Optimierte Landwirtschaft: Die Nutzpflanzen der Zukunft
Forscher:innen versuchen mit verschiedenen Methoden, Pflanzen zu optimieren. Wo bringt das Fortschritt und wo nicht? Vier Beispiele.
D er Klimawandel und der weltweit steigende Bedarf an Lebensmitteln stellen die Landwirt:innen weltweit vor neue Herausforderungen. Sie müssen nachhaltiger und gleichzeitig effizienter produzieren.
Wissenschaftler:innen tüfteln deshalb beständig an neuen Methoden, um Nutzpflanzen besser zu machen. Hier kommen vier Beispiele aus der Pflanzenforschung, wie Nutzpflanzen optimiert werden.
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Das Revival: Weizen
Daran wird geforscht:
In der Genbank am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) lagert ein Schatz: Mehr als 28.000 Weizensorten – darunter auch viele alte und exotische – werden hier konserviert. Darunter Genvarianten, die unseren modernen Weizensorten abhanden gekommen sind. Doch gerade die könnten für den Weizenanbau der Zukunft entscheidend sein.
Unter Führung des IPK hat ein Forschungsteam untersucht, wie man diese biologische Vielfalt für eine umweltfreundliche Landwirtschaft nutzen kann. Die Wissenschaftler:innen suchen alte und nicht-heimische Sorten, die dabei helfen können, zukünftigen Herausforderungen durch den Klimawandel zu trotzen – sei es in Bezug auf Schädlinge, Trockenheit oder Naturkatastrophen – und kreuzen diese ein.
Das ist gut:
Die Ergebnisse der Kreuzungsversuche lieferten höhere Erträge als wichtige moderne Weizensorten. Neben dem höheren Ertrag brachten die neuen Sorten auch Genomregionen mit sich, die besonders resistent gegen Gelbrostbefall sind. Gelbrost ist eine Pilzkrankheit, die Pflanzen einst nur im Norden Deutschlands befallen hat. Wegen klimabedingter milderer Frühjahre kommt er nun immer häufiger im Süden vor.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
„Mit den neuen potenzialen Genvarianten in diesen Regionen können wir das Immunsystem des Weizens diversifizieren“, sagt Jochen Reif, der an dem Projekt beteiligt war. Bedeutet im Klartext: Die Gene der alten Weizensorte, die sie vor Gelbrost schützen, können zukünftig mithilfe von Kreuzungen auf andere Sorten übertragen werden, um sie resistenter zu machen.
Das kann besser werden:
Bis die neu entdeckte genetische Variation beim Weizenanbau eingesetzt wird, dauert es noch. Neue Weizensorten müssten der Landwirtschaft heutzutage mehr liefern als stabile Erträge und Resistenz gegenüber Gelbrostbefall, sagt Agrarwissenschaftler Albert Schulthess: „Der Klimawandel und ein wachsendes Ernährungsbewusstsein in der Gesellschaft macht die Liste an Voraussetzungen noch länger.“ Damit sich der Anbau der neuen Weizenvariation lohne, brauche es deshalb weitere Untersuchungen, Kreuzungen und Selektion.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Hoch. Projekte der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich der Blick auf frühere Artenvielfalt lohnt. Pflanzenfortschritt kann also auch retro sein.
Der Teamplayer: Mais
Daran wird geforscht:
Ihre Partnerschaft ist etwa so alt wie das Leben auf der Erde: Sogenannte Mykorrhizapilze wachsen um und in der Wurzel von Pflanzen und machen ihnen Nährstoffe besser verfügbar. Im Gegenzug bekommen sie von der Pflanze Kohlenhydrate, die sie selbst zum Wachsen brauchen. Die Landwirtschaft will sich diesen natürlichen Prozess nun vermehrt zunutze machen. Wissenschaftler:innen forschen deshalb daran, unter welchen Bedingungen Mykorrhizapilze am besten wirken.
In Schnega im Wendland startete das Institut für Pflanzenkultur den Praxisversuch, ein Maisfeld mit Mykorrhizapilzen zu behandeln. Die sandigen Feldflächen dort sind suboptimale Anbauflächen, weil die Nährstoffe zu wenig und ungleichmäßig verteilt sind und teils in tieferen Erdschichten lagern. Für die Pflanzen sind sie daher nur schwer erreichbar. Mithilfe von Precision Farming, also einer genauen Analyse des Nährstoffgehalts im Boden, versetzten die Forscher:innen den Boden genau dort mit Mykorrhizapilzen, wo der Nährstoffmangel besonders groß war. Das geschieht mit der Aussaat oder schon davor, damit die Pilze Zeit haben, sich zu vermehren.
Das ist gut:
Studien haben gezeigt: Mais und Mykorrhizapilze gehen eine besonders fruchtbare Symbiose ein. Die Pilze erweitern die Wurzeln der Pflanze. Durch ihr feines Netzwerk von Fäden, sogenannte Hyphen, die tief ins Erdreich wachsen, können sie Nährstoffe besser aufnehmen und leiten diese an die Pflanze weiter. Besonders hilfreich ist das zum Beispiel bei langen Trockenperioden, weil der Pilz das Wasser aus dem Erdreich leichter aufnehmen und an die Wirtspflanze weiterleiten kann. Mykorrhizapilze fördern also vor allem die Ertragsstabilität, weil sie schlechte Anbaubedingungen ausgleichen.
Die Pilze tun aber nicht nur den Pflanzen gut, sondern auch der Erde: der Boden bleibt locker und durchlüftet und auch die klebrigen Ausscheidungen der Pilze helfen. Sie binden auch CO2, was wiederum gut fürs Klima ist. Das Ganze funktioniert nicht nur mit Mais, sondern zum Beispiel auch beim Anbau von Sojabohnen.
Das kann besser werden:
Pilze lassen sich weder bei allen Pflanzenarten noch in jedem Boden anwenden – sie sind also kein Allheilmittel. Insbesondere ein hoher Phosphorgehalt im Boden, der zum Beispiel durch Düngemittel entsteht, schränkt den Pilz in seinem Wachstum ein. Bäuer:innen müssen sich also entscheiden zwischen den Pilzen und konventionellem Dünger – die Kombination von beidem ist komplex. Mykorrhizapilze kommen deshalb bisher fast nur in der Bio-Landwirtschaft zum Einsatz. Sie sind außerdem teuer. Ihr volles Potenzial kann allerdings sowieso erst dann erreicht werden, wenn es Wissenschaftler:innen gelingt, die zahllosen Pilzarten besser zu erforschen. Denn welche Pilz-Pflanzen-Symbiosen besonders gut gelingen, ist je nach Art und Umgebung sehr unterschiedlich.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Hoch. Wenn sich die Pilze zu einer potentiellen Alternative zu stickstoffhaltigem Dünger entwickeln, wäre das nicht nur für die Sandäcker im Wendland eine gute Nachricht.
Das Durchhaltetalent: Reis
Daran wird geforscht:
Reis hat eine Superkraft: Er ist praktisch unsterblich, denn nach jeder Ernte sprießen ganz von selbst neue Keime aus den Feldern. Nachteil: Die zweite Ernte ist meist deutlich weniger ertragreich als die erste. Für Bäuer:innen lohnte es sich bisher mehr, jedes Jahr aufs Neue auszusäen.
Ein internationales Forschungsteam hat in einem seit 1999 laufenden Projekt mithilfe zahlloser Kreuzungsversuche eine neue Reissorte mit dem Namen PR23 gezüchtet. P steht für „perennial“ also mehrjährig, R für Reis und 23 für die fortlaufende Zahl der Kreuzungen des Forscher:innenteams. Mehrjährig bedeutet: Einmal ausgesät, soll sie mehrere Jahre lang gleichmäßigen Ertrag abwerfen. Dafür haben die Forscher:innen eine einjährige asiatische Reissorte mit einer mehrjährigen Wildsorte aus Nigeria gekreuzt. Das Produkt wurde nun fünf Jahre lang an drei Orten in der chinesischen Provinz Yunnan angebaut.
Das ist gut:
Das Konzept funktioniert! Die neue Sorte kann mit nur einem Aussäen vier Jahre lang zwei Mal pro Jahr geerntet werden. Dabei steigt sogar der Ertrag – im Vergleich zu herkömmlichen Sorten waren es durchschnittlich 100 Kilogramm mehr pro Hektar. Die neue Sorte spart den Bäuer:innen also Arbeit und Zeit. Etwa 70 Tage weniger mussten sie in den Jahren nach der Aussaat in die PR23-Felder investieren. Auch dem Erdreich scheint die neue Reissorte gut zu tun. Weil die Erde weniger häufiger umgegraben wird, bleiben mehr Nährstoffe zurück als bei herkömmlichen Reissorten.
Das kann besser werden:
Seltenes Umgraben hat auch Nachteile. Schädlinge wie Pilze und Insekten können sich leichter ansiedeln. Deshalb muss PR23 ab der zweiten Saison häufiger mir Herbiziden gespritzt werden als jährliche Sorten. Auch die Kosten für Pestizide steigen laut der Studie. Beides könnte sich negativ auf die Artenvielfalt und das Klima auswirken. Deshalb haben die Forscher:innen angekündigt, als nächstes testen zu wollen, wie klimaschädlich die neue Sorte ist. Reis verursacht zehn Prozent des weltweit emittierten Methans und gehört damit zu den größten Klimakillern. Ob PR23 insgesamt besser oder schlechter ist, wird sich zeigen, wenn das Forschungsprojekt 2023 abgeschlossen ist.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Unklar. Die Arbeitserleichterung durch die neue Sorte könnte ein so starkes Argument sein, dass ökologische Fragezeichen ignoriert werden.
Die Suboptimierte: Kartoffel
Daran wird geforscht:
Beim Projekt OptiPom geht es, na klar, um die Optimierung der Pommes frites. Genauer gesagt „die Steigerung der Frittierqualität“ von Kartoffeln. Doch die Forscher:innen wollen mehr als Knusprigkeit, sie wollen das Pommesessen gesünder machen. Denn Pommes enthalten Acrylamid. Der Stoff gilt als krebserregend und erbgutschädigend. Beim Frittieren von Kartoffeln werden Zucker und Aminosäuren zu neuen Stoffen umgewandelt. Dabei entstehen Bräune und leckere Röstaromen, aber eben auch Acrylamid.
Um den Acrylamidgehalt zu senken, muss man den Zuckergehalt in der Kartoffel verringern. Und Zucker bildet sich wiederum in der Knolle, wenn sie gestresst ist. Die Herausforderung für die Forscher:innen lautete also: Wie verhindert man, dass Kartoffeln gestresst sind? Von 2018 bis 2021 testete ein Forscherteam der bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft, unter welchen Bedingungen am wenigsten Zucker in den Knollen gebildet wird.
Das ist gut:
Generell zeigte sich, dass einer der größten Hebel für Knusprigkeit in der Lagerung liegt. Kartoffeln dürfen nicht unter sieben Grad Celsius gekühlt werden, sonst entsteht Zucker. Auch für den Anbau haben die Forschenden konkrete Ansätze gefunden, die Pommes besser machen. Zum Beispiel sollte nachgewässert werden, wenn 50 Prozent des Wassers im Boden von der Kartoffelpflanze aufgenommen wurden, weil es die Wurzeln sonst zu viel Kraft kostet, weitere Flüssigkeit zu ziehen.
Das kann besser werden:
Leider gilt: Je mehr Dünger, desto schöner die Frittenfarbe. Der Grund dafür ist, dass Hitze ein Hauptfaktor für Kartoffel- Stress ist. Gegen Hitze Wiederum hilft gutes Blätterwachstum. „Dichtes Kartoffellaub schützt die Knolle, sagt Studienkoordinator Adolf Kellermann. Das Problem daran ist, dass dichte Blätter am besten durch reichlich Stickstoff-Düngung entstehen. Leider erbleicht auch die schönste Fritte im Angesicht der Folgen, die ein zu hoher Stickstoffgehalt für die Umwelt haben kann.
Auch die optimale Bewässerung ist bei Wasserknappheit ein Problem. Bessere Pommes-Kartoffeln sind aber nicht nur potentiell schlechter für die Umwelt, sie kommen auch weniger gut mit dem Klimawandel klar. So haben die Bewässerungstests gezeigt, dass sowohl Trockenheit als auch viel Regen für einen jeweils höheren Zuckergehalt sorgten. Und sowohl die Starkregentage als auch die Dürretage nehmen fast überall in Deutschland mit der Klimakrise zu.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Gering. Knusprigere und gesündere Pommes für eine höchstwahrscheinlich schlechtere Ökobilanz zu erkaufen, ist eine Rechnung auf ziemlich kurze Sicht.
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