Parlamentswahl in Dänemark: Rücktritt trotz Sieg

Dänemarks Ministerpräsidentin hat überraschend gewonnen. Aber statt ihre bisherige Regierung fortzusetzen, will sie offenbar etwas Neues ausprobieren.

Wahlsiegerin Frederiksen tritt vor die Kameras

Hat überraschend die Wahl in Dänemark gewonnen: Mette Frederiksen Foto: Nikolai Linares/Scanpix/ap

KOPENHAGEN taz | „Respect“ schmettert der jazzige Soulklassiker von Aretha Franklin aus den Lautsprechern auf Schloss Christiansborg in Kopenhagen, wo das dänische Parlament tagt und die Sozialdemokraten am Mittwoch ihren Wahlsieg feiern. Die Parteivorsitzende und amtierende Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kämpft sich sichtlich gerührt durch eine begeisterte Menge aus johlenden Parteigenossen zur Presse, die mit Mikrofonen und blitzenden Kameras auf sie wartet. Ihre Partei hat das beste Wahlergebnis der vergangenen 20 Jahren eingefahren.

Nun kann Frederiksen entscheiden, mit wem sei weiterregieren möchte: mit den linken Parteien wie bisher oder in einem breiten links-rechts Bündnis, wie sie in ihrem Wahlkampf versprochen hat. Um breite Koalitionsverhandlungen zu ermöglichen, reichte sie am Mittwochmittag ihren Rücktritt als Ministerpräsidentin bei Königin Margrethe II. ein. Die Monarchin wird jetzt einen der Parteichefs mit der Regierungssondierung beauftragen.

Seit 2019 führt Frederiksen in Dänemark eine Minderheitenregierung an. Aber mehrere der Parteien dieser Minderheitsregierung haben große Rückschläge verbucht. Lange sah es in den Umfragen danach aus, dass Frederiksen ihre Regierung nicht weiterführen könnte.

Aber entgegen allen Wahlumfragen ist es Frederiksen geglückt, erneut eine Mehrheit für den sogenannten roten Block der linken Parteien zu gewinnen – allerdings nur knapp. Im dänischen Parlament, dem Folketing, gibt es insgesamt 179 Mandate und das Bündnis hat die Mindestmehrheit von 90 Mandaten gewonnen. Frederiksens Sozialdemokraten sind die größte Partei, mit 27,6 Prozent 50 Mandate.

Schwere Verhandlungen stehen bevor

„Wir sind jetzt die einzige große Volkspartei Dänemarks“, verkündete eine stolze Mette Frederiksen Mittwochnacht. Das verdankt sie aber auch der bürgerlichen Opposition im „blauen Block“, die in der vergangenen Legislaturperiode zersplitterte und nun aus insgesamt sechs Parteien zwischen 13,5 und 2,5 Prozent besteht.

Zwischen den Lagern sitzt der frühere zweimalige Regierungschef Lars Løkke Rasmussen, dessen neue Partei, Moderaterne, 9 Prozent und entsprechend 16 Sitzen bekam. Erst im Juni wurde die Partei gegründet und möchte weder rot noch blau sein, sondern lieber lila.

Weil das Ergebnis so knapp war, zog sich die Auszählung bis tief in die Nacht. Das verlegte auch die Elefantenrunde, die traditionell nach der Wahl beginnt, auf 2 Uhr. Bei der Debatte mit den 14 Parteivorsitzenden wurde schon Mittwochnacht schnell klar, dass dem kleinen Königinnenreich Wochen oder sogar Monate mit schweren Verhandlungen bevorstehen. Denn trotz ihrer roten Mehrheit besteht Mette Frederiksen darauf, eine große links-rechts überschreitende Koalition auszuprobieren.

Ihre Wahlkampagne mit dem Slogan: „Zusammen durch schwierige Zeiten“ lief darauf hinaus, den Wählern eine pragmatische, konstruktive Politik der Mitte anzubieten. „Wenn Sozialdemokraten etwas sagen, dann halten wir uns auch daran“, erklärte Frederiksen.

Eine potenzielle Links-rechts-Koalition würde sich wahrscheinlich zusammensetzen aus: Sozialdemokraten, Moderaterne, der bürgerlich-liberalen Venstre und vielleicht der progressiv-liberalen Radikale Venstre.

Nicht die größte Kompromissbereitschaft

Allerdings steht der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen einem solchen Projekt sehr skeptisch gegenüber. Die 23 Mandate seiner Partei wären aber für eine Mehrheit nötig. Er glaube einfach nicht daran, dass Mette Frederiksen wirklich zu Reformen der Wohlfahrtsgesellschaft bereit sei, sagt Ellemann-Jensen.

Doch jetzt, wo die selbstbewusste Regierungschefin der vergangenen dreieinhalb Jahre de facto auch einen anderen, „roten“ Weg gehen könnte, wird ihre Kompromissbereitschaft den potenziellen Koalitionspartnern gegenüber nicht die allergrößte sein.

Letztes Update um 16.40 Uhr

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