Organisation wehrt sich gegen CDU-Ploß: „Campact hat noch nie einen Cent Förderung bekommen“
Felix Kolb über den juristischen Erfolg gegen CDU-MdB Christoph Ploß: Der Campact-Geschäftsführer spricht von einem Feldzug der politischen Rechten.

taz: Herr Kolb, der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß hat im Rechtsstreit mit Campact seine Niederlage eingestanden. Worum ging es?
Felix Kolb: Es ging um einen Post auf X, in dem Herr Ploß uns im September wahrheitswidrig unterstellt hat, die Bundesregierung würde Campact Steuergelder zuschustern, um damit Wahlkämpfe von linken und grünen Abgeordneten zu unterstützen. Gegen diese falsche Äußerung haben wir uns gewehrt.
taz: Wie kam Herr Ploß zu dem Vorwurf?
Kolb: Das kann ich nicht sagen. Hätte er sich die Mühe gemacht, unsere Transparenzberichte zu lesen, hätte er festgestellt, dass Campact in seiner 20-jährigen Geschichte noch nie auch nur einen Cent staatliche Förderung bekommen hat, weil wir das auch nie wollten. Herr Ploß hat eine Verschwörungserzählung in die Welt gesetzt, mit der Folge, dass wir nun an verschiedenen Stellen gegen die immer gleiche Lüge kämpfen müssen.
taz: Dass ein Verein, der zivilgesellschaftliche Kampagnen organisiert, Geld an Parteien spendet, kann einen ja durchaus wundern …
Kolb: Das ist leicht zu erklären. Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland war abzusehen, dass die AfD sehr stark abschneiden würde. In Sachsen befürchteten wir, dass die Grünen ebenso wie die Linke aus dem Landtag fliegen würden. Deshalb haben wir gezielt jeweils zwei ihrer Kandidat*innen im Wahlkampf unterstützt, in der Hoffnung, dass die beiden Parteien in den Landtag einziehen und so eine Sperrminorität für die AfD verhindern könnten. Das eigentliche Problem ist aber nicht unsere Unterstützung, sondern die falsche Behauptung von Ploß, wir hätten diese Aktivitäten mit staatlichen Geldern finanziert und damit gegen das Gesetz verstoßen. Was wir getan haben, ist aber vollkommen legal.
taz: Das heißt, Herr Ploß wusste gar nicht, was Sie mit dem Geld bezweckten?
Kolb: Er hat auch gar nicht gefragt, das gehört anscheinend nicht mehr zum guten Stil, sondern er hat die Summe gesehen, die wir der Bundestagsverwaltung angezeigt hatten. Seit einer Änderung des Parteiengesetzes müssen jedoch nicht nur direkte Geldspenden an Parteien gemeldet werden, sondern auch sogenannte Parallelaktionen. Wenn wir also Flugblätter drucken, um unseren Unterstützer*innen zu erklären, warum sie bestimmte Abgeordnete wählen sollen, müssen wir den Gegenwert dieser Materialien und ihre Herstellung der Bundestagsverwaltung melden. So kamen die von Herrn Ploß genannten 160.000 Euro zustande.
taz: Erleben Sie häufig solche Angriffe?
Kolb: Bevor Herr Ploß diese Ur-Lüge in den Raum gestellt hat, nicht – weil sie einfach zu absurd ist. Seit unserer Gründung geraten wir berufsbedingt immer wieder mit den aktuellen Bundesregierungen aneinander. Wir wären deshalb gar nicht auf die Idee gekommen, Gelder von öffentlichen Stellen zu beziehen. Entsprechend gab es auch nie diesen Vorwurf. Jetzt ist aber eine kleine Industrie daraus entstanden, uns genau das vorzuwerfen – jüngst mit dem Dreh, wir würden uns von der Ampel finanzieren lassen, um eine Kampagne gegen die Union zu machen. Das ist ebenfalls komplett abwegig.
taz: Sie werden auch in der viel kritisierten Kleinen Anfrage im Bundestag erwähnt, in der sich die Union vor anderthalb Wochen nach der politischen Neutralität staatlich geförderter zivilgesellschaftlicher Organisationen erkundigte.
Kolb: Die AfD hatte schon im vergangenen November eine Anfrage gestellt, mit der sie wissen wollte, ob Campact Steuergelder bekommt. Die Antwort war natürlich nein. Die Union hätte sich mit ein bisschen Recherche die Fragen zu Campact sparen können. Das zeigt jedoch, wie hartnäckig sich solche Narrative am Leben halten. Man kann gerne unsere Arbeit kritisieren – was wir aber nicht hinnehmen, ist, dass über uns falsche Tatsachen verbreitet werden. Seit dem Ploß-Fall haben wir mehrere Dutzend juristische Auseinandersetzungen geführt – insbesondere gegen die gesamte rechtsextreme Nachrichtensphäre. Auch gegen die CDU Leipzig haben wir kürzlich eine einstweilige Verfügung erwirkt.
taz: Wobei sich die Rechtsauslegung für Campact schon vor ein paar Jahren verschlechtert hat, als der Bundesfinanzhof Ihrem Verein die Gemeinnützigkeit absprach, weil er die politische Willensbildung beeinflusse. Wie haben Sie das denn überstanden?
Kolb: Wir haben die Gemeinnützigkeit nicht verloren, weil wir per se die politische Willensbildung beeinflussen, das ist nämlich ausdrücklich möglich. Wenn ich etwa als Umweltverband den Zweck Klimaschutz verfolge, darf ich sowohl auf die öffentliche Meinung als auch auf die politische Willensbildung einwirken.
taz: Aber?
Kolb: Das Problem ist jedoch, dass es Themen gibt, etwa soziale Gerechtigkeit, für die es keinen passenden gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung gibt, den man verfolgen könnte. In solchen Fällen haben sich die Organisationen darauf verlegt, zu sagen: Wir betreiben politische Bildung. Das hat auch das Netzwerk Attac so gemacht mit seiner Globalisierungskritik. Mit dieser langjährigen Praxis hat der Bundesfinanzhof Schluss gemacht. Besonders interessant ist der Bund der Steuerzahler: Er hat formal den gleichen Zweck wie Attac, tritt aber für andere politische Ziele ein. Wundersamerweise genießt er aber weiterhin den Gemeinnützigkeitsstatus. Daran sieht man, dass es hier einen gezielten Feldzug der politischen Rechten gibt – der sich nicht gegen alle Organisationen gleichermaßen richtet, sondern explizit gegen linke, progressive Organisationen. Der eigentliche Skandal ist, dass die Verwaltung auf dem rechten Auge blind ist.
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