Mittwoch: „Kobane ist ein ähnlicher Fall wie Ruanda oder Osttimor. Man muss alles tun, die dortige Tragödie zu beenden.“ Und: „Die Bombardierungen von IS-Stellungen durch die USA sind völkerrechtswidrig. Ohne diese wäre allerdings die Lage noch katastrophaler.“

Ist die Linke Friedenspartei?

Mit Waffen Tragödien beenden? Verständnis für US-Bomben, auch wenn sie IS gelten? Für manche Genossen ist das starker Tobak. Seit dem Ausbruch der Ukrainekrise klammern sich viele Genossen noch fester daran, die einzige Friedenspartei im Bundestag zu sein. Die Front läuft nicht mehr zwischen West und Ost: Auch manche pragmatischen Ostlinken halten Frieden ohne Wenn und Aber für einen Identitätskern.

Entsprechend scharf kanzelt Sahra Wagenknecht, Kopf des linken Flügels, den Realo-Aufruf ab. Wer wie Bartsch & Co einen UN-Militäreinsatz fordere, gehe damit „entweder naiv den Lügen der US-Propaganda auf den Leim“. Oder noch schlimmer: Das Ganze sei nur der Versuch „die friedenspolitischen Positionen der Linkspartei zu schleifen und so das Eintrittsbillett für eine künftige rot-rot-grüne Bundesregierung zu lösen“. Ein Fall von Verrat also. Schon in der Fraktionssitzung wurden die Genossen um Petra Pau und Stefan Liebich als Wiedergänger von Joschka Fischer attackiert.

Auch die Parteilinke Ulla Jelpke lehnt den Vorstoß der Realo-GenossInnen ab. Es sei „grundsätzlich falsch“, sich um ein Mandat des UN-Sicherheitsrates für einen Militärschlag zu bemühen. Die USA und Russland seien „mitverantwortlich für das Desaster“ und könnten daher nicht Retter sein. Für den linken Flügel ist es schlicht unvorstellbar, einen Militäreinsatz mit UN-Mandat mit US-Truppen zu fordern.

Ulla Jelpke, Expertin für Kurden, sieht aber auch scharf das Desaster in Nordsyrien. „Die Türkei will das selbstverwaltete Kurdengebiet fallen sehen“, so Jelpke zur taz. Daher müsse die Bundesregierung die Türkei drängen, „Waffenlieferungen an die Kurden in Syrien“ zuzulassen. Deshalb müsse Berlin damit drohen, ansonsten „die Gespräche mit der Türkei über die EU-Mitgliedschaft auszusetzen“. Wie viel das nutzen würde, ist fraglich: Die Beitrittsverhandlungen zwischen EU und Türkei kommen seit neun Jahren nicht vom Fleck.

Grüne stören sich an Türkei

Bei den Nachfolgern von Joschka Fischer wird die Debatte weniger heftig geführt. Viele Grüne halten, wie Jelpke, die Türkei für das Hauptproblem. Claudia Roth wirft dem türkischen Präsident Erdogan vor, „die Kurden in ihrer Selbstständigkeit zu schwächen“, indem er die IS-Miliz gewähren lasse. Es gebe „mehr und mehr“ IS-Trainingscamps in der Türkei. Das sei eine „dreckige Politik“, so Roth. „Da muss die Nato auf den Tisch hauen.“

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir wirft der Türkei eine „zynische Strategie“ vor, sie wolle vor allem die PKK schwächen. Man müsse sich mit dem Nato-Partner endlich auf das „Ziel Nummer eins“ verständigen – die Verhinderung eines islamistischen Gottesstaates.

Dafür plädiert Özdemir im Notfall für eine Bodenoffensive und militärische Unterstützung für die syrischen Kurden. Er sei „unverdächtig, ein Freund der PKK zu sein“, so Özdemir. „Ich hatte schon Polizeischutz wegen der PKK.“ Dennoch dürfe man „jetzt keine Haarspalterei betreiben, welche Kurden man unterstützt“. Sonst lebe niemand mehr, wenn die Hilfe komme. Doch die Mehrheit der Grünen tickt offenbar anders. Wie bei der Debatte über Waffen an die Kurden im Irak steht Özdemir in der Fraktion vermutlich wieder ziemlich allein.

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13 Kommentare

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  • wäre Joselkarl noch bei den Grünen Chef, die BW würde längst Gewehr bei Fuss stehen, die Linken können lange diskuttieren, kein Mensch gibts was auf ihre Meinung-ein Mandat bei der UN, man erspart sich die Blamage und gibt liebr Persilscheine aus,-die Fehler, die man damals 1920? bei dem Aufteilen des osmanischen Reiches und der Absetzung von Saddam, sag ich mal, rächen sich jetzt, dazu die komplette Ignoranz des Westen gegenüber dem Rest der Welt und nachdem man Putin als neuen Feind installiert hat, fällt Russland eben als Friedensstifter aus, tja, wie löst man die Quadratur des Arabischen Kreises !?

  • "Dass Russland einer Militärmission in Syrien mit US-Beteiligung zustimmt, ist schwer vorstellbar."

     

    Wieso wird in dem Artikel eigentlich so getan, als müsste eine militärische Operation zur Unterstützung der Kurden zwangsläufig unter dem Sternenbanner stattfinden? Die USA sind doch nicht das einzige Land mit einer Armee auf der Welt.

     

    Gerade aus Russland komme doch Signale, dass man gemeinsam gegen den IS vorgehen will. Eine Ausbreitung dieses "Staates" würde ja Russland viel mehr bedrohen als die USA.

     

    Ich denke, dass sich die Amerikaner nicht um ein Mandat des Sicherheitsrates bemühen, weil sie dann mit den anderen Mitgliedern des Sicherheitsrates zusammen arbeiten müssten und nicht nebenbei noch am Sturz der syrischen Regierung arbeiten könnten.

     

    Außerdem bedarf es nicht unbedingt Truppen. Die Kurden sind fest entschlossen, ihre Heimat zu verteidigen. Ein Sicherheitsratsbeschluss, der Waffenlieferungen und logistische Hilfe beinhaltet, reicht vollkommen. Aber genau das will man im "Westen" nicht. Das schlimmste was nach Ansicht unserer Häuptlinge passieren kann, ist dass die Menschen in der Region ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

  • "Was in dem Schlaf für (Alp)träume kommen mögen.."

     

    "Or to take arms against a sea of troubles,

    And by opposing, end them? To die: to sleep;

    No more; and by a sleep to say we end

    The heart-ache and the thousand natural shocks

    That flesh is heir to, ’tis a consummation

    Devoutly to be wish’d. To die, to sleep;

    To sleep: perchance to dream: ay, there’s the rub;..."

  • Die Linke ist im Bund nicht in Regierungsverantwortung, sondern in der Oppositionsrolle. Welchen Sinn soll es machen, wenn eine Opposition militärische Einsätze fordert, die nur eine Regierungmehrheit durchsetzen könnte und auch das eigentlich nur im Verteidigungsfall? Solche Forderungen sind nicht nur überflüssig, sondern auch reichlich blöd.

    • @Rainer B.:

      Man könnte zur Abwechslung ja auch mal zeigen, dass es um die betroffenen Menschen geht und nicht um die Aufrechterhaltung der reinen Lehre.

      Aber dann müsste man sich halt auch mal mit dem Selbstbetrug des eigenen Fundamentalpazifismus auseinandersetzen.

      • @Schalamow:

        Selbstbetrug liegt wohl eher darin, dass man immer noch glaubt, den Menschen bei jeder Gelegenheit mit militärischen Einsätzen helfen zu können. Wohin das führt, hat der Irakkrieg doch exemplarisch gezeigt. Selbst Militärs würden heute keine Kriegshandlungen mehr befürworten, für die es keine überzeugende Strategie, keine tragfähigen Allianzen und keine realistischen Aufbaupläne für die Zeit danach gibt. Politischer Symbolismus hilft nur Politikern und auch das nur sehr kurz.

  • Der IS-Terror wird auch über die katarischen und saudischen Wirtschaftsbeteiligungen an der Deutschen Wirtschaft finanziert!

     

    Der IS-Terror wird von der Deutschen Bundesregierung und Parlamentsmehrheit befördert!

     

    Katar hat die Miliz Islamischer Staat (IS) finanziert. Diese Wahrheit ist auch beim Bundesnachrichtendienst (BND) und der GroKo-Bundesregierung und auch beim Vortänzer für 'Demokratie', 'Freiheit' und 'Menschenrechte', Joachim Gauck, bekannt!

     

    Souad Mekhennet, die unter anderem für die "Washington Post" arbeitet, war mit der Führung des Islamischen Staates (IS) in Kontakt getreten. --

     

    Die IS-Miliz habe viel Geld auch aus Katar und Saudi-Arabien erhalten.

     

    Doch wer diese Wahrheit ausspricht, wie Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der bekommt Schwierigkeiten.

     

    Aufwachen, brave treudeutsche Gaucksche und GroKo-SPD-CDU/CSU-Michels!

  • Frieden scheint für Deutschland gar kein lohnendes Ziel mehr zu sein.

  • D
    D.J.

    Auch wenn es die Dummen noch nicht gemerkt haben; die Schubladen rechts-links sind hier mehr oder weniger sinnlos. Ist es rechts, die großteils linken kurd. Kämpfer zu unterstützen, ist es links, mit der Dummphrase "Friedenspartei" das Wüten der wohl widerlichsten Gruppierung seit den Nazis und den Roten Khmer zu dulden - trotz möglichen UN-Mandats?

    • @D.J.:

      Richtig, einfach nur mit platten Schubladen wüten, mehr hat die politische Supermacht Kaste nicht drauf. Wir müssen lernen, daß so etwas künftig in den politischen Betrieb einzahlt, und nicht auf dem Silbertablett durch die Gegend kutschiert wird.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Bartsch und sein Gefolge sollten zur SPD oder den Grünen wechseln.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      oder besser gleich zur "afd"

  • Die Grünen und vor allem die Claudia Roth vergessen, dass die PKK -genauso wie die IS- eine Terrororganisation! Eine Terrororganisation, die leider von vielen Kurden unterstützt wird. Liebe Grüne, hört auf mit der HEUCHELEI auf.