Nutzung der Windkraft: Größer, höher, leichter vermittelbar
Windräder werden immer gigantischer. Sie können aber in Industriegebieten aufgestellt werden, wo sie niemanden stören.

Damit überbietet sie den bisherigen Rekord von 20 Megawatt einer Anlage der Firma Mingyang Smart Energy, die seit dem vergangenen August in der chinesischen Provinz Hainan läuft. Die Anlage in Dänemark wurde von der EU unter dem Projektnamen Hippow (Highly Innovative Prototype of the Most Powerful Offshore Wind Turbine Generator) mit 30 Millionen Euro gefördert.
Allerdings dürfte auch der neue Weltrekord nicht allzu lange Bestand haben: Das chinesische Unternehmen Dongfang hat bereits eine Turbine mit einer Kapazität von 26 Megawatt vorgestellt, die allerdings bislang noch nicht installiert ist.
Damit schreitet die technische Entwicklung in einer Weise voran, die Branchenkenner sich in den frühen Jahren der modernen Windkraft niemals hätten vorstellen können. Als um die Jahrtausendwende in den Planungsabteilungen der großen Windturbinenbauer Anlagen mit bis zu 5 Megawatt entwickelt wurden, ließen sich Wissenschaftler noch mit den Worten zitieren, man sehe sich nun „nahe am oberen Ende der Fahnenstange“.
Nach wenigen Jahren waren die Anlagen jedoch etabliert und die Entwicklung zu noch größeren Maschinen ging ungebremst weiter. Heute lassen sich Windkraftingenieure in der Regel nicht mehr zu Prognosen über technische Grenzen hinreißen.
Auch an Land sind Windräder stetig gewachsen
Wenn es denn ein Limit gibt, so gilt das ohnehin eher im Binnenland als Offshore – aus Gründen der Transportlogistik. Aber auch dort sind die Anlagen in der Vergangenheit noch stetig gewachsen. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich auch an Land die Leistung der durchschnittlichen Neuanlage verdoppelt. In Deutschland liegt sie aktuell zwischen 5 und 6 Megawatt.
Die Projekte erfordern aufwendige Transportkonzepte: Bis zu 85 Meter lange und 130 Tonnen schwere Teile müssen durchs Land bewegt werden. Das führt dazu, dass die Komponenten speziell an Standorten in Mittelgebirgen, wo die Zufahrten oft über kurvige Waldwege führen, nur noch mit allergrößter Mühe anzuliefern sind.
Wenn die Rotoren eines Tages ein Größenlimit erreicht haben, halten Ingenieure auch ganz neue Konzepte für denkbar. Ein Thema ist in jüngster Zeit wieder die Tragstruktur: Multirotoranlagen, die an Versuche aus der Frühzeit der Windkraft anknüpfen, werden wieder öfter diskutiert. Bei dieser Bauart hat man nicht mehr nur eine Maschine, die auf dem Turm sitzt, sondern viele Rotoren an einer ausgefeilten Tragstruktur.
„Keine windschwachen Gebiete mehr“
Unterdessen entsteht in Klettwitz in der brandenburgischen Lausitz seit vergangenem September eine ungewöhnliche Anlage: Mit einer Gesamthöhe von 365 Metern wird sie die höchste Windkraftanlage der Welt sein – und nach dem Berliner Fernsehturm sogar das zweithöchste Bauwerk Deutschlands. Das Projekt kostet zwischen 20 und 30 Millionen Euro und wird von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) finanziert.
Ungewöhnlich ist dabei gar nicht der Rotor, denn der stammt aus der Serienfertigung. Es handelt sich um eine 3,8-Megawatt-Anlage des saarländischen Herstellers Vensys mit 65 Meter langen Rotorblättern – das ist leistungsmäßig doch eher Mittelmaß.
Die Innovation steckt in dem hohen Gittermaststurm. Mit diesem will man in Höhen vorstoßen, in denen jeder Standort gute Windverhältnisse bietet: „Es gibt dann praktisch keine windschwachen Gebiete mehr“, sagte Martin Chaumet, Geschäftsführer der Beventum GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der Sprind, im Herbst nach der Grundsteinlegung. Man könne dann mit den Anlagen zum Beispiel auch in die Industriegebiete gehen, was weniger Widerstand bei Bürgern hervorrufen dürfte.
In Nabenhöhe kalkulieren die Planer in der Lausitz mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 8,5 Metern pro Sekunde, verglichen mit 6,3 Metern in Standardhöhe. Der Jahresertrag soll sich dadurch von 8 bis 12 Millionen Kilowattstunden auf etwa 18 Millionen erhöhen. Mit einem Rotor und Maschinenhaus in der heute marktüblichen Größe wären auf dem hohen Turm sogar Jahreserträge von mehr als 30 Millionen Kilowattstunden möglich.
In Teleskop-Bauweise wird der Turm errichtet. Zwar brauche man für den Aufbau mehr Arbeitskräfte als bei klassischen Anlagen, heißt es bei Beventum, dafür spare man aber Material und komme mit preisgünstigen Stahlqualitäten aus. Hingegen geht bei den Offshore-Maschinen die Materialschlacht weiter: Bei den derzeit größten Windkraftanlagen der Welt wiegt allein die Gondel, das Maschinenhaus, an die 1.000 Tonnen.
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