piwik no script img

Palästina-Solidarität in JordanienIsrael-Handel erzürnt Jordanier

In Amman gehen wöchentlich Menschen für Palästina auf die Straße. Ein angeblicher Lkw-Versorgungskorridor nach Israel erhitzt die Gemüter.

Protest in Amman: Immer freitags wird für Palästina demonstriert, hier eine Aufnahme von Oktober 2023 Foto: Serena Bilanceri

Amman taz | „Wir sind gekommen, weil unsere Leute in Gaza leiden, und um unsere Regierung zu ermuntern, ihnen Nahrungsmittel zu schicken“, sagt ein Mann vor der Al-Husseini-Moschee in der jordanischen Hauptstadt Amman. Auf den Schultern trägt er ein Mädchen, das eine palästinensische Flagge schwenkt. Ein Demonstrant, der neben ihm steht, ergänzt, man solle die Nahrungsmittel nicht der „Besatzung“ schicken, wie er Israel nennt. Die Demonstration hat sich gerade aufgelöst, doch kommenden Freitag soll wieder protestiert werden. Die Gendarmerie marschiert geordnet zurück, das Summen der Überwachungsdrohne wird leiser.

Seit fünf Monaten versammeln sich in der Altstadt von Amman jede Woche Hunderte Menschen, um für Palästina und gegen Israel und den Gaza­krieg zu protestieren. Dabei gerät die Regierung des Königreichs, das 1994 als zweiter arabischer Staat Frieden schloss mit Israel, unter Druck.

Medien haben berichtet, dass der Landweg über Jordanien dazu dient, Waren aus aller Welt per Lkw nach Israel zu liefern und so die Blockade des Roten Meeres zu umgehen. Dort greifen die jemenitischen Huthis seit Oktober Schiffe an, denen sie Verbindungen zu Israel nachsagen, etwa solche, die einen israelischen Hafen ansteuern, um Obst und Gemüse, Waschmaschinen oder sonstige Waren zu liefern.

Vor wenigen Tagen verbreiteten jordanische Oppositionsparteien ein Video, das angeblich Lkws auf dem Weg durch Jordanien nach Israel zeigt. Ende Januar zeigte auch der israelische Sender Kan 13 ein Video von Lkws, die den Angaben nach von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) über Saudi-Arabien und Jordanien den Grenzübergang Scheich Hussein passierten und schließlich in Israel ankamen.

Öl ins Feuer gossen Aufnahmen von jordanischem Gemüse auf Märkten in Israel. Im Dezember hatte der jordanische Landwirtschaftsminister Chaled Hneifat gesagt, es gebe zwar kein Verbot von Exporten nach Israel, gleichzeitig appellierte er aber an die Landwirte, die aktuellen Umstände zu berücksichtigen. Etwa 1.300 von 12.500 Tonnen des aus Jordanien exportierten Gemüses landeten vor dem Krieg jeden Monat in Israel.

Immer wieder versuchten Protestierende in den vergangenen Wochen, Menschenketten an der Straße vor dem Grenzübergang Scheich Hussein zu bilden. Dass letzten Donnerstag mehr als 100 Menschen in Gaza-Stadt bei einem Massenansturm auf Hilfskonvois starben und sich Warnungen vor einer Hungersnot in Nord-Gaza mehren, dürfte die Gemüter weiter erhitzen.

König im Flugzeug über Gaza

Die jordanische Regierung versucht derweil den Schaden zu begrenzen und bestreitet, dass es einen speziellen „Korridor“ für Lkws nach Israel gebe. Regierungschef Bisher Chasawneh bezeichnete dahingehende Berichte als „Lüge“ und sagte, die Handelsrouten hätten sich seit 25 Jahren nicht verändert.

Gleichzeitig hängt die Regierung ihre Hilfslieferungen für Gaza aus der Luft, sogenannte Air-Drops, an die große Glocke. Während die USA am Samstag erstmals Air-Drops durchführten, hat Jordanien bereits rund 25 Abwürfe organisiert. Anfangs wurde medizinische Ausstattung abgeworfen, inzwischen werden auch Nahrungsmittel geliefert. In einem der Flugzeuge flog Jordaniens König vor wenigen Tagen persönlich mit.

Für weiteren Unmut sorgt derweil ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Demnach hat Jordanien etliche propalästinensische De­mons­tran­t*in­nen festgenommen. Die meisten sollen bereits bei Protesten im Oktober und November festgenommen worden sein, einige jedoch auch später nach Online-Posts auf Grundlage eines neuen, kontroversen Cybercrime-Gesetzes. „Die Strafen sind jetzt viel höher“, sagt Adam Coogle, HRW-Vizedirektor in Nahost. Die NGO beklagt seit Jahren eine zunehmende Drangsalierung von Regierungskritiker*innen. Die jordanische Regierung hatte im November Berichte über Massenfestnahmen dementiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Fairness und Gerechtigkeit dort könnte heißen



    a) ein ethnisch-religiös grundsätzlich neutraler Staat für alle.



    b) zwei Staaten mit fairen Grenzen und Lebens-Chancen



    Der Status Quo hingegen ist weit von einer tragbaren, gerechten Lösung entfernt.

    • @Janix:

      Vorschlag a) ist eine schöne Utopie, leider gibt es da kein gutes role model in der Region, an der man sich orientieren könnte. Angesichts der Vertreibung arabischstämmiger Juden aus Jemen, Iran, Irak usw - ist gerade unter dieser Gruppe von Israelis diese Lösung nicht sehr populär. Es gibt eine schöne Dokumentation bei Netflix darüber, wie die Vertreibung der Juden aus dem Irak ablief. Die an Israel angrenzenden Länder in der Region sind leider alle weder demokratisch noch offen für ethnische und religiöse Vielfalt, ganz zu schweigen von Toleranz für die LGBTQ community und Frauenrechte. Da ist das trotz der aktuellen rechts gerichteten Regierung immer noch demokratische Israel wirklich eine Ausnahme.

      Vorschlag b) ist wahrscheinlicher, scheiterte in der Vergangenheit jedoch auch an realitätsfernen palästinensischen Forderungen, die von UN und UNWRA auch genährt wurden, zum Beispiel dass alle Nachkommen der 1948 Vertriebenen arabischen Bewohner des jetzigen israelischen Gebiets (bezieht sich nicht auf die besetzten Gebiete) Rückkehrrecht bekommen.

      Das ist jedoch nicht möglich. Und es wäre auch angesichts der Vertreibungen von Juden aus arabischen Staaten, die nach Israel auswandern mussten, auch äußerst ungerecht.

      Es besteht eigentlich eher Hoffnung, dass von außen eine Lösung durch die USA mithilfe arabischer Staaten erarbeitet wird. Die Regierung Netanyahu hat kein Interesse an einer Lösung des Konflikts. Die palästinensische Seite hat leider kaum Zivilgesellschaftliche Kräfte, die für rationale Lösungen zu haben sind.

  • Ich befürchte genau das ist die Rechnung von Hamas: je größer das Leid im Gaza Streifen, je mehr zivile Opfer, desto größer wird der Hass auf Israel, nicht nur in den arabischen Nachbarländern. Dafür opfert man die eigene Bevölkerung. Sie wollen den Krieg auf den Straßen von Aman, Kairo, Riad aber auch von Washington und London gewinnen. In Gaza können sie nicht gewinnen und das wissen sie genau. Aber das war auch nie das Ziel, keine Kapitulation, möglichst viele zivile Opfer, das ist die Strategie.

  • Wundern tut mich das ganze nicht. In allen Ländern des Mittleren Ostens sind diese Demonstrationen zu finden und sie werden nicht weniger, sondern mehr. In manchen Ländern wie z.B. jemen sind wöchentlich zehntausende Menschen auf den Straßen gegen Israels Vorgehen im Gaza. Gruppen wie die Houthis und Hizbollah haben mehr Zuspruch unter den Menschen gefunden, statt weniger. Wenn es das Ziel ist, wie die Amerikaner immer wieder betonen, Sicherheit für Israel zu gewährleisten, so würde ich fast behaupten sie haben das Gegenteil erreichen. Selbst die saudische Regierung die ja in Gesprächen zur Normalisierung der Beziehung zu Israel stand, hat dies auf Eis gelegt und das auch weil in deren eigener Bevölkerung die Sympathien für die Palestinenser enorm hoch sind. Die Situation ist so explosiv wie lange nicht mehr. Man ist ja mittlerweile schneller wenn man die Länder aufzählt in denen in den letzten Wochen keine Bomben hochgegangen sind oder Anschläge verübt wurden. Etliche Experten schätzen auch ein, dass die Situation noch schlimmer wird sollte UNRWA in den nächsten Wochen, aufgrund fehlender Spenden, die Arbeit komplett in Jordanien, Lybien, Syrien etc einstellen müssen.

    • @Momo Bar:

      Das war bereits klar bevor der Militäreinsatz begann.



      Mit Gewalt rekrutiert man ausschließlich, man bringt aber keine echte Stabilität.



      Militärexperten, politische Sprecher und auch einfache Leute die solche Aktionen in der Vergangenheit verfolgten und sahen wie sie ausgingen, warnten schon davor.



      Egal wie viel Resentment man Hamas gegenüber auch hat, das Resultat ist ein noch weniger sicheres Israel.

    • @Momo Bar:

      Nee, mich wundert das auch nicht.



      Mit Speck fängt man Mäuse, und mit Judenhass schart man Massen hinter sich. Das war schon im Mittelalter, unter den allerchrislichsten Majestäten Ferdinand und Isabella von Kastilien nicht anders.



      Das Interesse bei Saudis und Israelis zu einer Vereinbarung zu kommen ist durchaus noch da und gerade durch die Ereignisse des letzten Jahres eher gewachsen:www.nzz.ch/meinung...atismus-ld.1769332