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Online-Handel und CoronaMehr Marktmacht für Amazon

Der US-Handelsriese Amazon dürfte im Zuge der Corona-Krise seine marktbeherrschende Stellung noch mehr ausbauen können.

Einer freut sich: Amazon-Gründer und -Chef Jeff Bezos Foto: Lindsey Wasson/reuters

BERLIN taz | Geschäfte geschlossen, die Lieferdienste von Drogerien und Supermärkten haben das nächste Lieferfenster erst in ein paar Wochen frei – aber trotzdem braucht es von irgendwoher ein Malheft oder Ersatz für das defekte Ladegerät. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt nun in einem Kurzbericht zu dem Schluss: Von der Verlagerung des Konsums in den Onlinehandel wird vor allem Amazon profitieren.

Amazon ist nicht nur welt-, sondern auch deutschlandweit der größte Onlinehändler. Für 2018 beziffert das IW den Umsatz auf gut 9 Milliarden Euro, mit großem Abstand folgt Otto mit gut 3 Milliarden Euro Jahresumsatz. 82 Prozent der 18- bis 64-Jährigen gaben im vergangenen Jahr an, innerhalb der letzten 12 Monate mindestens einmal etwas über Amazon gekauft zu haben.

Dass der Konzern seine Marktmacht in der Krise ausbauen könnte, macht IW-Autorin Vera Demary an drei Punkten fest: Zunächst habe Amazon einen Bekanntheits- und Vertrauensvorteil. Es sei daher wahrscheinlich, dass Verbraucher:innen, die bisher über Amazon bestellt haben, das auch weiterhin tun und zudem Menschen, die in der Vergangenheit kaum oder nicht online bestellt haben, sich für den US-Konzern entscheiden.

Große Preisschwankungen bei Amazon

Zweiter Punkt: Die Breite des Sortiments führt – in Kombination mit der Bequemlichkeit von Kund:innen – dazu, dass diese online ausschließlich über Amazon bestellen. Das Vorhandensein von Streaming-Angeboten verstärke diesen Effekt noch. Drittens: Amazon bietet eine (bislang) hohe Liefersicherheit, unter anderem auf Grund eigener Lieferlogistik.

Für Verbraucher:innen kann es aber gerade in der aktuellen Situation ein Nachteil sein, Amazon zu nutzen. Denn die dort angebotenen Waren unterliegen teilweise großen Preisschwankungen. Beispiel Mangelware Klopapier: Während Drogerien und Supermärkte die Packungen weiterhin zu Preisen von zwei bis drei Euro verkaufen, rufen Händler bei Amazon teilweise zweistellige Beträge auf.

Doch IW-Autorin Demary weist darauf hin, dass ein Profitieren von Amazon keine Zwangsläufigkeit sei. „Denkbar ist auch, dass Konsumenten die kleinen, stationären Händler bei sich vor Ort unterstützen möchten, die während der Pandemie schließen müssen und bewusst bei diesen Produkte bestellen“, schreibt sie.

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8 Kommentare

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  • Alle, die Amazon so super finden und so gern da einkaufen, sollen sich doch bitte mal über die Arbeitsbedingungen da informieren und sich überlegen, ob sie die für sich selber auch wollen.



    Wie war das noch mal mit der hochgelobten Solidarität?

    • @Fezi:

      Ich nehme an, dass die stattdessen im Einzelhandel einkaufen. Die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel sind aber nicht unbedingt besser, als bei Amazon, auch dort wird oft fast nur mit Hire-and-Fire-Aushilfen gearbeitet und viele Einzelhändler haben keine Betriebsräte oder verhindern diese sogar aktiv.

      • @Ruediger:

        Danke für die Info! Ich kaufe nicht nur, wenn überhaupt, im Einzelhandel, ich arbeite da auch selber, und klar gibt es da solche und solche. Kein Grund, Amazon (und all die anderen) zu verteidigen, sondern halt die Geschäfte, in denen wir kaufen sehr genau auszuwählen. Und klar, ICH kaufe bei denen allen nicht, von denen ich weiß, dass sie ihre Leute mies behandeln.

  • Übrigens, wenn das Bargeld abgeschafft wird, dann bezahlen wir demnächst einfach mit Amazon Gutscheinen. Läuft für Amazon...

  • Nette Werbung. So viele Vorteile! Und so schön bequem! Und alle machens. Manche auch, die gleichzeitig in Nachbarschaftsportalen dazu aufrufen die Läden in der Nachbarschaft zu unterstützen. Tja, Tun hat Folgen, Reden oft nicht.

  • Das Problem hier ist, dass der Staat nicht seine marktbeherrschende Stellung in Sachen Steuern zur Geltung bringt.



    Wo der Kunde kauft, wollen wir ihm doch wohl nicht vorschreiben. Und so ist das mit dem technischen Fortschritt.

  • Das "Problem" von Amazon ist, dass es funktioniert. Ich habe, jetzt sowieso nicht, keine Lust, nach der Arbeit in die Stadt zu fahren, durch x Geschäfte zu rennen, dann nach Hause... Und wer keinen ÖPNV nutzen kann, muss das auch noch mit dem Auto machen und steht im Stau, etc. Da bestelle ich lieber von der Couch und genieße meine freie Zeit.

  • Habe coronaunabhängig Hosen bei Amazon bestellt, Lieferzeit vier Wochen ohne Prime. Sehe die skizzierten Probleme also eher nicht.