Nord Stream 2: Verhandlungsmasse schmilzt
Es sollte ein Deal werden: Flüssiggas aus den USA gegen Zustimmung zur Ostseepipeline. Doch der Handel droht zu scheitern.
Über das Terminal in Brunsbüttel soll mithilfe von Fracking gewonnenes Flüssiggas (LNG) aus den USA nach Europa gelangen. Umweltschützer:innen lehnen das ab, weil Frackinggas extrem klimaschädlich ist. Die Kommission muss bis Ende März über einen Antrag der German LNG entscheiden. Die Betreiber fordern, dass sie bis zu 80 Prozent der Kapazitäten der Anlage in langfristigen Verträgen binden dürfen – das ist unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln nicht erlaubt. Für diese Kapazitäten wollen sie auch in der Preisgestaltung frei sein.
Ansonsten müssen Preise von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Die hat den Antrag bereits bewilligt und zur Prüfung an die EU-Kommission übermittelt. Laut DUH-Rechtsgutachten ist diese Entscheidung nicht rechtmäßig. Die Bundesnetzagentur habe bei ihrer Prüfung die Umweltverträglichkeit ausgeklammert – was sie laut Gutachten nicht darf.
„Ohne die Sonderregelungen rechnet sich die Anlage nicht“, sagte Constantin Zerger, Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz bei der DUH. Er kritisiert, dass die Bundesnetzagentur die Auswirkungen nicht selbst geprüft, sondern dazu ein Auftragsgutachten der Betreiber herangezogen hat. Das dürfe nicht die Grundlage einer unabhängigen Verwaltungsentscheidung sein. „So entsteht der Eindruck, als würden mit der Entscheidung ein politischer Auftrag erfüllt und Sonderregeln für eine Infrastruktur geschaffen, die energiewirtschaftlich unnötig und klimapolitisch verheerend ist“, sagte er.
Verhandlungsmasse für Nord Stream 2
In Europa gibt es bereits eine Reihe von Flüssiggasterminals. Sie sind nicht ausgelastet. Das geplante Terminal in Brunsbüttel ist für die Bundesregierung trotzdem wichtig, weil es eine Rolle im Poker um die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 spielt. Würde das LNG-Terminal in Brunsbüttel nicht realisiert, verlöre die Bundesregierung gegenüber der US-Regierung Verhandlungsmasse. Erst vor Kurzem wurde öffentlich, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den USA angeboten hat, viel Geld unter anderem in den Bau des LNG-Terminals in Brunsbüttel zu stecken, wenn die Amerikaner im Gegenzug Nord Stream 2 akzeptierten.
Die USA lehnen die Ostseepipeline ab, weil sie eine zu große Abhängigkeit der europäischen Partner von Russland fürchten. Sie haben beteiligten Unternehmen mit Sanktionen gedroht. Für Moskau ist die Gasleitung, die die Ukraine als Transitland umgeht, ein geopolitisches Projekt, um Kiew abzustrafen und die Gaspartner enger an Moskau zu binden.
Die Drohung der USA zeigt bei den beteiligten Unternehmen Wirkung. Aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des US-Außenministeriums an den Kongress geht hervor, dass mindestens 18 europäische Unternehmen aus dem deutsch-russischen Gasprojekt ausgestiegen sind oder vorhaben, es zu verlassen.
Darunter sind der Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger und der Rückversicherer Munich Re. Angeblich sollen sich auch in Großbritannien ansässige Versicherungskonzerne, die Schweizer Zurich Insurance Group und die Axa Group zurückgezogen haben. Bislang haben die USA nur gegen das russische Unternehmen KVT-RUS Sanktionen verhängt. Ihm gehört das Schiff, das die Pipeline verlegt. Die Maßnahme erfolgte noch unter Präsident Donald Trump.
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