Ausbau der Windenergie: Mit Flügeln über die Autobahn
Ein Windrad bedeutet zehn Schwertransporte, Genehmigungswahnsinn und horrende Umwege durch marode Infrastruktur.
L angsam dämmert es, Waldemar Swider und seine Kollegen wollen endlich los. Seit über 40 Stunden stehen sie auf einem Parkplatz bei Soest in Westfalen und warten auf das ‚Go‘ der Polizei. 901 Kilometer liegen hinter ihnen, in dieser Nacht soll der letzte und komplizierteste Teil der Strecke gefahren werden. Swider, in neongelb reflektierender Weste und Hose, fährt einen der Lkws, die drei Rotorblätter eines Windrads von Goleniów in Polen ins ostwestfälische Paderborn bringen sollen.
Empfohlener externer Inhalt
Auf dem Parkplatz stehen die drei „Super Wing Carrier“ hintereinander gereiht. Jeder dieser Transporter hat ein nacktes Rotorblatt geladen, durch die leicht geschwungene Form zeigen die Blattspitzen nach unten. Wie überdimensionierte Gräten liegen sie da. Die speziellen Transporter bestehen aus der Sattelzugmaschine vorne und einem Auflieger hinten, verbunden werden sie durch einen bis zu über 60 Meter ausfahrbaren Träger. Trotzdem hängen um die neun Meter des 80 Meter langen Blattes hinten über. Wenn man dieses Rotorblatt neben der Siegessäule in Berlin aufstellte, würde es sie überragen.
Um möglichst viel Energie zu gewinnen, sind Rotorblätter in den letzten Jahren immer länger geworden und ihr Transport damit komplizierter. Ein 50 Meter langes Blatt passte noch problemlos durch die meisten Autobahnkreuze. Mit 80 Metern wird daraus ein Kunststück oder ein Umweg. Ein Windrad an seinen Platz zu transportieren, bedeutet zehn Schwer- und Großraumtransporte: drei Rotorblätter, fünf Turmteile, die Nabe und der Generator müssen bewegt werden.
Und wie bei diesem Transport bedarf es eines über 20-köpfigen Teams, um die Strecke zu präparieren und abzusichern. Noch stehen die Kollegen unter einem der Blätter und trinken schwarzen Kaffee. Waldemar Swider raucht, dabei hält er seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. Der 52-Jährige spricht mit ruhiger Stimme, trägt eine silberne Kette um den Hals und Glatze. Wegen des Feiertags am Vortag musste das Team zwei Tage auf dem Parkplatz neben der Autobahn warten, durfte eine Nacht nicht fahren. Schwertransporte werden in den meisten Fällen nur zwischen 22 und 6 Uhr genehmigt, aus Sicherheitsgründen und damit nicht der gesamte Verkehr lahmgelegt wird, falls er stecken bleibt. Noch hat die Polizei die Autobahn nicht freigegeben, zu viele Autos seien noch unterwegs.
Wenn es nach Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck geht, werden bald viel mehr solcher Transporte benötigt. Sein Ministerium plant den Ausbau erneuerbarer Energien auf ein „völlig neues Niveau“ zu heben, um den Klimawandel aufzuhalten und unabhängig von Energieimporten aus Russland zu werden. Dafür soll der jährliche Ausbau der Windenergie an Land von drei Gigawatt in diesem Jahr auf zehn Gigawatt im Jahr 2025 hochgefahren werden. Aber Habecks Plan birgt einige Schwierigkeiten, wie den Transport von überlangen Rotorblättern.
Für Holger Dechant sind das eigentlich vielversprechende Aussichten: mehr Windräder, mehr Transporte. Dechant, 50, graues Haar, kantige Brille, gebräuntes Gesicht, leitet eines der größten Schwerlastunternehmen Deutschlands. Auf dem Kragen seines weißen Hemdes ist der Name seiner Firma eingestickt, Universal Transport. Trotz der potenziellen Aufträge bleibt er skeptisch in Bezug auf Habecks Energiepaket. Nicht weil er gegen den Ausbau erneuerbarer Energien ist, sondern weil seine Branche die Kapazität für Transporte schon einmal hochgefahren hat und dann hängen gelassen wurde. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurde der Ausbau der Windkraftanlagen in Deutschland beschleunigt: Während 2011, im Jahr des Unglücks, noch 859 Windräder gebaut wurden, stieg die Anzahl bis 2017 auf 1.792 zugebaute Windkraftanlagen im Jahr an. Und dann kam die Flaute. Im vergangenen Jahr wurden nur 484 Windräder in Deutschland gebaut. Und jetzt soll der Ausbau schnell wieder hochgefahren werden? „Es kann nicht sein, dass wir jetzt wieder investieren und in drei Jahren gibt es womöglich eine neue Regierung, die den Ausbau wieder runterfährt“, sagt Dechant.
Holger Dechant, Spediteur
Sein Unternehmen konnte das Auf und Ab durch die Vielfalt der Transporte ausgleichen, sie fahren auch Brückenteile oder Lokomotiven. Andere Spediteure hingegen seien nach dem Boom 2017 pleitegegangen. „Wir werden das nicht mehr blauäugig mitmachen können“, sagt Dechant, „und unsere Kollegen übrigens auch nicht“.
Dechant wünscht sich verlässliche Zusagen von der Politik, denn wenn Rotorblatttransporte ausfallen, steht das Spezialequipment nutzlos in der Ecke. „Mit so einem Transporter können wir morgen keine Gurken fahren“, sagt er. Seitdem die Rotorblätter immer länger werden, steigt der Druck auf die Branche. Mit einem Transporter, der ein 50 Meter langes Rotorblatt transportierte, konnten noch andere Bauteile gefahren werden, Betonträger zum Beispiel. Die „Super Wing Carrier“ aber sind nur für Rotorblätter geeignet.
Empfohlener externer Inhalt
Um 22:30 Uhr erlaubt die Polizei schließlich, dass der erste Lkw losfährt. Swider steigt in seine Fahrerkabine, der Sitz federt beim Hinsetzten. Den Fernseher hat er eingeklappt, das Bett hinter dem Fahrersitz ist gemacht. Swider greift links über sich nach seinem Funkgerät: „Wir können los“, gibt er seinem Begleitfahrer Winnie Bange Bescheid.
Links auf der zweispurigen Autobahn rauschen andere Lkws und Autos vorbei, während sich der Transporter wie in Zeitlupe auf den Beschleunigungsstreifen schiebt. Das Begleitfahrzeug hinter dem Rotorblatt versucht gleichzeitig die Autobahn dicht zu machen. Swider zieht mit Schrittgeschwindigkeit auf den rechten Fahrstreifen. „Noch zwei Pkws, dann hab ich's“, funkt es von hinten. Die zwei schnellen vorbei, Swider lenkt auf die Mittellinie und beschleunigt. „Jetzt haben wir die ganze Autobahn für uns“, sagt er, ohne dabei aufgeregt zu klingen.
Vor fünf Jahren hat er das erste Rotorblatt transportiert. „Wenn man davor Angst hat, geht es nicht“, sagt er. Ein Kollege von ihm habe nach zwei Wochen aufgegeben, für ihn sei es zu viel Stress gewesen. Swider mag die Anspannung: „Das ist nicht wie bei DHL, die ganze Zeit nur hin und zurück, laden, abladen. Bei einem 80-Meter-Blatt kann immer etwas passieren.“
Waldemar Swider, Schwertransport-Fahrer
Berufskraftfahrer:innen, die 80 Meter lange Rotorblätter fahren können, gibt es wenige. Wenn sie in Rente gehen, hinterließen sie eine Lücke, weil kaum junge Fahrer:innen nachkämen. Geschäftsführer Dechant sagt, dass das vor allem an der mangelnden Akzeptanz und Wertschätzung für den Beruf liegt. Oft gebe es auf den Parkplätzen keine Toiletten, geschweige denn eine Dusche. Wenn einer seiner Fahrer krank wird, hat er ein Problem: „Eine Ersatzbank wie der FC Bayern haben wir nicht.“
Waldemar Swider fährt seit 31 Jahren im Lkw quer durch Europa. Zuhause in Polen bei seiner Familie ist er deswegen selten. Sogar die Geburt seiner Tochter habe er verpasst, weil er stattdessen in Spanien Obst und Gemüse durch die Gegend gefahren hat. Der Gemüselaster mit der surrenden Kühlanlage direkt hinter seiner Schlafkoje habe ihn aber abgehärtet: Wenn er jetzt mit dem Rotorblatt neben der Autobahn parkt und schläft, stört ihn der rauschende Verkehr nicht. Während er erzählt, fährt er weiter schnurgerade auf der Mittellinie. Das Funkgerät rauscht: „Die Polizei ist erst um 23 Uhr am Kreuz.“ Aus Sicherheitsgründen sperren sie die Autobahnzufahrt. Swider drosselt den Tempomat um drei Stundenkilometer, um nicht vor der Polizei am Autobahnkreuz anzukommen.
Bevor Swider mit dem Rotorblatt losfahren konnte, wurde der Transport rund vier Monate lang vorbereitet. Die gesamte Strecke wurde von seinen Kolleg:innen abgefahren und nach Hindernisse abgesucht. Trägt die Brücke den Lkw? Ist ein Kreisverkehr im Weg, eine Ampel oder eine Laterne? Nadelöhre, an denen das Rotorblatt leicht stecken bleiben könnte, werden mit Hilfe von Computerprogrammen und auch vor Ort vermessen.
Jeder Streckenabschnitt muss von den Behörden genehmigt werden. Und die Genehmigung von Schwertransporten ist Ländersache beziehungsweise Stadt-, Kreis-, oder Gemeindesache – also extrem kleinteilig. Damit Genehmigungen gebündelt beantragt werden können, wurde vom Land Hessen die Online-Plattform VEMAGS eingerichtet. Die Webseite sieht aus wie in den Nullerjahren programmiert, ähnlich behäbig bleibt das Prozedere dahinter. Allein für diese Strecke bedeutete das 14 Genehmigungen innerhalb Deutschlands, plus Freigaben von der Polizei. „Auf der einen Behörde ist einer krank, ein anderer im Urlaub und schon bleibt die Genehmigung liegen“, sagt Dechant. Der Föderalismus sei für Schwertransporte eine Herausforderung: „Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Der eine macht hier eine Auflage mehr, der andere besteht plötzlich auf zwei Begleitfahrzeuge statt einem.“
Wenn in den nächsten Jahren wie geplant mehr Windräder gebaut werden sollen, glaubt Dechant, werden die Genehmigungsbehörden überlastet sein. Auch 2017 habe es bereits einen Rückstau bei der Genehmigung von Schwertransporten gegeben. Damals habe er auch keine Transporte von Eisenbahnwaggons genehmigt bekommen, weil die unter zig Anträgen für Windradteile begraben gelegen hätten. Die ganze Branche sei 2017 gelähmt gewesen. Für die Genehmigung dieser drei Rotorblätter haben die Behörden etwa drei Monate benötigt – und der Turboausbau der Windkraft hat noch gar nicht begonnen.
Probleme bereitet auch die marode Infrastruktur. Zahlreiche Brücken halten keine Schwertransporte aus oder sind zu tief, Autobahnauffahrten sind zu eng und die Parkplatzsituation für Lkws ist generell bescheiden. Die neuerdings gesperrte A 45 von Dortmund nach Aschaffenburg „ist schon seit zehn Jahren nicht mehr auf unserer Landkarte zu finden“, scherzt Holger Dechant. Schwertransporte durften die baufällige Strecke seit Jahren nicht befahren. Weil die A 45 nicht die einzige unbefahrbare Straße ist, entstehen viele Umwege.
Das Problem
2022 muss ein Energiewende-Sommer werden. Die Klimakrise verschärft sich und die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas zeigt nochmals, dass Veränderung hier nicht warten kann. Aber der Wandel passiert nicht nur an Berliner Ministeriumsschreibtischen, sondern konkret in den Städten und Dörfern Deutschlands. Was bedeutet die Klimakrise und die Energiewende wirklich vor Ort?
Das Projekt
Einen Sommer lang besucht die taz Orte, in denen um die Energiezukunft gerungen wird. Wie spüren Gemeinden in Deutschland die Folgen der Klimakrise? Welche Konzepte und Konflikte gibt es bei der Suche nach Lösungen? Das Projekt „taz klimaland“ mit Texten, Veranstaltungen und Videos ist zu finden unter taz.de/klimaland.
Die Orte
Wir sprechen mit Menschen, die gegen den geplanten Solarpark im Nachbarort protestieren, genauso wie mit denen, die in ihrem Dorf eine Genossenschaft gegründet haben, um eigene Energie zu produzieren. Wir klopfen an beim neu gebauten Gaskraftwerk und bei der Rentnerin, die wegen der Dämmung die Miete nicht mehr zahlen kann. Wir besuchen Aktivist:innen, die mit Gewissheiten hadern. Es geht ums Ganze, im Kleinen. Wollen Sie uns auch zu sich einladen? Worum wird bei Ihnen vor Ort gestritten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an klimaland@taz.de.
Wenn man sich den Streckenverlauf dieses Transports auf einer Karte anschaut, versteht man das Dilemma sofort: Über Stettin nach Berlin, weiter nach Hamburg, dann südlich nach Dortmund und endlich Richtung Paderborn. Anstatt die direkten 616 Kilometer fahren zu können, müssen die Rotorblätter 970 Kilometer im Zickzack-Kurs zurücklegen. Gut ein Drittel mehr Strecke, wodurch der Transport unnötig teuer und unökologischer wird. Und dieser Umweg ist noch harmlos, verglichen mit einem Transport von Goleniów nach Prenzlau, den Dechants Firma letztens durchgeführt hat: Rund 1.200 Kilometer mussten sie fahren, obwohl nur 85 Kilometer zwischen den Städten liegen.
Empfohlener externer Inhalt
Waldemar Swider zieht noch einmal an seiner Zigarette, als er auf die Autobahnabfahrt rollt und abbremst. „Okay Winnie, Leitplanke links, Leitplanke rechts, aber nur kurz“, informiert er seinen Begleitfahrer. Neben der Straße liegen die Leitpfosten abmontiert im Gras. Zentimeter für Zentimeter lenkt er den Lkw in die Kurve, prüft in den sechs Seitenspiegeln, wie viel Platz noch bleibt. Er fährt so nah wie möglich an der linken Leitplanke entlang. Swiders langsames Vortasten wird von einer verbalen warmen Dusche durch das Funkgerät begleitet: „Sehr schön, weiter so, gut, gut“ oder „allees schick, alleees schick“. Als würde er einem Pferd im Parkour gut zureden.
Die gesamte Strecke wird zwar vorher vermessen, aber ob das Rotorblatt am Ende wirklich um die Kurve passt, steht erst in dem Moment fest. Swider erinnert sich an einen Transport in Polen, bei dem er auf einer Landstraße stecken geblieben war. Mehrere Stunden mussten sie warten, bis etwa 40 Bäume gefällt worden waren, die den Weg versperrt hatten.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Bäume sind in der Schwertransportbranche generell ein leidiges Thema. Wenn Vögel in einem Baum nisten, aber ein Baumschnitt nötig wäre, damit das Rotorblatt nicht zerkratzt, kann sich der ganze Transport verzögern. Da viele Windparks in Wäldern liegen, tritt das Problem häufiger auf.
Die „letzte Meile“ beginnt, das Stück von der Autobahn bis zum Aufstellort. Swider lenkt den Lkw auf einen begrünten Kreisverkehr zu. In die Mitte des Kreises wurde eine breite Spur gemäht und mit Metallplatten bedeckt. So kann das Rotorblatt, ohne in die Kurve gehen zu müssen, weiter geradeaus fahren. Bei diesem Kreisel funktioniert das problemlos. Aber wenn eine Gemeinde ihren Kreisverkehr mit einem steinernen Springbrunnen verziert, versperrt sie damit eventuell den Weg eines Rotorblatts. Dann heißt es wieder Umwege fahren.
Auf der Landstraße blinkt der schwarze Himmel immer wieder rot von den vielen Windrädern, die in dieser Region bereits gebaut wurden. Ob er manchmal an einem Rad vorbeifährt, und sich erinnert es gefahren zu haben? „Oft“, antwortet Swider und nickt.
Unterwegs zwischen den Etappenzielen gibt es für Swider und seine Kollegen meistens keine Möglichkeit eine Pause einzulegen. Sie passen mit ihren überlangen Lkws nur auf die wenigsten Parkplätze. Pipipause? Fehlanzeige, da hilft nur einhalten oder andere Lösungen finden. Wenn sie dann morgens um fünf oder sechs auf den vorgesehenen Rastplatz fahren, wird es oft brenzlig. Durch den Parkplatzmangel wissen sich Lkw-Fahrer:innen nicht zu helfen, parken Konserven- oder Baustofftransporter oft auf der Schwerlastspur und blockieren sie damit. Dann ragt das Rotorblatt auf die Autobahn hinaus und nachfahrende Autos rechnen nicht mit dem plötzlichen Stau. Es habe deshalb schon üble Unfälle gegeben, vor allem das Begleitfahrzeug ist in dieser Situation gefährdet. Und wenn bald noch mehr Rotorblätter und Turmteile unterwegs sind, werden die Parkplätze noch knapper.
Trotz der Probleme ist es Holger Dechant wichtig, die Klimawende nicht zu blockieren: „Wir müssen uns alle an einen Tisch setzten, Politik, Verlader und Spediteure.“ Denn bisher würde zwar ständig über die nötigen Abstände von Windrädern zu Wohnhäusern gesprochen, aber wie die Windräder an ihren Standort gelangen sollen, sei kein Thema.
Waldemar Swider rollt auf die letzte Kreuzung vor dem Abladeplatz zu, die Polizei und Begleitfahrzeuge bereits abgesperrt haben. Eigentlich müsste er nur rechts abbiegen, aber der Lkw passt nicht um die Kurve ohne Ampeln und Laternen zu touchieren. Also überquert er die Straße und lenkt das Rotorblatt rückwärts nach links in die Kreuzung. Bange steigt aus dem Begleitfahrzeug aus, um den Transporter über die Kreuzung zu lotsen. Er steht mit Stirnlampe und einer Fernbedienung in der Nacht und steuert die hinteren Räder nach. Gleichzeitig beschreibt er Swider über Funk die Position der Achsen und Räder. Zweimal muss die Blattspitze möglichst behutsam über die erhöhte Mittelinsel der Kreuzung gefahren werden. Die Achsen fahren auf die Bordsteinkante, Bange funkt wieder: „Jawoll weiter … und alle Achsen unten, du kannst gerade ziehen.“ Das Wendemanöver wirkt wie eine wochenlang einstudierte Choreografie: vor, zurück, drehen, weiterdrehen, vor. Dabei bugsieren die beiden erst ihr zweites Rotorblatt über diese Kreuzung.
Nach gut zwei Stunden und 69 Kilometern folgt am Ziel ein ähnlicher Tanz: links in den Feldweg rein, die Räder des Aufliegers drehen sich um 90 Grad, das Blatt zieht gerade, rückwärts in den Weg zum Ablageplatz. Die drei Blätter, die Swider und seine Kollegen in der Woche zuvor transportiert haben, liegen bereits am Fuß von einem der vier Windräder, die hier seit Jahren Energie gewinnen. Ihre Türme ragen hoch in den Himmel, so dass die Blätter in der Nacht nur zu erahnen sind. Von der Anhöhe blickt man über den Kreis Paderborn, 525 Windräder. In der Dunkelheit blinken ihre roten Warnleuchten einen Rhythmus. Hier sieht es nach Klimautopie aus – oder nach 2025.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?