Parlament in Kairo für Militäreinsatz: Ägypten will Intervention in Libyen

Kairo will libysche Regierungstruppen von der Einnahme der Stadt Sirte abhalten – und sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern.

Abdel Fattah al-Sisi, der Präsident von Äygypten, klatscht. Er ist ein Mann mittleren Alters mit wenigen Haren auf dem Kopf

Stratege: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi Foto: Vasily Fedosenko/reuters

KAIRO taz | Ägypten steht in den Startlöchern für eine Militärintervention im benachbarten Libyen. Das Parlament in Kairo gab der Armee am Montagabend in einer geschlossenen Sitzung einstimmig den Segen, außerhalb der Landesgrenzen zu operieren. Das offizielle Ziel: „Die nationale Sicherheit Ägyptens an der strategischen Front im Westen gegen alle Taten krimineller Milizen und ausländischer terroristischer Elemente“ zu verteidigen.

Mit den „kriminellen Milizen“ sind jene paramilitärischen Einheiten gemeint, die für die Regierung des libyschen Premier Fajis al-Sarradsch in Tripolis kämpfen, die „ausländische terroristischen Elemente“ sind deren türkischen Unterstützer. Beide sind Kontrahenten gegen den im Osten des Landes herrschenden General Haftar, jener Person in Libyen also, auf die Ägypten bisher gesetzt hat, die aber in den letzten Monaten eine herbe militärische Niederlage nach der anderen einstecken musste.

Schon vor dem Parlamentsbeschluss bereite der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Öffentlichkeit auf eine Intervention vor. Er sprach von einer roten Linie, wenn die Milizen aus Tripolis weiter nach Osten vorrücken und die Hafenstadt Sirte erobern.

Details der Intervention sind noch unklar

Außerdem hatte er ein paar Tage vor dem Parlamentsbeschluss einige ostlibysche Stammesführer nach Kairo einfliegen lassen, um sich von ihnen ein Mandat für einen ägyptischen Militäreinsatz geben zu lassen.

Wahrscheinlicher als ein großer Kampfeinsatz ist eine begrenzte Militäraktion

Wann, wo und wie Ägypten in Libyen intervenieren wird, ist aber noch unklar. In der Erklärung des Parlaments in Kairo hieß es lediglich, dass „die Streitkräfte und dessen Führung nun die verfassungsmäßige Lizenz besitzen zu bestimmen, wann und wo sie auf Gefahren und Bedrohungen antworten werden“.

Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass große ägyptische Truppenteile in Libyen zu einem Kampfeinsatz kommen. Wahrscheinlicher ist, dass es eine begrenzte militärische Aktion geben wird, etwa durch die ägyptische Luftwaffe oder die Marine.

Möglich ist auch ein Einmarsch ägyptischer Truppen ein paar Kilometer nach Libyen hinein, also weit weg vom eigentlichen Kriegsgeschehen. Ein Schritt durch den Ägypten argumentieren könnte, seine Grenze abzusichern. Das würde Milizen im Osten freisetzen, um weiter westlich in Sirte eingesetzt zu werden.

Militärische Präsenz soll Kairo Einfluss sichern

Ägypten geht es weniger darum, militärische Gewinne zu erzielen. Es hat vielmehr verstanden, dass es militärisch in Libyen präsent sein muss, um später, wenn es um die Zukunft des Landes geht, mit am Verhandlungstisch zu sitzen.

Denn die großen ausländischen Schwergewichte in Libyen sind militärisch vor Ort: die Türkei wegen ihres militärischen Engagements auf Seiten von Tripolis und Russland, das zur Unterstützung Haftars Söldner geschickt hat.

Mit einem militärischen Engagement will Ägypten da auch mitreden, zumal im unmittelbaren Nachbarland Libyen nationale Sicherheitsinteressen betroffen sind. Außerdem sieht sich Ägypten als Regionalmacht in Konkurrenz zur Türkei.

Wie zielführend eine ägyptische Intervention wäre, bleibt abzuwarten. Zunächst wird al-Sisi damit wahrscheinlich versuchen, den Vormarsch der Milizen aus Tripolis Richtung Osten aufzuhalten, in der Hoffnung, dass eine begrenzte Militäraktion ausreicht, um sie vor der Eroberung des strategisch wichtigen Ortes Sirte abzuschrecken.

Aber es ist ein Spiel mit dem Feuer. Denn jede militärische Intervention kann dazu führen, dass sich Ägypten im libyschen Chaos verstrickt und in einem langen Abnutzungskrieg wiederfindet, in dem es keinen militärischen Sieger gibt. Der Albtraum eines jeden Militärs.

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