Öffentliche Toiletten in Berlin: Gratispinkeln nur mit Penis
Warum sind nur Pissoirs kostenlos? Die Berliner Abgeordnete Katalin Gennburg (Die Linke) findet das ungerecht.
Menschen mit Penis zahlen nichts dafür, ein Pissoir in der Öffentlichkeit zu benutzen. Wer das nicht kann, verschwindet fürs Geschäft hinter einen Baum oder sucht ein Toilettenhaus auf, das 50 Cent kostet. Gennburg fragte den Senat deshalb schriftlich: „Ist dem Senat bekannt, dass öffentliche Pissoirs kostenlos genutzt werden können, dass jedoch alle Personen, denen diese Option nicht zur Verfügung steht, auf öffentlichen Toiletten 50 Cent zum Pinkeln zu zahlen haben?“
Die Senatsverwaltung antwortet darauf, dass „die neue Berliner Toilette ausnahmslos eine Unisex-Toilette“ ist, aber überall dort, wo besonders viel wildgepinkelt wird, kostenfreie Pissoirs aufgestellt werden.
Vergangenes Jahr war entschieden worden, 68 neue barrierefreie Toiletten an „touristisch relevanten Bereichen“ entstehen zu lassen. Im Vorhinein wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Doch ist der Zugang zu öffentlichen Toiletten in Berlin damit nicht für jede:n geregelt. Nicht jede:r kann es sich leisten, 50 Cent fürs Pinkeln auszugeben. Zwar gibt es kostenlose öffentliche Toiletten in Berlin – für die meisten der 200 Anlagen ist aber eine „Benutzungsgebühr“ von 50 Cent fällig.
Forderung nach kostenlosen Toiletten
Zur Begründung nennt die Senatsverwaltung, dass „Fehlnutzungen und Missbrauch“ entgegengewirkt werde und „die öffentlichen Toilettenanlagen möglichst allen zur Verfügung stehen sollen und nicht durch die dauerhafte Belegung einzelner Personen der Nutzung durch andere entzogen werden“ soll. Was wohl so viel heißen soll wie: „In den Toilettenhäusern sollen keine Obdachlosen schlafen.“
Katalin Gennburg verweist darauf, dass die Abschaffung der Obdachlosigkeit ein wichtiges Thema sei: „So kann man das Problem aber nicht lösen“, sagt sie der taz. Gennburg hatte damit gerechnet, dass der Senatsverwaltung die Gender-Ungerechtigkeit der öffentlichen Toiletten bewusst ist: „Es ist ja ein Grundkonflikt, dass Frauen 50 Cent zahlen müssen, wenn sie auf Toilette müssen, und Männer halt nicht. Den kann man nicht wegdiskutieren, und hier muss nachgesteuert werden.“
Erschrocken hat sich Gennburg über das Gender-Stereotyp, das aus der Antwort hervorgeht: Kostenlose Pissoirs seien überall dort angebracht, wo es besonders viele Wildpinkler gibt. „Woher kommt eigentlich die Annahme, dass Frauen keine Wildpinkler sind?“, so Gennburg. „Diese Vergeschlechtlichung ist politisch eine absolut inakzeptable Argumentation.“
Deshalb fordert Gennburg weiterhin kostenfreie öffentliche Klos – wie etwa in Moskau und Helsinki. Auch an nichttouristischen Standorten, die die Bedürfnisse der Bürger:innen im Alltag abdecken. „Wir brauchen kostenlose öffentliche Toiletten nicht nur am Ku'damm, wo die Tourist:innen langlaufen, sondern auch in den Außenbezirken“, sagt Gennburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung