Hessen will Werbung an Schulen stoppen: Die Wirtschaft im Klassenzimmer
Logo-Jagd im Unterricht, Programmieren mit Google: Hessen will Werbung in Schulen verbieten. Kritik gibt es auch in anderen Bundesländern.
Bereits vor drei Jahren hatte etwa der NDR über die Laufwettbewerbe berichtet. Noch immer aber sprinten Grundschüler*innen bundesweit bei den gesponserten Events um die Wette. Inzwischen räumte der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ein, dass „ein bestimmtes kommerzielles Interesse seitens der Sponsoren nicht zu leugnen“ sei. Verboten wurde die Aktion aber nicht. Die Verantwortung liege bei den einzelnen Schulen, so Lorz.
Nicht nur dieser Fall zeigt: Werbung an Schulen ist eigentlich nicht erlaubt, dennoch kann die Privatwirtschaft oft massiv Einfluss nehmen. Das reicht von Sponsoring bis hin zu kostenlosen Unterrichtsmaterialien.
In Hessen will die schwarz-grüne Landesregierung nun Werbung an Schulen gesetzlich verbieten – und nicht wie bisher nur per Erlass. Sponsoring soll gezielt geprüft werden. Die Änderung wird voraussichtlich im Mai verabschiedet.
LobbyControl hofft, dass andere Länder dem Beispiel folgen. Die aktuelle Lage führe oft zur „Instrumentalisierung der Schulen für Geschäftsinteressen der Unternehmen“, kritisiert Mitarbeiter Felix Kamella. Knappe Kassen könnten dazu führen, dass „Schulleiter betteln gehen müssen“. „Wenn die Gesetzesnovelle ernst gemeint ist, dann müsste Speed4 untersagt werden.“
Kamella fürchtet jedoch, die CDU könnte das Gesetz auf Druck der Wirtschaft abschwächen. Tatsächlich plant das Ministerium noch Anpassungen. LobbyControl fordert deshalb eine unabhängige Monitoringstelle für Unterrichtsmaterialien und -projekte. Genau das hatte die hessische SPD-Fraktion beantragt, war jedoch außer bei der Linkspartei auf Ablehnung gestoßen.
Die FDP sträubt sich gar gänzlich gegen die Verschärfung: Die Verantwortung solle bei den Schulen bleiben. Das empört René Scheppler, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hessen: „Da wird Verantwortung ganz weit runtergedrückt an ein grundsätzlich überlastetes Lehrerkollegium.“
Politisch brisant ist der Fall „Calliope mini“. Mit den Platinen der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten gGmbH sollen Schüler*innen programmieren lernen. Seit Oktober testen zwei saarländische Grundschulen die Geräte. 1.000 weitere Geräte werden seit März an Drittklässler*innen im Land verteilt, weitere 7.000 nach den Sommerferien. Die Kosten der je rund 20 Euro teuren Teile trägt die gemeinnützige GmbH.
Gesponsert wird diese etwa von Google, Microsoft, Bosch und SAP – wie genau, bleibt weitgehend vertraulich. Google habe etwa 500.000 Euro beigesteuert, sagt Gesellschafter Stephan Noller. Bosch „eine ähnliche Größenordnung“.
Gewerkschaft moniert intransparente Vergaben
In Bremen läuft das Pilotprojekt ab April. Dort zahlt die Telekom Stiftung. GEW-Sprecher Scheppler wirft den SPD-geführten Bildungsministerien im Saarland und Bremen intransparente Vergaben vor. Er vermutet parteipolitische Gründe für den rasanten Aufstieg der erst im September gegründeten gGmbH und attestiert ihr „knallharten Lobbyismus“.
Gesellschafter Noller gibt zu: „Viele von uns haben einen SPD-Bezug.“ Man sei halt befreundet, sonst nichts. Dass Calliope-Gesellschafterin Gesche Joost etwa im Wahlkampfteam von Peer Steinbrück war, ist kein Geheimnis. Noller aber betont: „Die Partner bekommen keine große Plattform, keine Nennung auf den Materialien.“
Die Wirtschaft profitiert indirekt. Sie zieht sich den digitalen Nachwuchs heran. Eigentlich befürwortet GEW-Mann Scheppler Digitalisierung im Unterricht – solange es transparent bleibt. „Wenn wir heute Google das Feld überlassen, dann will morgen BMW die Verkehrserziehung und McDonald’s die Ernährungsbildung übernehmen.“
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