Parlamentswahl in Italien: Fruchtbarer Boden für rechte Parolen
Viele werten den Erfolg der Rechten in Italien als Votum gegen die EU. So einfach ist es aber nicht. Europa hat im Wahlkampf nur eine Nebenrolle gespielt.
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W ar das nun eine Wahl gegen Europa? Am vergangenen Sonntag hat in Italien ein Rechtsbündnis klar gewonnen, dessen stärkste und zweitstärkste Partei – die postfaschistischen Fratelli d’Italia Giorgia Melonis ebenso wie Matteo Salvinis Lega – immer wieder gegen „Brüssel, Paris und Berlin“ und den Euro gewettert haben. Mehr noch: Die Fratelli d’Italia sitzen im Europaparlament in einer Fraktion mit der polnischen PiS und der spanischen Vox, während die Lega dort unter anderem mit der AfD verbündet ist.
Schon deshalb scheint der Schluss auf der Hand zu liegen: Ja, es war eine Wahl gegen Europa. Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Die EU und der Euro kamen nämlich im Wahlkampf der Rechten so gut wie gar nicht vor. Wenn jemand über Europa sprach, waren es die Mitte-links-Kräfte, die immer wieder vor der Wahl von „Europafeinden“ warnten, vor der Italien drohenden Isolation in der Union, vor dem Abstieg aus der „Ersten Liga“ an der Seite Frankreichs und Deutschlands in die „Zweite Liga“, in der Polen und Ungarn spielen.
Dieser asymmetrische Wahlkampf zwischen rechts und links steht für zweierlei. Erstens haben die Rechtswähler*innen kein dezidiert antieuropäisches Votum abgegeben, sondern sich vor allem von innenpolitischen Erwartungen leiten lassen. Zweitens aber verfingen bei ihnen die Warnungen von links vor dem drohenden europapolitischen Schaden nicht.
Das überrascht nicht in einem Land, in dem sich die Stimmung gegenüber der EU in den letzten 15 Jahren völlig gedreht hat. Alle Meinungsumfragen liefern das gleiche Bild: Vom früheren Europa-Enthusiasmus ist wenig übrig. Rund 60 Prozent der Bürger*innen sind der Auffassung, die EU und der Euro brächten dem Land mehr Nach- als Vorteile. Zugleich sagen aber bis zu zwei Drittel der Befragten, dass das Land weder aus der Union noch aus der Gemeinschaftswährung aussteigen solle.
Das Wohlstandsversprechen der immer stärker zusammenwachsenden Union glauben viele in Italien seit der Eurokrise nicht mehr. Es wäre wohlfeil, ihnen vorzuwerfen, dass sie „auf rechte Parolen hereinfallen“. Umgekehrt gilt wohl eher, dass die rechten Parolen in Italien auf fruchtbaren Boden fallen – befruchtet von den Sparzwängen, den Einschnitten bei den Gehältern und der Prekarisierung der Arbeitswelt, in Rom oft genug umgesetzt von Regierungen, in denen die Linke mitwirkte.
Wer dagegenhalten will, gegen den Rechtsdrift und die EU-Skepsis, sollte dies im Hinterkopf behalten. Gefragt sind nicht begeisterte Europaschwüre, sondern eine linke Politik, die die soziale Frage wiederentdeckt und so zu dem alten Prosperitätsversprechen zurückkehrt.
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