Parlament in Ecuador aufgelöst: Der Amtsenthebung zuvorgekommen
Ecuadors rechter Präsident Lasso hat das Parlament aufgelöst und regiert jetzt zunächst per Dekret. Die Opposition spricht von einem „Selbstputsch“.
Es sei unmöglich, die Herausforderungen des Landes mit diesem Parlament zu lösen, dessen einziges Ziel es sei, das Land zu destabilisieren, erklärte Lasso.
Ecuadors Verfassung enthält eine Besonderheit, die landläufig als ‚muerte cruzada‘ (etwa: sich überkreuzender Tod) bezeichnet wird. Der Artikel 148 verleiht dem Präsidenten die Kompetenz im Fall einer „schweren politischen Krise“ oder „inneren Unruhen“, das Parlament zusammen mit der Exekutive, sprich dem Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten, aufzulösen und Neuwahlen zu beantragen.
Der Präsident reagierte mit dem Schritt auf ein vom Parlament eingeleitetes Amtsenthebungsverfahren, dem 88 der 137 Abgeordneten zugestimmt hatten. Das Parlament wirft Lasso vor, Unstimmigkeiten in einem von der staatlichen Erdöltransportgesellschaft Flota Petrolera Ecuatoriana mit einer privaten Reederei unterzeichneten Vertrag ignoriert zu haben, die nach Angaben des Rechnungshofs einen Schaden von rund 6 Millionen Dollar verursacht hätten.
Militär und Polizei stellen sich hinter den Präsidenten
Noch am Dienstag wies Lasso in einer fast zwölfstündigen Parlamentsdebatte die Vorwürfe zurück und sprach von einer politischen Kampagne. Als sich jedoch immer deutlicher abzeichnete, dass die notwendige Mehrheit von mindestens 92 Parlamentsstimmen für eine Amtsenthebung erreicht werden könnte, zog der Präsident die Reißleine. Es war das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Lasso. Das erste scheiterte im Juni 2022 mit nur 80 Stimmen.
Der Nationale Wahlrat muss nun innerhalb von sieben Tagen den Termin für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen festlegen, die spätestens in 90 Tagen stattfinden müssen. Lasso bleibt jedoch so lange geschäftsführend im Amt, bis ein gewählter Nachfolger das Präsidentenamt übernimmt. Bis dies geschieht, kann Lasso per Dekret regieren. Und das könnte bis zu sechs Monaten dauern, sollte der Nachfolger erst in einer Stichwahl bestimmt werden.
Nach Lassos Ankündigung hatten Sicherheitskräfte vorsorglich das Parlamentsgebäude umstellt. Zugleich stellten sich Militär und Polizei hinter den Präsidenten. „Die Entscheidung des Präsidenten unterliegt der verfassungsmäßigen Ordnung und muss von allen Bürgern voll und ganz respektiert werden“, erklärte das Oberkommando der Streitkräfte.
Sollte es zu gewaltsamen Protesten kommen, würden Streitkräfte und Nationalpolizei „entschlossen handeln“, sagte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Nelson Proaño.
Steuern senken für mehr Zustimmung
Protestaktionen blieben zwar aus, aber verbal ließ es sich Lassos Gegnerschaft nicht nehmen, sein Vorgehen zu kritisieren. Leonidas Iza, Präsident des Dachverbands der indigenen Gruppen Conaie, twitterte: „Ein feiger Selbstputsch mithilfe der Polizei und der Streitkräfte“ und warnte vor einer drohenden Diktatur. Ex-Präsident Rafael Correa kritisierte ebenfalls Lassos „illegale Aktion“, merkte aber an: „Dies ist definitiv eine gute Gelegenheit, Lasso, seine Regierung und seine Parlamentarier nach Hause zu schicken.“
Wie gering Lassos Rückhalt in der Bevölkerung geworden ist, hatten die Kommunalwahlen im vergangenen Februar gezeigt. Damals hatte die Opposition die Bürgermeisterämter der Hauptstadt Quito und Guayaquil gewonnen, der wichtigen Hafenstadt, die 30 Jahre lang eine Hochburg der Rechten war.
Offenbar um nicht jegliche Zustimmung zu verlieren, nutzte der Präsident noch am Mittwoch sein Recht, per Dekret zu regieren und erließ ein Steuerreformpaket, mit dem nach seinen Worten die Steuerzahlenden um 200 Millionen Dollar entlastet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!