Pädagogin über die Freude an Fäkalien: Etwas Verbotenes sagen
Kinder sprechen gern vom Kacken, weil sie provozieren wollen und weil sie den Prozess schon beherrschen, sagt Pädagogikprofessorin Agi Schründer.
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In Japan gibt es Übungsbücher für Grundschüler:innen, bei denen in jedem der 3.018 Sätze das Wort „Kacke“ steht. Die Bücher wurden bereits 1,8 Millionen Mal verkauft. Die Faszination der Kinder für ihre Ausscheidungen scheint groß zu sein.
taz: Frau Schründer, woher kommt die kindliche Freude am Thema Kacken?
Agi Schründer: Einmal geht es darum, etwas Verbotenes zu sagen. Denn das Wort sagt man nicht und Kinder in der Schule wissen das. Sie wollen so provozieren. Und das Zweite ist, dass Schulkinder den Prozess schon beherrschen. Darauf sind sie stolz und nehmen solche Wörter dementsprechend gerne in den Mund.
Sollte es solche Bücher auch in Deutschland geben?
Empfohlener externer Inhalt
Schule hat die Aufgabe, Kinder an eine andere Sprache heranzuführen als die schnell erlernte Alltagssprache. Wir sprechen da von einer schulischen Bildungssprache. Dieses Wort zählt eindeutig nicht dazu.
Und da es Ziel ist, dass Kinder in ihren Wortschatz Begrifflichkeiten aufnehmen, die für Schule und für ihre weitere Bildungskarriere wichtig sind, würde ich ganz klar sagen: Diese Wortwahl hat in einem Schulbuch gar nichts zu suchen. Sogar ganz im Gegenteil: Lehrkräfte sollten Kindern gegenüber ein positives Sprachvorbild sein und in ihrer Wortwahl auch solche Begrifflichkeiten vermeiden.
Also sollte man besser nicht den Spaß der Kinder an dem Wort „Kacken“ nutzen und lieber gar nicht über das Thema sprechen?
Man kann es durchaus ansprechen. Aber eben mit einer anderen Wortwahl. Wenn die Lehrerin mit einer Situation konfrontiert wird, wo Kinder dieses zum Thema machen und auch diese Wortwahl verwenden, würde ich die Situation aufgreifen und eine Wortschatzanreicherung machen. Also den Kindern beibringen, ihre Alltagssprache in eine Sprache zu transformieren, die den Sachverhalt korrekt und angemessen beschreibt.
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